Monatsarchive: Februar 2009

Weichgekocht

Der klassische Dreisprung war das Thema: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Beleidigung. Die Akte hat ein paar Monate herrenlos die Runde durch Moabit gemacht, Strafanträge sind keine gestellt worden. Die beteiligten Polizeibeamten konnten sich nur vage an den Vorfall erinnern (tatzeitnahe Berichte wurde nicht geschrieben).

Soeben rief mich der Staatsanwalt, dem ich Mitte letzter Woche eine zweiseitige Verteidigungsschrift geschickt hatte:

Staatsanwalt:
Sie haben mich weichgekocht, Herr Verteidiger. § 153 a StPO. Was verdient Ihr Mandant?

Verteidiger:
Einverstanden. Hartz IV.

Staatsanwalt:
Ok, 150 Euro. Aber kommen Sie mir nicht wieder mit irgendso einem gemeinnützigen Verein. Justizkasse! Die hat’s erkennbar nötig.

Verteidiger:
Ok, aber nur weil Sie sowieso schon weich und kein Gegner mehr sind. Sonst würde ich jetzt diskutieren.

Den Mandanten mußte ich vorher nicht mehr fragen, ob er einverstanden ist. Glück gehabt. Manchmal ist die Desorganisation in Moabit auch vorteilhaft. Und so böse war die Verteidigungsschrift nun wirklich nicht.

Wenn jetzt der Mandant die 150 Euro an die Justizkasse zahlt, wird das Verfahren gegen ihn eingestellt. Keine Vorstrafe und gelernt hat er trotzdem. Widerstand ist nicht nur zwecklos, er kann auch richtig teuer werden. Denn die 150 Euro sind ja nicht der einzige Posten.

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Den Caffè gibt’s auch künftig kostenlos

Ein von mir sehr geschätzter Kollege hat mich zum Nachdenken gebracht: Fahren wir mit unseren – ehemaligen – Angeboten (Akteneinsicht für 30 Euro) unsere Kanzlei wirtschaftlich gegen die Wand? Sollen wir unseren Mandanten und Besuchern wirklich weiterhin den Caffè kostenlos servieren? Ich überlege mal laut, zum Mithören.

Wir kaufen einen guten, daher teuren Caffè, meist den aus Triest, ein. Dazu sind zunächst Recherchen über die Bezugsquellen notwendig – und zwar unter Beachtung steuerstrafrechtlicher Gesichtspunkte. Mal eben nach Italien fahren und 10 kg Caffè über die Grenze bringen, ohne die Kaffeesteuer zu entrichten, führt zu Verteidigungsbedarf.

Die Espressobohnen werden dann portionsweise in einer spanischen Mühle in exakt definiertem Mahlgrad zerkleinert, ohne daß durch den Mahlvorgang das Aroma des Caffès beeinträchtigt wird. Aufpassen: Die Luftfeuchtigkeit hat Einfluß auf die Durchlaufgeschwindigkeit (dazu gleich mehr), deswegen muß der Mahlgrad stets angepaßt werden.

Der mit ziemlich genau 8 Gramm Caffèpulver gefüllte Siebträger wird dann in den Faema-Brühkopf der Brasilia gesteckt, die rund um die Uhr in Betrieb ist, damit wechselnde Temperaturen das Innenleben der Barmaschine nicht beschädigen können.

In dem Kessel der macchina befindet sich das heiße Wasser, das einen langen Weg aus dem Berliner Untergrund durch einen speziellen Filter und einen Druckminderer geflossen ist. Der Filter neutralisiert einen Großteil des Kalks, ohne allerdings diesen Geschmackträger völlig zu entfernen. Man muß nur darauf achten, das Filterelement regelmäßig zu regenerieren.

Das Wasser, das nun durch den Brühkopf gedrückt wird, kommt aus der Leitung, ist also frisch und kein abgestandenes Kesselwasser. Ziemlich genau 20 Sekunden dauert es, bis die vorgewärmte Tasse gefüllt und der Caffè durch eine dicke Cremaschicht hindurch duftet. Fließt es schneller, wird der Caffè „dünn“, dauert es länger, schmeckt er bitter. Druck und Temperatur des Wassers sowie Menge und Mahlgrad des Espressos müssen also fein aufeinander abgestimmt werden.

