Monatsarchive: Oktober 2009

Dumpfe Berufung der Staatsanwaltschaft

Einmal mehr: Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft beantragt eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen, nach einer 5-stündigen Hauptverhandlung. Der Verteidiger stellt keinen Antrag. Das Urteil lautet: 50 Tagessätze.

Wer legt Berufung gegen das Urteil ein? Die Staatsanwaltschaft, in concreto: Ein Staatsanwalt, der gar nicht im Termin war. Er will eine Freiheitsstrafe – für eine Trunkenheitsfahrt auf dem Fahrrad, kurz vor Ablauf der vierjährigen Bewährungsfrist in einer Uraltgeschichte. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor, aber der Kerl hat seine Berufung bereits begründet. Von nichts eine Ahnung, aber ein Rechtsmittel einlegen, weil das Schema F nicht paßt.

Und das soll ich nun dem psychisch kranken Mandanten erklären, für den das Urteil ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Stabilisierung seiner Erkrankung war.

Es ist ein ganz elendes Gefühl, gegen dumpfe Willkür schlicht ohnmächtig zu sein. Da soll da ein engagierter Verteidiger die Contenance bewahren?

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Vor Schreck gehupt

Aus einer Strafanzeige, die in der Internetwache aufgegeben wurde:

Was ist passiert:
Mir wurde als Autofahrer von einem anderen Autofahrer der Mittelfinger gezeigt.

Wo ist es passiert:
Stadtautobahn Berlin, Höhe Auffahrt Kaiserdamm, Richtung Norden, also kurz vor der Baustelle an der Abfahrt Spandauer Damm.

Wann ist es passiert:
06.06.2009 gegen 10 Minuten vor drei, nachmittags.

Wie ist es passiert:
Ich bin auf der mittleren Spur der Stadtautobahn gefahren und in Höhe einer Auffahrt kamen mehrere Fahrzeuge mit auf die Autobahn. Die ganz rechte Spur war leer, also konnten alle ohne Probleme auffahren. Einer dieser Fahrer hat dann ohen Schulterblick
und ohne Blinker auf die mittlere Spur gewechselt. Er ist in einem Abstand von ca. 5 Metern bei Tempo 60 vor mir eingeschert. Er selbst hatte aber noch nicht Tempo 60 erreicht. Konnte nicht so ohne weiteres Bremsen, da hinter mir weitere Fahrzeuge waren. Bin davon ausgegangen, dass er mich nicht gesehen hat und habe vor Schreck gehupt. Daraufhin reckte er seinen Arm in die Höhe und zeigte mir seinen Mittelfinger.

Warum ist es passiert:
Überschätzung des gegnerischen Fahrers.

Wem ist es passiert:
Mir selbst ist es passiert als Fahrerin des PKW OHV – XX 000

Wer hat etwas gesehen:
Meine Beifahrerin: Wilhelmine Brause [Anschrift, Telefonnummer]

Weitere Ergänzungen:
Finanzieller Schaden ist zum Glück nicht entstanden, da die Fahrer, der Fahrzeuge hinter mir entsprechend zügig und gut reagiert haben. Mußte zum Glück keine Vollbremsung machen.

Ein paar Minuten später kam dann noch ein Nachtrag:

Zu meiner eben gestellten Strafanzeige habe ich folgende Angabe leider vergessen. Das Kennzeichen des Fahrers mit dem erhobenen Mittelfinger lautet: B-XX 000. Ein Silber-Metallic Mercedes Cabriolet. Bitte entschuldigen Sie die Umstände.

Die Polizisten auf der Internetwache haben daraufhin ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und der Anzeigeerstatterin noch einmal einen Fragebogen geschickt, auf dem sie dann ergänzende Angaben gemacht hat:

Kannten Sie diese Person:
Nein

Bitte beschreiben Sie sie:
Blonde kurze Haare; T-Shirt

Würden Sie diese Person auf Lichtbildern wiedererkennen:
Nein, habe den Fahrer nur von hinten gesehen.

Wo saß diese Person:
Auf dem Fahrersitz.

Stellen Sie Strafantrag:
JA !!

Die angeschriebene Zeugin wiederholte ziemlich genau das, was die Anzeigeerstatterin bereits mitgeteilt hatte. Die Fahrerbeschreibung war allerdings etwas genauer:

Blonde kurze Haare, T-Shirt, braun-gebrannt.

Die mir von der Staatsanwaltschaft übersandte Ermittlungsakte habe ich dann kommentarlos wieder zurück geschickt. Jeder Kommentar, der mir zu so einer Anzeige eingefallen ist, hätte unweigerlich zu einem weiteren Ermittlungsverfahren geführt – gegen mich.

Manchmal tun mir die Mitarbeiter der Ermittlungsbehörden echt Leid.

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Der Gau für die Amtsrichterin

In einem kleinen Amtsgericht auf dem Lande Brandenburgs geht es um eine nicht unkomplizierte Betrugs– und Untreuesache. Aufgerufen ist das Schöffengericht. Verurteilt werden sollen drei Angeklagte aus gut situierten Kreisen. Die Richterin ist vom Typ her eine „Hausfrau in Robe„.

Für die Angeklagten melden sich drei Rechtsanwälte, allesamt erfahrene Verteidiger aus „Westberlin„.

Ich kann mir gut vorstellen, daß die Richterin nicht gut schläft in der Nacht vor dem ersten Termin.

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Neuer Mandant: Herr Fischer

Es gibt doch immer wieder eine Straftat, die ich noch nicht verteidigt habe.

