Monatsarchive: März 2009

Auf dem Gerichtsflur

Im Vorbeigehen aufgeschnappt, die Belehrung der Angeklagten durch ihre Verteidigerin:

Für den Fall, daß Sie es doch waren, muß ich Sie darauf hinweisen …

Keine geschickte Formulierung.

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Tierisches Glück

Vor vier Jahren habe ich den Mandanten schon einmal verteidigt. Es hatte eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten gegeben, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er war Tip-Geber bei einem ziemlich blöden Geschäft, für das die anderen jeweils über 5 Jahre bekommen hatten. Der Mandant hatte Glück …

Zwischenzeitlich wurde er beim Klauen erwischt. Während der Bewährungszeit. Trotzdem hat er noch eine Geldstrafe bekommen. Noch mehr Glück. Und das ganz ohne Verteidiger.

Dann kam er wieder zu mir, mit zwei weiteren Diebstählen im Gepäck. Orangensaft, Rasierklingen, Seife, Katzenfutter, Duplo … bei offener Bewährung. Das gab gesamt 8 Monate. Ohne Bewährung.

Und die Staatsanwaltschaft beantragte parallel, die Strafaussetzung in dem Altfall zu widerrufen.

8 plus 18, das war die Aufgabe, die wir in der Berufungsinstanz zu lösen hatten. Ziel war, die 8 Monate doch noch in die Bewährung zu bekommen. Der Mandant war vorbereitet: Job, feste Beziehung, keine neuen Straftaten … das könnte knapp noch klappen.

Und dann offenbarte die Staatsanwältin einen aktuellen Auszug aus dem Strafregister des Mandanten. Er ist nach dem Urteil wegen des Katzenfutters und des anderen Zeugs ein weiteres Mal verurteilt worden. Wegen Betruges. Zu 6 Monaten. Mit Bewährung. Ohne Verteidiger.

Das sind dann so Momente, in denen ich nicht sicher weiß, ob es gerechtfertigt sein könnte, den Mandanten zu erwürgen. Davon hat mir der Kerl nichts gesagt. Ich habe eine Unterbrechung beantragt, die der Mandant bis zu seinem 80. Geburtstag nicht mehr vergessen wird.

Never give up. Also weiter mit dem Programm, das wir vorbereitet hatten. Bis hin zum Schlußvortrag, mit Engelszungen. Er war doch kein Luxuszeug, was er da geklaut hatte. Hohes C und Katzenfutter. Und dafür nun über zwei Jahre in den Knast?

Geglaubt hatte ich es nicht, trotzdem: Es kam die Bewährung. Die dritte.

Erst beim Rausgehen wußte ich, woran es gelegen haben könnte, daß der Kerl so ein unverschämtes Glück hatte. Die Vorsitzende fragte den Mandanten mit milder Stimme und geneigtem Kopf:

Was für Katzen haben Sie denn?

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Das erste der Saison

Einmal Schokolade in der Waffel, bitte

Frühling in Kreuzberg, yeah!

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Auge in Auge

Die Commerzbank macht Werbung:

angesicht-443

Stutzig machte mich allerdings der Hinweis an der – verschlossenen – Tür zur Filiale:

video-443

Ob man mit Angesicht-zu-Angesicht Videotelefonie meinte, zumindest während der Mittagspause …

Da fällt mir noch auf:

Im Interesse Ihrer Sicherheit …

Warum lügen die Banker eigentlich ihre Kunden an?

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Münztelefon

Die Verhandlung zog sich hin, bis endlich das gute Ende verkündet wurde. Es war schon dunkel draußen. Mein Funktelefon lag ganz allein im Auto und das stand in Berlin.

Ich war 100 km östlich und wollte nach Hause. Der Mandant auch.

Deswegen habe ich ihm einen Deal vorgeschlagen: Er ruft uns mit seinem Telefon eine Taxe und ich bezahle die Fahrt zum Bahnhof. Klappte nicht. Das Guthaben auf der Prepaidkarte war aufgebraucht.

Der Justizwachtmeister wies mich auf das öffentliche Telefon hin. Ganz dahinten, links, dann rechts, unter der Treppe. Nein, eine Telefonkarte ist nicht erforderlich, es ist ein Münztelefon.

Das es sowas noch gibt. Seit 1995 habe ich es nicht mehr gebraucht. Davor sehr häufig, aber das waren andere Zeiten.

Jetzt kam’s drauf an. Jupp, da war noch ein 50-Cent-Stück im Portemonnaie. Und zwei Telefonnummern von Taxiunternehmen hatte die Justiz auf den Automaten geschrieben. Sinnvoller Service. Was kostet eigentlich ein Telefonat? Egal, ich hatte ja sowieso nur den einen Fuffziger.

Bereits nach dem ersten Klingeln meldete sich eine freundliche Frauenstimme … vom Band:

Leider sind alle unsere Leitungen besetzt. Bitte versuchen Sie es später noch einmal. Krrrrrrk.