Das Ganze funktioniert aber auch nur dann mit einem Ergebnis, das sich „sehen“ lassen kann, wenn das Maschinchen stets sauber gehalten und täglich gepflegt wird.

Zum Caffè gibt es weißen oder braunen Zucker und einen Keks (Das ist allerdings in unserer Kanzlei noch ein Problem, die Kekse schmecken nämlich auch ohne Caffè!).

Für den auf diesem Wege hergestellten Genuß zahlt man in Düsseldorf in einem Café locker mal 2 bis 3 Euro. Dort wird das Getränk allerdings von Gastwirten gebraut. Bei uns macht das ein Strafverteidiger. Vergleicht man die üblichen Stundensätze von Gastwirten mit denen von Anwälten, müßte die Tasse Espresso bei uns eigentlich knapp unter 50 Euro liegen.

Und diesen Wert stellen wir unseren Mandanten und allen anderen Besuchern mit großer Freude zur Verfügung. Kostenlos. Auch künftig. Damit sie genauso gern wiederkommen, wie Udo Vetter, wenn er uns denn irgend einmal in Kreuzberg besucht hat. :-) Das ist mir der Aufwand wert.

 

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Alles klar

Ich habe eine eMail eines (heranwachsenden) Mandanten bekommen. Er entschuldigt sich dafür, mir noch keine Postkarte aus seiner Heimatstadt geschickt zu haben (das war die vereinbarte Honorierung meiner Verteidigertätigkeit). Dann hat er die Ladung zum Haftantritt bekommen, er möchte, daß ich einem Georg B. Auskunft über das Verfahren gebe und entbindet mich insoweit von meiner Schweigepflicht. Das Ganze hört sich so an:

guttentag herr Hoenig entschuldigung fur die post kart die brief must come I have some problem ich bin mall this week I have make a vollmacht and I want to sent tot you one online one must come by post Herrn Georg B. ist mein vater freund ist keine problem . In diese brief ist die vollmacht sorry my deutch is not very good I hope you understand .this is my email adress but I don`t understand why I must come zuruck Berlin ? cand I make revision or convince the gericht i`m ok Ich habe arbeit ales clar by me . danke schon

Irgendwie sympathisch, das Kerlchen. :-)

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$ 18.5 million dollars can be paid to you

In der Mittagspause ist eine höfliche eMail hier eingetrudelt:

BARRISTER GERRY MEYER
Bastien Yekpe And Associates
Cotonou, République du Benin
Telephone:+229 98741883

ATTN: Hoenig

I am Barrister Gerry Meyer, the attorney at law to Late Michael Hoenig, a national of your country, and a gold merchant here in Republic of Benin West Africa. Here in after shall be Referred to as my client. On the 27th of May 2004, my client, His wife and their only Child were involved in a car accident Along Sagbama express-road. All occupants of the vehicle Unfortunately lost their lives..Since then I have made several enquiries to your embassy to locate any of my clients extended relatives this has also proved Unsuccessful.

After these several unsuccessful attempts, I decided to track His last name over the Internet, to locate any member of his Family hence I contacted you. I have contacted you to assist in Repatriating the money and property left behind by my client before they get confiscated or declared unserviceable by the bank here. These huge deposits were lodged particularly, with the“ BANQUE ATLANTIQUE BENIN“ An affiliate of Commercial Bank of Africa where the Deceased had an account valued at about $18.5 million dollars. The Bank has issued me a notice to provide the next of kin or have the account confiscated.

Since I have been unsuccessful in Locating the relatives for over 2 years now I seek your consent to present you as the next of kin of the deceased since you have The same last name so that the proceeds of this account valued at $18.5 million dollars can be paid to you and then you and me can Share the money.50% to me and 50% to you I will procure all Necessary legal documents that can be used to back up any claim we may make. All I require is your honest cooperation to enable us seeing this Deal through. I guarantee that this will be executed under a legitimate arrangement that will protect you from any breach of the law. And the way we are going to achieve this is

I will need the following information from you,
Your Full Name and Address,
Your Age, Occupation and Position,
Your Telephone and Mobile for Communication Purpose.

I await your reply ASAP.

Best Regards.
Barrister Gerry Meyer
Tel.+229 98741883

Dieser Typus Leute, die mir solche Deals anbieten, fragen mich in aller Regel danach, ob sie die Kosten für die Verteidigung gegen den Betrugsvorwurf in monatlichen Raten zahlen können.

