Monatsarchive: April 2009

Nasse Pappe mit einem Gusto von Gammelfisch

Jede bessere Eckkneipe lockt heute mit Espresso und Cappuccino aus gleißenden Vollautomaten. Doch die Getränke schmecken oft erstaunlich schlecht.

schreibt der Spiegel über Möchtegern-Barista in der Gastronomie.

Falls die Tester und Berichterstatter beim Spiegel den Kaffee auf haben und einmal einen leckeren Italiener probieren wollen, lade ich sie herzlich in unsere Kanzlei ein. Wir haben eben keinen Vollautomaten und hier pflegt der Chef seine macchina noch selbst. Wie das geht, steht hier. Soviel Mühe sollte man sich schon machen, wenn man etwas Besonderes anbieten möchte.

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Verbrüderung mit der Staatsanwältin

Der Gegner ist verärgert, weil der Mandant nicht gezahlt hat. Deswegen verklagt er ihn und bekommt ein Urteil, in dem steht, daß mein Mandant zahlen muß. Trotzdem zahlt er nicht, weil er nicht zahlen kann.

Es ist ein klassischer Fall aus dem Baustellenrecht: Der Subunternehmer wird von seinem Auftraggeber nicht bezahlt, deswegen kann er die SubSubunternehmer nicht bezahlen, die dann wieder die SubSubSubunternehmer nicht zahlen können.

Der Gegner findet heraus, daß der Mandant bereits die Eidesstattliche Versicherung über seine Vermögenslosigkeit abgegeben hat. Daran hängt er sich auf und schreibt eine Strafanzeige: Falsche Angaben soll der Mandant gemacht haben. Entgegen seiner Angaben sei er doch der Eigentümer des Grundstücks – schließlich wohnt er ja dort. Und außerdem sei er politisch für die SPD tätig, habe also – wie jeder Politiker – Nebeneinkünfte.

Das hat erst einmal gereicht, um ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Die jetzt zuständige Staatsanwältin, die die Akte nun zu bearbeiten hat, war genauso wenig von dem Zeug begeistert wie der Mandant.

Sie bittet mich darum, ihr dabei zu helfen, die Sache wieder vom Tisch zu bekommen. Ich solle ihr doch die Argumente liefern, um die Einstellung des Verfahrens wasserdicht und beschwerdefest machen zu können.

Dabei unterstütze ich sie doch gern: Eigentümer des Grundstücks ist seit 15 Jahren der Bruder des Mandanten. Und seine Kandidatur zum Dorfparlament ist an den Wählerstimmen gescheitert; er ist nie Parteimitglied gewesen.

So macht selbst die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Freude. Jetzt muß ich nur noch versuchen, den Mandanten davon abzuhalten, den Gegner branchenüblich an einem Baugerüst aufzuhängen.

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Grundlegendes zum Nutzungsausfall

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift DAR (2009, 230) kann man (noch einmal) die Voraussetzungen für den Ersatz des Nutzungsausfallschadens für Motorräder nachlesen.

Nutzungsentschädigung ist bei Beschädigung eines Kraftfahrzeugs nur dann zu zahlen, wenn der Halter auf die „ständige Verfügbarkeit“ des Kraftfahrzeugs für seine „eigenwirtschaftliche Lebenshaltung“ angewiesen ist und daher durch seinen Ausfall -eine „fühlbare vermögenserhebliche Entbehrung“ eintritt.

Dieser Grundsatz gilt für alle Kraftfahrzeuge – und sogar für Fahrräder. Für Motorräder gibt es aber Besonderheiten:

Der Halter des Kraftrades muss zur Begründung eines Anspruchs auf Nutzungsentschädigung nachweisen, dass er das Krad anstelle eines Pkw zur ständigen Nutzung, zu Fahrten zum Arbeitsplatz etc. gehalten hatte. Wird das Motorrad nur neben einem Pkw aus sportlichem Interesse, als Hobby, oder für die Freizeit gebraucht, kommt Nutzungsentschädigung nicht in Betracht.

Ein eigenes Auto neben dem Mopped ist also grundsätzlich schon problematisch.

Der Anspruchsteller muss darlegen, daß er praktisch Tag für Tag auf den Gebrauch seines Krades angewiesen war.

Das ist in vielen Fällen nicht einfach, besonders dann, wenn es sich um ein klassisches „Schönwetter-Motorrad“ handelt.

Gerade weil eben ein Krad häufig nur an bestimmten Tagen, am Wochenende oder bei guten Witterungsverhältnissen gefahren wird, müssen an den Nachweis des Nutzungswillens strenge Anforderungen gestellt werden.

Mit einer Fireblade fährt in der Regel kein Mensch im Winter zur Arbeit. Deswegen heißt es in dem DAR-Aufsatz weiter:

Hätte der Geschädigte das Krad z. B. nur bei schönem Wetter genutzt und einen vorhandenen Pkw in der Garage gelassen, muss er im Schadenfall auf den Pkw zurückgreifen.