Gut, solche Sachen wie „Vorbereitung eines Angriffskriegs“ nach § 80 StGB dürften auch in anderen Strafrechtskanzleien eher die seltene Ausnahme sein; den hatte ich auch noch nicht. Heute hatte aber eine andere Norm aus dem Strafgesetzbuch in unserer Kanzlei Premiere: Fischwilderei, § 293 StGB. Ermittlungsbehörde ist die Wasserschutzpolizei.

Ich freue mich schon auf die Akteneinsicht und das Gespräch mit Herrn Fischer. Er wird mich wohl in die Geheimnisse des Angel“sports“ einweihen.

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Gnadenloser Posteingang

Der Mandant hat Post bekommen.

post

40 böse Briefe in 20 Tagen von Gerichten / Justizbehörde / Polizei. Ausgerechnet in den 20 Tagen an mich versandt, an denen ich in der Plötze sass.

Glücklicherweise hat der Mandant einen engagierten Betreuer, der sich nun um die Post kümmert. Und auch darum, daß er sich weiterhin psychiatrisch behandeln läßt. Die Justiz kennt keine Gnade …

 

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Fahrtenbuchauflage, erledigt

Heute endete das Jahr, in dem für unser Auto ein Fahrtenbuch geführt werden sollte mußte, weil die Erinnerung an den Fahrer, der da angeblich viel zu schnell durch das Land Brandenburg gefahren sein soll, nicht mehr so gut war.

Selbstverständlich wurde das Fahrtenbuch ganz gewissenhaft geführt. In den Fahrtenbuchdeckel wurden eingetragen:

    Name, Vorname und Anschrift der möglichen Fahrzeugführer, die dann jeweils ein individuelles Nümmerchen bekamen.
    das amtliche Kennzeichen des Fahrzeugs.

Das war eine einmalige Angelegenheit und schnell erledigt.

Dann wurden jeweils

    vor Beginn einer jeden Fahrt das Nümmerchen des Fahrers, das Datum und die Uhrzeit des Fahrtbeginns und
    nach deren Beendigung unverzüglich Datum und Uhrzeit mit Unterschrift

eingetragen.

In dem vergangenen Jahr sind wir nicht viel mit dem Auto gefahren, so daß das Fahrtenbuch nicht sehr dick geworden ist. Wir haben ja Fahrräder, eine Umweltkarte der BVG und ein Motorrad. Immerhin sind es dann noch so 10 bis 12 Fahrten geworden.

Bislang hat auch niemand darum gebeten,

das Fahrtenbuch auf Verlangen jederzeit an dem von der anordnenden Stelle festgelegten Ort zur Prüfung auszuhändigen

wie es im § 31 a StVZO geschrieben steht. Wir sind aber auch ganz schwer zu erreichen zuhause.

Nun heben wir das Fahrten-„Büchlein“ noch ein halbes Jahr auf und das war’s dann. Kein Fahrverbot, keine Punkte, kein Bußgeld. Nur die Investition von 10 Minuten Schreibarbeit und ein altes Vokabelheft.

Ich finde, so eine Auflage ist ein stumpfes Schwert.

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Bürozeiten

bürozeiten

Keine schlechte Idee, auf die ich da gerade komme.

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Anwaltsbriefkopf und die 3-D-Frage

Anwaltsbriefkopf

Einmal abgesehen davon, daß ich es als unhöflich mir gegenüber empfinde, wenn mir so eine Inkassobude Rechtsanwaltskanzlei nur 01805er Nummern zur Kommunikation anbietet und irgend ein Schmierfink eine nicht weiter benannte Person (?) unterschreibt:

Dürfen die das?

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Befangene Richterin?

Hauptverhandlung vor der Strafrichterin: Ein als Zeuge geladener Polizist fehlt. Er hat sich telefonisch wegen Krankheit (Motorradunfall am Vortag) entschuldigt. Der Verteidiger fragt, ob dem Gericht eine ärztliche Bescheinigung über die Erkrankung vorliegt.

Die Richterin: „Bei Kollegen verzichte ich darauf immer“

Nebenbei: Die Richterin war bereits in der DDR als Richterin tätig.

Danke an den anonymen Stammleser dieses Blogs für die Geschichte und den Hintergrund.

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Ganz einfach

Unser Mandant hat sich breitschlagen lassen, mit irgendeinem Werber zu sprechen. Am Ende des Gespräches soll ein 24-Monats-Vertrag mit Freenet zustande gekommen sein. Der Mandant war überrascht über die Hartnäckigkeit, mit der Freenet die Forderung geltend machte. Er meinte, mit Freenet keinen Vertrag geschlossen zu haben. Deswegen kam er zu uns.

Wir haben ihm zu aktivem Nichtstun geraten. Das hat funktioniert. Nach ein paar Monaten kam dann eine gewaltige anwaltliche Mahnung mit Kosten und allem Bösartigen, was so dazu gehört.

Ich habe mich für den Mandanten bei den Anwälten von Freenet gemeldet und eine gemeine Bitte geäußert:

vonfülleborn

Es hat zwar ein wenig gedauert, dann kam die einzig adäquate Reaktion:

vonfülleborn

Akte zu, Affe tot.

Vorsorglich: Das war ein Ausnahmefall; wir nehmen solche Sachen ansonsten grundsätzlich nicht an. Wer kompetente anwaltliche Hilfe in vergleichbaren Fällen braucht, für den haben wir hier etwas aufgeschrieben. (Wenn ein weitere Kollege auch noch auf jene Liste möchte: Bescheid!)

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