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Plädoyers in Kiel

In der Sache gegen den Nazi, dem man eine gefährliche Körperverletzung zulasten zweier Angels zur Last gelegt hat, wurden gestern vor dem Landgericht Kiel bereits die Schlußvorträge gehalten:

Die Staatsanwaltschaft sah es als erwiesen an, dass der angeklagte rechtsmilitante Neo-Nazi und ehemalige NPD-Funktionär Peter B. am Morgen des 29. August 2008 mit je einem Messerstich gegen die “Hells Angels” Dennis K. und Sascha B. den Tatbestand der vorsätzlichen gefährlichen Körperverletzung mittels einer Waffe und einer das Leben gefährdenden Behandlung erfüllte und ohne einen Rechtfertigungsggrund sowie schuldhaft handelte. Staatsanwältin Füssinger beantragte, angesichts einer Fülle strafschärfender Gesichtspunkte, eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten zu verhängen.

Die Verteidigung plädierte auf Freispruch. Peter B. habe zugunsten seines Freundes, dem Zeugen Ralf D., in Nothilfe – dem Äquivalent zur Notwehr – und damit gerechtfertigt gehandelt. Die Verteidiger Horst Terjung und Christian Bangert brandmarkten den Hauptbelastungszeugen der Anklage, einen Justizwachtmeister des Amtsgerichts aufgrund mutmaßlicher Verbindungen zu den “Hells Angels” als vollkommen unglaubwürdig. Die Staatsanwaltschaft habe sich darüber hinaus bei den Ermittlungen von der Identität der Beteiligten blenden lassen, “eingleisig und unzureichend” gearbeitet. Die “Hells Angels” um den Dennis K. hätten die tätliche Auseinandersetzungen begonnen, um die Scharte auszuwetzen, die bei dem Angriff auf diesen im März 2007 in der Kieler Discothek “Mausefalle” entstanden sei.

Quelle und weitere detaillierte Infos über den Prozeß: kiel211

Erfahrungsgemäß werden die Ermittlungsmethoden von Polizei und Staatsanwaltschaft immer dann von der Verteidigung heftigst kritisiert, wenn sonst keine Substanz vorhanden ist. Das endet meist in einer Verurteilung und führt in der Folge ins Rechtsmittel.

Das Revisionsgericht schaut sich dann die Ermittlungen noch einmal an (wenn sie denn von der Verteidigung in der erforderliche Form zum Prozeßgegenstand gemacht wurden, was nicht ganz so einfach ist), stellt oft Fehler fest, die aber meist nicht zur Unverwertbarkeit der Ermittlungsergebnisse führen. Das Urteil des Instanzgerichts wird gehalten.

Ich bin gespannt, was die Strafkammer des Landgerichts nun in der Beratung auswürfelt.

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Piiiiiiiiiiiep!

Der Gang wie jeden Morgen: Erst in die Küche, Caffè-Maschine durchlaufen lassen; dann an den Arbeitsplatz, Rechner einschalten; zur Garderobe, Mütze und Mantel aufhän …. Piiiiiiiiep!

Der Rechner macht sich bemerkbar, schnell auf den Aus-Knopf, Neustart ….. Piiiiiiiiep! Ausschalten. Einschalten – Piiiiiiiiep! – Ausschalten. So beginnt ein Scheißtag …

Während ich das Notebook aufklappe, um die Telefonnummer unseres Technikers zu suchen, fällt mir auf: Das (relativ schwere) Mousepad liegt auf der Tastatur. Wie jeden Dienstagmorgen, nachdem unsere Putzfrau sauber gemacht und – wie immer – damit das Zeichen „Ich war hier!“ hinterlassen hat. Seit ungefähr drei Jahren.

Jetzt mache ich mir ‚mal einen Caffè, schau mir das schöne Wetter draußen an und überlege, ob es sich überhaupt lohnt, mit dem Arbeiten anzufangen …

Update:

schneewetter-443

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Auch eine Art Bestrafung

Zumwinkels Kölner Mietvilla war zuletzt zum Anziehungspunkt für Touristen geworden. Busfahrer hatten bei Stadtrundfahrten immer wieder für Erinnerungsfotos angehalten.

Quelle: Tagesspiegel

Jetzt wird er es ein wenig ruhiger haben. Am Gardasee.