Daß das Autofahren mit einer Fahrt auf dem Mopped nicht vergleichbar ist, wird in der Regel von der Rechtsprechung nicht anerkannt:

Der mit dem Verzicht auf das Fahren mit einem Motorrad möglicherweise verbundene Verlust an Spaß und Freude ist allenfalls ein immaterieller, nicht aber ein zu entschädigender materieller Schaden.

Das sind soweit einmal die Grundsätze.

Aber: Keine Regel ohne eine Ausnahme. Jeder Fall ist anders. Deswegen sollte bei einer Unfallschadenregulierung stets der Nutzungsausfallschaden erst einmal geltend gemacht werden. Welche Voraussetzungen dann im Konkreten knackig nachgewiesen werden müssen, ergibt sich aus den weiteren Verhandlungen.

Besten Dank an Rechtsanwalt Jürgen Melchior, Wismar, für den Hinweis auf den DAR-Artikel.

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Unverständliches Zeug

Der Kriminalbeamte war privat unterwegs. Im Zug gab es eine Prügelei, die er beobachtete und in die er dann eingriff. In der Ermittlungsakte findet sich später seine Aussage:

verwirrt

Nachdem sich der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren nicht gemeldet hatte, beantragte die Amtsanwaltschaft kurzer Hand den Erlaß eines Strafbefehls, der dann ebenso zügig erlassen wurde. Die Frage, ob der Beschuldigte vielleicht psychisch erkrankt gewesen sein könnte, kam weder der Amtsanwältin noch der Richterin in den Sinn.

Glücklicherweise hat der Beschuldigte eine sehr betagte, aber gesunde Mutter, die ebenso wie ich meinte, daß die Arbeit der Justiz bis dahin grob mangelhaft war. Und mich um meinen Beistand bat.

Nun kämpfe ich erst einmal darum, daß die Richterin einen Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 II StPO (an)erkennt. Und dann dürfte sich ein Psychiater der Frage widmen, ob der kranke Mann überhaupt (uneingeschränkt) schuldfähig ist.

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Wenn das mal gutgeht

roller-443

Nicht ganz unproblematisch, diese Fuhre. Aber mutig.

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Richterliches Schlafbedürfnis als Verfassungsgrundsatz

Im Rahmen der Diskussion über die Frage des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme nach § 81 a II StPO lieferte ein „Bereitschaftsdienstrichter“ das folgende Argument (gefunden im beck-blog):

Wenn das BVerfG außerdem noch meinen sollte, dass der richterliche Eildienst 24 Stunden dauern muss, werden wohl viele Amtsrichter den Dienst quittieren, da sie schließlich nicht in einem Callcenter arbeiten wollen.

Vor diesem Hintergrund rege ich an, unsere Verfassung zu ändern und in Art. 97 GG den Absatz 1a einzuführen:

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie die Beachtung formellen Strafrechts ist auszurichten an den Schlafbedürfnissen der Bereitschaftsdienstrichter.

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St. Nimmerlein

Mein Mandant hat ein Supersonderangebot in erster Instanz angenommen, das ihm der Strafrichter gemacht hat. Gegen den Willen der Staatsanwaltschaft. Das war mutig von dem Richter oder er wußte eben, was sonst auf ihn zugekommen wäre.

Die Staatsanwaltschaft meint aber schon, man soll den Fall in seinen Einzelheiten detailliert erörtern. Deswegen hat sie Berufung eingelegt. Das war weniger erfreulich für den Mandanten.

In dem ersten Termin im Januar zeigte sich die Vorsitzende Richterin der Berufungskammer not amused, daß die Staatsanwaltschaft immer noch nicht einlenken wollte. Deswegen sollten zu dem nächsten Termin im Mai eine zweistellige Anzahl an Zeugen geladen werden.

Dieser Termin wurde nun abgesagt. Die Abladung enthielt einen Zusatz:

Der Kammer stehen keine zeitnahen Termine zur Durchführung der Berufungshauptverhandlung zur Verfügung. Die Kammer kann das Verfahren frühestens am 25. November 2009 verhandeln.

Na denn, dann reservieren wir mal den Termin im Herbst. Dem Mandanten kann’s in diesem Fall ausnahmsweise mal recht sein. Die Staatsanwaltschaft wird kochen.

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Falls mich jemand sucht (2)

Ich bin hier.

Aber ich frage mich ernsthaft, ob es wirklich sinnvoll ist, unter künstlichem Licht zu sitzen und freundlichen älteren Damen und Herren beim Vortragen zuzuhören. Vielleicht gibt es hier in diesem Städtchen ja irgendwo eine Möglichkeit, sich ein Fahrrad zu mieten … ;-) Echt geiles Wetter hier in Weimar.

