Verzicht gegen Rabatt

Das Gericht übermittelte uns meine Ladung zum Hauptverhandlungstermin, der gut zwei Wochen später stattfinden sollte. Die Ladung enthält einen

Zusatz :
Nach Mitteilung des EMA Hamburg, soll der Angeklagte nicht mehr unter der Anschrift: H****str. 157 in 22*** Hamburg wohnhaft sein. Um Mitteilung der dort bekannten ggf. neuen Anschrift wird höflichst gebeten.

Ich glaube nicht, daß ein ernsthafter Verteidiger dieser höflichsten Bitte, einen Parteiverrat zu begehen, entsprechen wird und dem Gericht einfach so mal eben die neue Anschrift mitteilt. Zumal sich in diesem Fall der Mandant, ordentlich wie er ist, nach seinem Umzug umgemeldet hat. Ich frage mich, was in den Köpfen mancher Richter abgeht.

Mal sehen, ob ich den Mandanten zum Termin mitbringe und dort dann die nicht erfolgte ordnungsgemäße Ladung irgendwie verwursten kann: Beispielsweise einen Verzicht auf die Einhaltung der Ladungsfrist gegen einen Rabatt beim Strafmaß anbieten.

Dieser Beitrag wurde unter Gericht, Verteidigung veröffentlicht.

14 Antworten auf Verzicht gegen Rabatt

  1. 1
    ben says:

    Ist das wirklich ein Parteiverrat? § 203 StGB dürfte doch eher einschlägig sein, oder?

  2. 2
    Malte S. says:

    Ich würde schon an der Geheimnisqualität zweifeln – bei ordnungsgemäßer Ummeldung sind diese Daten eh staatlichen Organen, Adresshändlern und sonstigen unliebsamen Personen zugänglich.
    Eine Verletzung der Mandatsverhältnisses ist es aber auf jeden Fall. Es ist ja nicht Aufgabe des Verteidigers, für eine ordnungsgemäße Ladung zu sorgen.

  3. 3

    Zweifel? Im Zweifel wäre es mir lieber, daß gegen mich kein Ermittlungsverfahren wegen § 203 StGB eingeleitet würde.

  4. 4
    ben says:

    Mich hat mal ein Strafkammer-Vorsitzender aufgefordert, zur Entlastung der Geschäftsstellen beizutragen. Es sei unzumutbar, dass die Damen und Herren ständig Akten wühlen müssten, um im Einzelfall festzustellen, ob sich die Anschrift des Angekl. geändert hat oder ob (durch in der Akte befindliche Vollmacht) über den Verteidiger geladen werden kann..

  5. 5
    BV says:

    Einen möglichen Pateiverrat (zumindest im strafrechtlichen Sinne) kann ich da auch überhaupt nicht erkennen.

    @ben: Ob über den Verteidiger geladen werden kann, wird doch üblicherweise bereits auf dem Aktendeckel notiert.

  6. 6
    MP says:

    Ich würde auch nicht von einem Geheimnis ausgehen, wenn der Mandant sich ordnungsgemäß umgemeldet hat. Die Daten sind schon erfasst -> nicht mehr geheim.

  7. 7
    AlterEgo says:

    Naja, das Strafmaß senken für so ne Formalie? Kann wohl nix Schlimmes gewesen sein.

    Aber offenbar ist er ja nach Verhandlungsstand schuldig, wenn hier nur noch übers Strafmaß nachgedacht wird. Wollen wir mal hoffen, dass man aus dem fehlenden Wohnsitz nach Aktenlage nicht als Verdunklungsgefahr auslegt ;-)

  8. 8

    Der Kundige weiß, daß es eine Verdunkelungsgefahr hier nicht besteht. Allenfalls eine Fluchtgefahr. Und die wird durch das Erscheinen im Termin widerlegt.

    „Formalien“ werden nur von solchen Leuten beiseite geschoben, die das Rechtsstaatsprinzip noch nicht verinnerlicht haben. In frühere Zeiten wurde das formelle Recht durch das gesunde Volksempfinden ersetzt. Die Zeiten sind dann nach 12 Jahren recht heftig beendet worden.

    „Schuldig“ ist nach den aktuellen Kriterien nur dann jemand, wenn er durch ein unabhängiges Gericht rechtskräftig verurteilt wurde.

    Si tacuisses …

  9. 9
    Malte S. says:

    „Form ist die Zwillingsschwester der Freiheit und geschworene Feindin der Willkür.“ Jhering.
    Das stimmt bis heute und wird leider mehr und mehr vom Gesetzgeber soweit es die Exekutive angeht immer weniger umgesetzt.

  10. 10
    ballmann says:

    nach welchem Prinzip des Rechtsstaats rechnen Sie mit „Rabatt“ ?

  11. 11

    Ich denke, daß Ihnen als Nicht-Strafrichter diese Materie fremd ist. Aber vielleicht kennen Sie auch in Ihrer Sphäre das Prinzip der Prozeßökonomie und des sorgsamen Umgangs mit den Justiz-Ressourcen? Und dann gibt es noch das nicht ganz so populäre Pensen-Erledigungs-Prinzip. ;-)

  12. 12
    ballmann says:

    Als vormaliger Jugendrichter ist mir die Materie nicht ganz fremd.

    Wer auf der einen Seite die Einhaltung der „Formalien“ fordert, sollte sie auch auf der andern Seite nicht ganz vergessen

  13. 13

    Nein, ich vergesse sie nicht. Im Gegenteil. Das formelle Recht (vulgo: Die StPO) dient zuvörderst dem Schutz des gewaltunterworfenen Bürgers. Wenn er nicht belastet wird, kann er – vorsichtig und stets professionell beraten – auf den Schutz verzichten.

    Übrigens – in diese Richtung wird die Diskussion abgleiten, wenn sie weiter geführt würde: Ich bin ein Gegner des Deals, aber nicht Fundamentalist genug, um an der Realität vorbei zu verteidigen.

  14. 14