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Datenschutz beim Strafgericht

In einer Strafsache, in der ich einen von mehreren Angeklagten verteidige, habe ich Akteneinsicht beantragt und erhalten. Es ist keine Frage, daß mir die Akte vollständig zur Verfügung gestellt werden muß, auch wenn sich darin Dokumente befinden, die (teilweise ausschließlich) die Mitangeklagten und die Anzeigenerstatter bzw. Geschädigten betreffen. Als Verteidiger darf und muß ich diese Akten grundsätzlich vollständig in Kopie meinem Mandanten zum Lesen geben. Mit entsprechender Belehrung selbstverständlich.

Aber immer wieder kommt es vor, daß mir auch die Auszüge aus dem Strafregister der Mitangeklagten übermittelt werden. Wir packen diese Zeugnisse unkopiert dann wieder zurück in die Akte und gut is‘.

Nun jedoch habe ich so meine Bedenken, als mir auch noch ein medizinisches, psychiatrisches Sachverständigengutachten, das eine Mitangeklagte betrifft, zur Einsicht gegeben wird, ob das so einfach hingenommen werden kann. Ich werde da wohl ‚mal vorsichtig nachfragen müssen …

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Besserer Service durch Namensänderung?

Langzeitarbeitslose sollen künftig in bundesweit 370 öffentlich-rechtlich organisierten Jobcentern mit dem Namen «Zentrum für Arbeit und Grundsicherung» betreut werden. Dort erhalten sie künftig auch die Leistungen und Hilfen der Grundsicherung aus einer Hand.

Quelle: dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH via Newsticker

Solche euphemistische Namensschöpfungen erinnern an Orwells „Wahrheitsministerium“.

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Der enttäuschte Provinzanwalt

Der Rechtsanwalt in einem südwestdeutschen Provinzstädtchen wurde beauftragt, irgend so eine Kleinigkeit beim Hunde-Aufsichts-Amt zu erledigen. Das war ihm mehr als lästig.

Aber nebenher sollte er mal eben ein Testament formulieren, die Hundehalterin wollte angeblich einen zweistelligen Millionenbetrag vererben. Da leuchteten die Äuglein, versetzte ihn der zwischen Tür und Angel erteilte Auftrag doch in die Lage, eine größere sechstellige Rechnung zu schreiben. „Das war die größte Gebührenrechnung, die ich je geschrieben habe“, hörte man ihn später tönen.

Daß ihn die Aussicht auf das leicht verdiente Geld den Verstand vernebelte hatte, merkte er erst, nachdem ihm diese unverdiente Irrsinnssumme nicht gezahlt wurde. Enttäuscht (über sich selbst?) schreibt er eine Strafanzeige. Er fühlte sich betrogen.

Drei Jahre später wird darüber verhandelt. Vor dem Strafrichter. Aber nicht in der südwestlichen Provinz, sondern nördlich von Berlin. Dazu mußte der Herr Rechtsanwalt als Zeuge anreisen.

Das paßte ihm natürlich überhaupt nicht. Deswegen pöbelte er herum. Und zwar in Richtung der Verteidigung. „Wie kann man diese Tat bestreiten?“ Für ihn war die Sache völlig klar. Da könne doch nur ein Geständnis helfen. Genau wie Herrn Zumwinkel auch.

Daß dieses Geständnis im Grunde längst abgegeben wurde, wußte er nicht. Er kannte weder den Gang der bereits fünftägigen Verhandlung, noch die Akten. Und den Umfang der Anklage (knapp 30 Fälle waren angeklagt) auch nicht.

Deswegen konnte dieser anwaltliche Choleriker auch nicht ahnen, worum es der Verteidigung geht. Aber vielleicht spielen Fragen einer psychischen Erkrankung und ihre Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit in der Provinz auch keine Rolle.

Wenigstens hat er mit seiner Aussage weitere wichtige Details geliefert, die später für einen psychiatrischen Gutachter von Bedeutung sein werden.

Ich verstehe so ein Verhalten nicht. Sollte doch gerade ein Rechtsanwalt wissen, daß es einfache Sachverhalte nicht gibt. Jedenfalls nicht vor dem Strafgericht, wenn es um einige Jahre Knast oder alternativ um Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus geht.

Nicht jeder Kollege ist eben imstande, das Niveau des Boulevards zu halten.

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