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Schwätzer

Die Fassung der 223 Seiten umfassenden Urteilsgründe geben dem Senat zudem Anlass zu folgendem Hinweis:

Die schriftlichen Urteilsgründe dienen dazu, das Ergebnis der Hauptverhandlung wiederzugeben und die rechtliche Nachprüfung der getroffenen Entscheidung zu ermöglichen. Es ist dabei Aufgabe des Richters, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden und die Begründung seiner Entscheidung so zu fassen, dass der Leser die wesentlichen, die Entscheidung tragen den Feststellungen und rechtlichen Erwägungen ohne aufwändige eigene Bemühungen erkennen kann.

Das Abfassen unangemessen breiter Urteilsgründe ist weder durch § 267 StPO noch sachlich-rechtlich geboten, da es, unabhängig von der vermeidbaren Bindung personeller Ressourcen beim Tatgericht, dazu geeignet sein kann, den Blick auf das Wesentliche zu
verstellen und damit den Bestand des Urteils zu gefährden (vgl. BGH NStZ 2007, 720; NStZ-RR 1998, 277 m.w.N.).

Quelle: Beschluß des Bundesgerichtshofs – 1 StR 27/09 – vom 4. März 2009 (Schlußbemerkungen):

Ich meine, es geht nicht nur um die „vermeidbaren Bindung personeller Ressourcen beim Tatgericht“, sondern auch um die Möglichkeit eines durchschnittlich gebildeten Angeklagten, das Urteil zu verstehen. Und dann stellt sich noch die Frage nach der personelle Ressource beim Verteidiger. Schade, daß manche Richter das übersehen.

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Die verheizte Referendarin

Es gibt eine nächtliche Auseinandersetzung auf der Straße, an der auf der einen Seite ein betrunkener Erwachsener und auf der anderen Seite zwei 18jährige sowie ein 22jähriger beteiligt waren. Ein paar Anwohner und zwei jugendliche Mädchen haben den Streit mitbekommen. Es gibt ein Messer, ein Staubsaugerrohr, einen „Kampfhund“, einen abgerissenen Telefonhörer, ein Fahrrad und eine Fahrradlampe, die in der Schlägerei zum Einsatz bzw. zu Schaden kamen.

Der betrunkene Erwachsene wird verletzt und einer der 18jährigen; beide nicht besonders stark.

Das Verfahren gegen den betrunkenen Erwachsenen wird eingestellt, weil er die Behauptung bestreitet, den Streit begonnen zu haben. Zwei Beschwerden gegen die Einstellung haben keinen Erfolg.

Das Verfahren gegen den 22jährigen wird von dem Verfahren gegen die beiden 18jährigen getrennt. Er wurde angeklagt, das Verfahren dümpelt vor sich hin.

Ich verteidige einen der beiden 18jährigen. Das Landgericht bestellt mich – nach einer Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluß des Amtsgericht – dem Angeklagten zum Pflichtverteidiger, wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage. Und weil der Geschädigte (der betrunkene Erwachsene) anwaltlich vertreten ist und sich als Nebenkläger dem Verfahren angeschlossen hat. Ein Adhäsionsantrag, mit dem Schmerzensgeld und Schadensersatz gefordert werden soll, ist zu erwarten.

Zum Termin werden die beiden Angeklagten mit ihren Verteidigern geladen, der Nebenkläger und seinen Vertreter sowie weitere neun Zeugen. Und zwei Vertreter der Jugendgerichtshilfe. Ein anwaltlicher Beistand für einen Zeugen war angekündigt.

Nicht ganz einfach also, die prozessuale Situation. Und was macht die Staatsanwaltschaft? In Kenntnis dieser Lage schickt sie als Vertreterin der Anklage eine Rechtsreferendarin. Das blanke Entsetzen stand nicht nur ihr auf dem Gesicht.

Die Richterin, die Verteidiger, der Nebenklägervertreter konnten im komplizierten Rechtsgespräch eine Einigung finden.

Die Referendarin hatte ihre Anweisung, vermutlich die Verurteilung anzustreben. Jedenfalls verweigerte sie ihre Zustimmung. Ihr Ausbilder war nicht erreichbar. Der Tagesdienst der Staatsanwaltschaft schloß sich dieser Weigerung ohne weitere Prüfung an. Die Referendarin war zu bedauern; sie bedauerte sich auch selbst: „Jetzt bin ich hier der Buhmann.“

Diese Situation wäre vermeidbar gewesen, wenn sich irgendein Staatsanwalt einmal Gedanken gemacht hätte.

Damit das ganze Ding doch noch zu retten war, habe ich einen Beweisantrag gestellt, die beiden Mädchen als Zeuginnen zu laden. Damit wären wir heute ohnehin nicht fertig geworden. Deswegen wurde meinem Aussetzungsantrag unter Zustimmung aller Beteiligten, insbesondere der Referendarin, stattgegeben.

Nun wird die Staatsanwaltschaft Gelegenheit bekommen, sich Gedanken über eine sinnvolle Ausbildung ihrer Referendare zu machen.

Falls es doch zu einem Urteil kommen sollte, werde ich beantragen: „Die Kosten und die Auslagen des Verhandlungstages am 23.4.09 werden dem Ausbilder der Sitzungsvertreterin auferlegt.“ Verdient hätte er es.

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