Monatsarchive: Oktober 2009

Tipgeber

Da ruft mich doch die Kriminalbeamtin an, die gegen meine Mandantin wegen Diebstahls ermittelt hat. Sie habe jetzt den Schlußbericht fertig und werde die Akte zur Staatsanwaltschaft schicken. Daß meine Mandantin den ihr vorgeworfenen Diebstahl begangen hat, scheint ihr nicht wahrscheinlich. Sie habe aber trotzdem die Daten speichern müssen: Die Mandantin gelte dann als „bereits kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten“ … falls nochmal was gegen sie laufen sollte.

Wenn die Staatsanwaltschaft ihrer Ansicht folge und das Verfahren einstelle, riet mir die Kriminalbeamtin, solle ich mich bei ihr nochmal melden und beantragen, daß die Daten wieder aus dem System gelöscht werden.

Das nenne ich mal Ermittlungen mit Augenmaß für die Unschuldsvermutung und den Datenschutz.

Daß wir in unserer Kanzlei für solche Einstellungsfälle entsprechende Textbausteine vorrätig halten, konnte sie natürlich nicht wissen. Denn für die meisten Verteidiger ist mit der Übersendung der Einstellungsnachricht (und ggf. dem Anzünden eines Kerzleins) der Fall abgeschlossen.

Das ist er aber erst, wenn die Daten wieder dort sind, wo sie im Falle einer Verfahrenseinstellung hingehören: Im Orkus der Ermittlungsverfahren gegen Unschuldige. Darum sollte man sich kümmern.

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Undeutscher Paketservice

Wir verschicken gern mal ein Dankeschön an freundliche Menschen. Manchmal eben auch einen leckeren Wein. Heute hatten wir vergessen, den Aufkleber „Vorsicht! Glas!“ auf den Spezial-Weinflaschen-Versand-Karton zu heften. Ich bat die Dame aus unserem „Paket-Shop“ um einen Edding oder sowas ähnliches.

Sie gab mir den Edding und teilte mir mit, sie habe es aber jetzt nicht gehört, daß da ’ne volle Flasche Wein drin sei; Flüssigkeiten dürften nämlich nicht mit der normalen Post versandt werden. Das wußte ich bislang nicht.

Die Mitarbeiterin stapelte das Paket mit der Flasche sorgsam auf die anderen Päckchen, kassierte das „Porto“ und wünschte mir einen schönen Feierabend.

Ob mir das auch bei einem guten deutschen Postbeamten so widerfahren wäre? So ein unkonventioneller Migrantenhintergrund hat doch was für sich. Ich weiß gar nicht, was Herr Sarrazin hat? ;-)

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Wenn man keine Arbeit hat …

Aus meinem Einkommensteuerbescheid:

Zinsabschlag/Kapitalertragssteuer kann auf die Steuerschuld nur bei Vorlage entsprechender Steuerbescheinigungen im Original angerechnet werden.

Ich hatte meinem Steuerberater die Bescheinigungen in Kopie übermittelt, die er an das Finanzamt weitergeleitet hat.

Nun habe ich Einspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt und die Original nachgereicht. Irgendwann wird dann ein neuer Bescheid erlassen und mir dann die gezahlte Zinsabschlag/Kapitalertragssteuer in einer weiteren Zahlung überwiesen.

Na gut, solange die Finanzbeamten mit diesem überflüssigen Mist beschäftigt sind, können sie keinen anderweitigen Unsinn machen.

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Ein Besuch im Club

Eine Auseinandersetzung zwischen ein paar Postpubertisten im Club. Es ging mal wieder um die Mädels. Natürlich spielte Alkohol eine Rolle. Und jede Menge Testosteron. Außer ein paar Feilchen und sonstigen blauen Flecken war nichts passiert. Trotzdem: Die beiden Kontrahenten erstatten wechselseitige Strafanzeigen und stellten die entsprechenden Anträge.

Aus der Akte – 93 Blatt! – ergibt sich, daß nur der Freund des Gegners den Schlag meines Mandanten gesehen hat. Die drei anderen – unbeteiligten – Gäste haben gesehen, daß der Gegner meinen Mandanten geschlagen hat.

Ich habe den Staatsanwalt angerufen und vorgeschlagen, das Verfahren einzustellen. Der Staatsanwalt meinte: Einstellung ja, aber nur gegen Auflage: Mein Mandant soll 600 Euro an die Justizkasse zahlen. § 153 a StPO.

Der Staatsanwalt konnte meinen gequälten Gesichtsausdruck nicht erkennen. Ich habe ihm vorgeschlagen:

Ok, dann schreiben Sie mal eine Anklage, ich reise zu den voraussichtlich drei Hauptverhandlungstagen nach [Kleinstadt in Südwestdeutschland] und werde im Schlußvortrag den Freispruch beantragen und: „Die Kostend des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten werden dem Staatsanwalt vom Gehalt abgezogen.“

Jetzt konnte ich den Gesichtsausdruck des Staatsanwalts durchs Telefon erkennen.

