Monatsarchive: Juni 2009
Nach Beratung
Der (jetzige) Mandant war (damals) nicht zum Hauptverhandlungstermin beim Amtsgericht erschienen. Darüber waren weder der Strafrichter, noch der Staatsanwalt amüsiert. Deswegen hat der Strafverfolger auch einen Antrag auf Erlaß eines Haftbefehls gestellt. Aus dem Sitzungsprotokoll:
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft, nach Beratung:
Beschlossen und verkündet:
1. Die Hauptverhandlung wird ausgesetzt.
2. Gegen den … Angeklagten ergeht Haftbefehl gem. § 230 II StPO
3. Neuer Termin von Amts wegen.
Ich frage mich nun (wiederholt), wie sich ein einzelner Richter mit sich selbst berät.
Wenn dieser Strafrichter nicht Dr. Jekyll Hyde heißt, wirre Selbstgespräche führt, sonst irgendwie shizophren ist oder sich mit einer Handpuppe unterhält, dürfte es eigentlich mit der Beratung schwierig sein.
Nach einigem Nachdenken …
wäre an sich richtig(er). Oder sehe ich das mit unserer Sprache mal wieder zu streng?
Pflichtverteidiger von Beginn der U-?Haft an
Bislang war dem U-?Haftgefangenen ein Pflichtverteidiger zwingend erst nach Ablauf von drei Monaten Haft zu bestellen. In Anbetracht des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs, der mit der Inhaftierung eines bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig geltenden Menschen verbunden ist, ist es rechtsstaatlich geboten, die Beiordnung eines Verteidigers auf den Zeitpunkt des Beginns der U-?Haft vorzuziehen. Damit wird sichergestellt, dass der Beschuldigte seine Rechte von Anfang an effektiv wahrnehmen kann. Mit dieser Änderung wird auch entsprechenden Empfehlungen des Europarates entsprochen.
So hört sich die Pressemitteilung des BMJ zur Verbesserung des Rechtsschutzes für Untersuchungsgefangene an.
Auf die Umsetzung ab dem 1. Januar 2010 bin ich gespannt.
Kurzstrecke nur für Reiche
Geschäftsleute am Kudamm oder reiche russische Ehefrauen lassen sich per Kurzstrecke zur nächsten Edelboutique fahren. Alte Leute, die zum Arzt müssen, oder Mütter mit Kindern in ruhigen Wohnstraßen kommen doch gar nicht in den Genuss. Deshalb ist die Kurzstrecke sozial ungerecht.
Quelle: Dirk Deinert, Mitglied der Taxifahrerinnung, in der Berliner Morgenpost
Wenn ich eine reiche russische Ehefrau wäre, fände ich das gar nicht witzig. ;-)
Empfindlich
Aus einem Haftbefehl:
Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Das ist Quatsch. Sprachlich jedenfalls. Denn nicht die Freiheitsstrafe ist empfindlich, sondern allenfalls der Beschuldigte.
Notruf der Woche
Der Anrufer aus Ganz-weit-weg-von-Berlin hat folgende Nachricht hinterlassen:
Ihr Schwager ist in der Reha und ist geistig nicht ansprechbar – seine Frau ist mit dem gemeinsamen Kind durchgebrannt. Die Frage ist ob die Mutter des Schwagers das Kind wieder nach Hause holen darf? Die Schwiegermutter hat die Betreuung für den Schwager.
Dies zum Thema: Mit welchen Problemen sich ein Strafverteidiger am Wochenende beschäftigt.
Gibt es irgendwelche Vorschläge?
Carrotmob in Kreuzberg
Carrotmob, das bedeutet: Es verabreden sich so viele Menschen wie möglich, um zu einer bestimmten Uhrzeit in einem bestimmten Laden einzukaufen. Der Ladenbesitzer hat in dieser Zeit einen besonders hohen Umsatz. Einen Anteil davon, den er vorher mit den Carrotmobbern vertraglich vereinbart hat, investiert er in eine energieeffizientere Umgestaltung seines Ladens. Carrotmob heißt das Ganze, weil die Aussicht auf mehr Umsatz, ein besseres Image und einen energieeffizienteren Laden „die Karotte ist, die wir dem Unternehmer vorhalten, damit er nachhaltig wirtschaftet“, sagt Philipp Glöckler.
Quelle: Tagesspiegel
Kaufrausch in der Wiener Straße 40 bei Cengiz Kimyeci vom „Multikulti“ am heutigen Sonnabend zwischen 16 und 19 Uhr: Kaufen-Kaufen-Kaufen!
Geheimnisverrat und Misstrauen
„Ich war von der Entwicklung überrascht“, sagt Anwalt Uden, „aber wir sind gut vorbereitet.“ Schon seit Übernahme des Mandats vor eineinhalb Jahren versuche er Gelowicz vom Nutzen eines Geständnisses zu überzeugen.
Ich frage mich, ob Herrn Uden bekannt ist, daß ein Verteidiger besser nicht mit den Medien über Interna der Verteidigung sprechen sollte.
Am Dienstag nahmen die Angeklagten das Angebot nun an und berieten sich. Zwei BKA-Beamte hörten dabei zu. […] Dass die Anwälte an dieser Beratung teilweise nicht teilnehmen durften, hatte keine rechtlichen Gründe, sondern ist Ausdruck des Misstrauens mancher Angeklagter gegenüber ihren Verteidigern.
Darüber darf man sich dann aber nicht mehr wundern.
Quelle der Zitate: taz
Update:
“Mein Mandant ist halt so. Er ist nicht wirklich in der Lage, der Verhandlung zu folgen.”
So zitiert Holger Schmidt in seinem Blog „Sauerland-Verfahren“ die Strafverteidigerin Ricarda Lang.
Offenbar ist es in jenem Verfahren üblich, auf diese Weise seine Mandanten zu verraten verteidigen.