Na super. Glücklicherweise war da ja noch die zweite Taxinummer. Kurz aufgehängt und neu gewählt … habe ich mir so gedacht. Die 50 Cent waren verbraucht, oder auch nicht, jedenfalls gab’s weder Wechselgeld noch eine Verbindung.

Ich bin dann kleinlaut zum Mandanten gelaufen, der draußen rauchend wartete. Er war froh, daß er nun an der Reihe war, mir zu helfen. Ich habe ihm erleichtert und dankbar das Taxibestellen mit dem Münztelefon überlassen. Er hatte auch noch die 15 Cent passend.

Auf der Rückfahrt nach Berlin hatte ich genug Zeit, mir über diese Situation Gedanken zu machen … Ich sollte aufpassen, daß ich die Bodenhaftung nicht verliere.

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Azubi-Bewerber

Wir haben heute 6 Termine mit Bewerberinnen für die vakante Ausbildungstelle zur Rechtsanwaltsfachangestellten vereinbart:

3 davon sind bislang ohne Kommentar nicht erschienen.
Eine 4. hat sich krank gemeldet und um neuen Termin gebeten.
Die 5. ist gerade überfällig……..

berichtete die Mitarbeiterin einer hessischen Rechtsanwaltskanzlei, die für die Einstellung einer Auszubildenden zuständig ist.

Tja, die Kanzlei hat wohl vergessen, den Limousinen-Service zu beauftragen, die Mädels zuhause abzuholen.

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Resozialisierung

Drogendealer und Mörder büffeln für ein gemeinsames Ziel: Sich fit zu machen für ihre Existenz nach der Haft.

[…]

Existenzgründungsseminare und Businesskurse für Strafgefangene.

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Warum eigentlich nicht? Einbrecher als Wachschutz-Unternehmer; die kennen sich aus – und untereinander.

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Höflichkeit ist eine Zier

Die Hauptverhandlung vor der kleinen Strafkammer wurde verspätet aufgerufen. Die Vorsitzende Richterin entschuldigte sich bei meinem Mandanten und mir. Soweit der Normalfall.

Nachdem wir unseren Platz eingenommen hatten, ging’s los. Aber anders, als ich erwartet hatte und gewohnt bin.

Ich eröffne die Berufungshauptverhandlung gegen Herrn Wilhelm Brause und darf zunächst die Anwesenden vorstellen. Mein Name ist Mütterchen Mü, links neben sitzt mir Frau Mahlzahn und rechts neben mir Herr Bullmann, die beiden Schöffen. Für die Staatsanwaltschaft ist Frau Zeisig anwesend und das Protokoll führt Frollein F.

So gehört das, liebe Richter und Richterinnen. Ich frage mich, warum ich erst nach Frankfurt (Oder) fahren muß, damit ich erfahren darf, daß es doch noch höfliche Vorsitzende gibt.

Für die gerichtlich Unerfahrenen: Üblich und weit verbreitet ist es, erstmal die Personalien des Angeklagten festzustellen und dann sofort in die Sache einzusteigen. Wer die anderen Schwarzkittel Personen sind, die dann über das weitere Leben des Angeklagten entscheiden, wissen diese ja selbst.

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Beispielhaft flott

Anklageerhebung am Montag, ca. 2 Monate nach der Tat. Am Dienstag wurde das Urteil verkündet.

Moabit liegt nicht in Österreich. Deswegen dauert sowas hier in aller Regel länger. Viele Monate länger.

Weiteres/Genaueres beim ORF

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Neues Mandat

Ein Mensch, den ich bereits zu meinen „Stammkunden“ zähle, beauftragt mich mit seiner Verteidigung:

Ich möchte Ihnen mitteilen, das ich habe liebste Post vom verfickten Staatsanwältchen erhalten habe…

41 JS 968/07 Staatsanwältin Wilhelmine Brause Durchwahl: 2013-1234

Dieser Idiot meint ich hätte mich der Hehlerei schuldig gemacht…WELCHER IDIOT der hinterfotzige hat die ausgebildet? Logisches Denken, Respekt und vor allem Freundlichkeit wie in anderen Ländern kennt diese Bajuffe wohl nicht?! Wieso Angeklagter? Wieso nicht ZEUGE?

Ich werde dem Schwachmaten vielleicht ein paar nette Zeilen schreiben die den Barbar wohl zum Nachdenken anregen. Ich soll mich bis zum 15.3.08 äussern.

Übersetzt heißt das: Ich habe Post von der Staatsanwaltschaft bekommen. Der darin enthaltene Vorwurf trifft nicht zu. Bitte kümmern Sie sich darum, bevor ich selbst an die Staatsanwältin schreibe.

Es ist mir eine helle Freude, dieses neue Mandat zu bearbeiten. Leid tun mir unsere Mitarbeiterinnen, die ihn ab und an am Telefon haben werden, weil die Strafverfolgerin sich noch nicht persönlich bei entschuldigt hat …

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