Drei Sekunden später kam die Replik: Also gut, § 153 StPO, ohne „a“.

Einverstanden.

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Bemerkenswert Bekanntes

In einer auswärtigen Betrugssache, die ich verteidige, rief mich der zuständige Staatsanwalt an. Er wolle mich auf eine ganz aktuelle Entscheidung vom 12. August 2009 hinweisen: Amtsgericht Karlsruhe, 9 C 93/09.

Ich konnte ihm mitteilen, daß mir die Entscheidung bereits bekannt ist. Und daß ich Frau Günther nicht persönlich kenne. Und mein Mandant auch nicht.

Nun denke ich darüber nach, was mir der Staatsanwalt eigentlich damit mitteilen wollte.

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Glaubensfrage

glaubensfrage glaubensantwort

Die BZ befragt ihre Leser. Es gibt Lebensformen, an denen ist die Evolution spurlos vorbeigegangen. Die Jounalisten Reporter Schreiber der BZ gehören anscheinend dazu.

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Fristsetzung

Unsere Klage stammt vom 30.6.2009. Das Landgericht stellt die Klage dem Gegner zu und lädt zum Termin am 3.2.2010.

Der Beklagte erwidert am 24.9.2009 auf die Klage. Das Landgericht schickt uns am 6.10.2009 die Klageerwiderung und fordert uns auf, binnen 14 Tagen dazu Stellung zu nehmen. Würden wir die Frist einhalten, läge unsere Stellungnahme ein gutes Vierteljahr auf der Geschäftsstelle des Landgerichts und würde Patina ansetzen.

Ich frage mich, warum es das Gericht so eilig hat. Eigentlich sollte es doch ausreichen, wenn unser Schriftsatz im Laufe der ersten Januarhälfte beim Gericht eintrudelt. Mir kann doch keiner erzählen, daß sich das Gericht unsere Stellungnahme noch im Oktober anschaut, um im Januar darüber zu verhandelt.

Die Wege eines Zivilgerichts sind unergründlich.

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Den Rechtsstaat auf’s Korn genommen

Die urteilen „Im Namen des Volkes“ und prozessieren auf dessen Kosten. Die müssen an den zwei Verhandlungstagen eine enorme Höhe erreicht haben. Und was ist herausgekommen? Ein krasses Fehlurteil.

Quelle: Ulrich Bräuel, Das Tagebuch der Susanne K, 1. Auflage 2009, S. 90 (ISBN: 978-3897746510)

Bräuel schreibt in seinem Kriminalroman über ein Mißbrauchsverfahren. Angeklagt ist ein Lehrer, der sich an einem 13-jährigen Mädchen vergangen haben soll.

Auf den gut 100 Seiten gelingt es dem Autor – ein promovierter Jurist – in brillanter und verständlicher Weise, die massiven Probleme der Aussage-gegen-Aussage-Konstellation in Sexualstrafsachen darzustellen.

Dieses Buch ist nicht nur ein spannender Krimi, sondern auch ein Beispiel für die engen Grenzen, in denen sich Justiz und Rechtsstaat befinden.

wird das Büchlein zutreffend vom Verlag beschrieben.

Ich habe es in einem Rutsch nach einem 12-Stunden-Arbeitstag durchgelesen. Absolut empfehlenswert, auszugsweise auch für Plädoyers geeignet.

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Getty Images und der Traumtanz

Es geht um die angebliche Nutzung eines Bildes auf einer Internet-Präsentation. Getty Images behauptet, Rechte daran zu haben, verlangte die Entfernung und einen Schadensersatz. Das Bild wurde entfernt und ich habe Getty darum gebeten, die Rechte zu substantiieren und nachzuweisen. Darauf schickt mir Getty Images die nachfolgend zitierte eMail (Hervorhebungen von mir):

Wir begrüßen die Entfernung des Bildes von der Webseite und werten dies als Zeichen für Ihre Kooperationsbereitschaft. Dennoch bleibt neben dem Unterlassungsanspruch unser Anspruch auf Bezahlung für die unberechtigte Nutzung der Bilder nach wie vor bestehen. Der erhebliche Bearbeitungsaufwand und unsere Verpflichtung gegenüber unseren Fotografen, die für jede Verwendung eines ihrer Bilder Honoraransprüche haben, haben Kosten verursacht, die über dem Preis für eine von Anfang an ordnungsgemäße Lizenzierung liegen. Unsere Forderung bleibt davon unberührt.

Getty Images stellt im Vorfeld außergerichtlicher Einigung keine derartigen Nachweise zur Verfügung. Im Moment versuchen wir diese Angelegenheit einvernehmlich zu regeln und sind deshalb nicht verpflichtet, derartige Nachweise vorzulegen. Aus Datenschutzgründen dürfen wir jedoch lediglich, falls es zu gerichtlichen Schritten kommt, diese vertraulichen Verträge Dritten gegenüber zugänglich machen.Alle Getty Künstler unterschreiben einen Vertrag, in dem sie bestätigen, dass sie die einzigen Inhaber der Urheberrechte sind.

[…]

Der Zweck unserer Abteilung (License Compliance) ist Angelegenheiten von Urheberrechtverletzung schnell und kostengünstig zu regeln, ohne Mitwirkung unserer Anwälte. Unsere Sammlung ist sehr groß und der entsprechende Nachweis entweder bei uns oder unserem Fotograf zu finden würde weitere Kosten verursachen. Wenn Sie auf diesen Nachweis bestehen, muss Ihre Angelegenheit an unsere Anwälte weitergeleitet werden. In diesem Fall wird die Schadensersatzforderung wegen zusätzlich anfallender Anwaltsgebühren erheblich höher ausfallen.

Sollten Sie hingegen zusagen unsere Forderung zügig zu zahlen können wir Ihnen mit einem erheblichen Nachlass entgegenkommen:

Getty Images ist demnach bereit, die Höhe der Forderung um 15% auf 1032.75 EUR (inkl.MWST) zu reduzieren, vorausgesetzt eine vollständige Zahlung dieses Betrags erfolgt bis zum 29.10.2009. Die Zahlung dieses Betrags unter den zuvor genannten Bedingungen gilt als vollständige und abschließende Abgeltung unserer Forderung betreffs der angemahnten unberechtigten Nutzung von Getty Images Photos, die bis dato identifiziert und in unserer Forderung bezeichnet ist. Dieses Angebot gilt vorbehaltlos und wird automatisch unwirksam, sollte keine Zahlung unter den zuvor genannten Bedingungen erfolgen. Bitte geben Sie bei Ihrer Zahlung Ihre Referenznummer 5892724 an und bestätigen Sie mir kurz per Email, ob Sie auf den Zahlungsvorschlag eingehen.

Sollten Sie über eine internationale UST-ID (beginnt mit DE und ist 9-stellig) verfügen, so möchte ich Sie bitten, uns die Nummer vor der Zahlung mitzuteilen, denn dann müssen Sie nur den Nettobetrag von 850.00 EUR begleichen. Sollte es nicht der Fall sein, so muss unsere Forderung inklusive Mehrwertsteuer beglichen werden. Sollten Sie aber eine Überweisung ohne Mehrwertsteuer vorzunehmen, ohne uns vorher über Umsatzsteuer ID Nummer informiert zu haben, so wird der Fall weiterverfolgt und die Mehrwertsteuer wird immer noch von uns eingefordert.

Dieses Vergleichsangebot steht unter der auflösenden Bedingung der vertraulichen Behandlung. Sofern Sie das Angebot annehmen, sind Sie daher verpflichtet, die Konditionen sowie den Abschluss der Regelung vertraulich zu behandeln und nicht an Dritte weiterzugeben. Getty Images behält sich andernfalls sämtliche Rechte und Rechtsmittel vor.

Bekommen die Mitarbeiter dieses Unternehmens morgens ein Medikament in den Frühstückkaffee eingerührt, damit man dort solche eMails schreiben kann?

Ich verschicke demnächst auch mal eine Rechnung an – sagen wir mal – Melanie Adam, fordere die Dame unter Androhung empfindlicher Übel zur sofortigen Überweisung auf und teile mit, daß ich aus Datenschutzgründen nicht mitteilen kann, weshalb ich die Forderung aufstelle.

Tolle Geschäftsidee. Was ein Staatsanwalt wohl zu sowas sagen wird?

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Was sage ich dem Mandanten?

Es ging um Schwarzfahren (Beförderungserschleichung). Der Mandant hat die Ladung zur Gerichtsverhandlung verschlafen und uns dann mit seiner Verteidigung beauftragt. Er befürchtete, daß gegen ihn ein Sitzungshaftbefehl (§ 230 StPO) erlassen worden ist.

Ich habe mich für ihn beim Gericht gemeldet, die Akte abgeholt und meiner Mitarbeiterin zum Einscannen und Zurücksenden gegeben. Sie fragt mich nun:

Was sag ich dem Mdt, wenn er heute anruft? Die Akte hast Du heute geholt, Du wolltest reinschauen und dann den Mdt instruieren.

Ich habe ihr geantwortet:

Sage ihm bitte:

1. Es gibt KEINEN Haftbefehl.

2. Er bekommt einen Strafbefehl: 40 Tagessätze zu 15 Euro: 450 600 Euro zzgl. Verfahrenskosten.

3. Wenn er nicht zahlen kann, soll er damit SOFORT zur sbh.

4. Er soll uns einen Kuchen als Honorar vorbei bringen.

Wenn der Kuchen kommt, veröffentliche ich ein Foto.

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