Monatsarchive: Oktober 2009

Gut organisiert, unsere Staatsanwaltschaft

Es geht um eine gescheiterte Beziehung. Die Ehefrau zeigt den künftigen Exmann an, er habe das minderjährige Kind mißbraucht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, legt eine Akte an und der Exmann wird von der Kripo zur Vernehmung gebeten. Ich teile dort mit, daß er nicht kommen wird und beantrage Akteneinsicht. Die Kommissarin versichert mir, daß sie die Akte wegen meines Akteneinsichtsgesuchs sofort an die Staatsanwaltschaft zurückschickt. Soweit, sogut.

Parallel läuft ein Sorgerechts- und Umgangsverfahren vor dem Familiengericht. Der Exmann kämpft um das Umgangsrecht mit seinem Nachwuchs. Dazu soll er vom Jugendamt gehört werden. Ihm brennt es unter den Nägeln.

Wegen des eisernen Grundsatzes: Erst die Akteneinsicht – dann eine Stellungnahme zum Tatvorwurf. NIEMALS in umgekehrter Reihenfolge! rate ich ihm und der Kollegin, die ihn familienrechtlich berät, das Umgangsverfahren auszubremsen. Beide folgen zähneknirschend meinem Rat.

Nun brauche ich die Akte. Ich habe das Aktenzeichen und die Rufnummer der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft. Seit einer Woche versuche ich zu unterschiedlichen Zeiten, dort irgendjemanden zu erreichen. Ein Fax mit einer Rückrufbitte bleibt unbeantwortet. Einen Tag später schicke ich ein Fax mit dem furchteinflößenden Wort DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDE an die Staatsanwaltschaft. Nichts passiert.

In einem weiteren 20-minütigen Telefonat gelingt es mir, bei der Zentrale durchzukommen. Der Versuch, mich an die Geschäftsstelle zu vermitteln, scheitert erwartungsgemäß. Ich bitte die Telefonistin, den zuständigen Abteilungsleiter zu ermitteln. Das klappt, auch die Verbindung mit ihm haut hin – er ist tatsächlich erreichbar.

Ich hatte meinen Namen noch nicht ganz ausgesprochen, da fragte mich der Herr StA: Sie sind doch derjenige, der hier die Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht hat? Die Akteneinsicht ist bereits verfügt.

Auf meine Frage, warum ich davon noch nichts weiß, teilte er mir mit, die Verfügung sei auf dem Wege in die Schreibstube. Ich konnte mir nur knapp ein Kreischen verkneifen. UND WARUM RUFT MAN MICH NICHT MAL EBEN AN? Bis ich die Mitteilung bekomme, ist doch Weihnachten …

Im weiteren Verlauf des Gespräches informierte mich der Abteilungsleiter über den Urlaub der Geschäftsstellenmitarbeiterin: Da hätten Sie noch zwei Wochen versuchen können, auf der Geschäftsstelle jemanden zu erreichen. Die ist nicht besetzt. Wir haben aber extra einen Zettel an die Tür geheftet.

Auf die Idee, eine Rufweiterleitung oder zumindest einen Anrufbeantworter zu schalten, ist der Herr Abteilungsleiter nicht gekommen.

Dann fahre ich gleich mal zum Gericht und hole dort die Akte beim Abteilungsleiter persönlich ab. Und wehe, die ist nicht wie versprochen dort!

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Ermittlungsverfahren gegen Sarazin?

Die Justiz prüft ein Ermittlungsverfahren gegen den früheren Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Das heutige Vorstandsmitglied der Bundesbank hatte sich in einem Interview polemisch über Migranten und Hartz-IV-Empfänger geäußert. Möglicherweise erfüllen diese Äußerungen den Straftatbestand der Volksverhetzung, teilte ein Polizeisprecher mit.

berichtet heute die Berliner Morgenpost

Naja, wenn so ein Spruch:

Eine große Anzahl von Türken und Arabern habe ohnehin „keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel“.

zur Strafbarkeit führen sollte, scheint es nicht nur ein Problem mit ein paar unentspannten Einwanderen zu geben, sondern auch mit der Meinungsfreiheit.

Sarazin reagiert auf die Reaktionen:

„Mein Anliegen war es, die Probleme und Perspektiven der Stadt Berlin anschaulich zu beschreiben, nicht aber einzelne Volksgruppen zu diskreditieren. Sollte dieser Eindruck entstanden sein, bedauere ich dies sehr und entschuldige mich dafür.“

und beklagt,

wenn es diesbezüglich zu Missverständnissen gekommen ist.

Das Bedauern nehme ich ihm ab, schließlich hat er derzeit einen Job, der von ihm ein wenig Zurückhaltung verlangt.

Wenn er weiterhin deutliche Töne von sich geben möchte, sollte er vielleicht einmal darüber nachdenken, Strafverteidiger zu werden. Die dürfen das!

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Keine Ablehnung der Beratungshilfe trotz Inkompetenz?

Ab dem 1. September 2009 gilt § 16a der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) in neuer, geänderter Form:

Ablehnung der Beratungshilfe

(1) (aufgehoben)

(2) Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, einen Beratungshilfeantrag zu stellen.

(3) Der Rechtsanwalt kann die Beratungshilfe im Einzelfall aus wichtigem Grund ablehnen oder beenden. Ein wichtiger Grund kann in der Person des Rechtsanwaltes selbst oder in der Person oder dem Verhalten des Mandanten liegen. Ein wichtiger Grund kann auch darin liegen, dass die Beratungshilfebewilligung nicht den Voraussetzungen des Beratungshilfegesetzes entspricht. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

a) der Rechtsanwalt durch eine Erkrankung oder durch berufliche Überlastung an der Beratung/Vertretung gehindert ist;

b) (aufgehoben)

c) der beratungshilfeberechtigte Mandant seine für die Mandatsbearbeitung erforderliche Mitarbeit verweigert;

d) das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant aus Gründen, die im Verhalten oder in der Person des Mandanten liegen, schwerwiegend gestört ist;

e) sich herausstellt, dass die Einkommens- und/oder Vermögensverhältnisse des Mandanten die Bewilligung von Beratungshilfe nicht rechtfertigen;

f) (aufgehoben)

g) (aufgehoben).

Die Satzungsversammlung, die diese Vorschrift entworfen hat und die vom Bundesjustizministerium mit Bescheid vom 12. März 2009 teilweise geändert wurde, wird sich sicherlich Gedanken darüber gemacht haben, was Rechtsanwälte machen sollen, die mit dem Problem des Mandanten überfordert sind.

Wenn es beispielsweise um eine Frage im Familienrecht geht und der Anwalt schon während des Studiums das Familienrecht nur vom Hörensagen kannte und ein Familiengericht noch nie von innen gesehen hat: Soll er nach dem Willen des Satzungsgebers das Mandat dann trotzdem bearbeiten?

Oder warum ist der Ablehnungsgrund „Keine Ahnung“ kein Regelbeispiel des Absatzes 3?

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Keine Terminsverlegung

Aus einem freundlichen Schreiben eines kleinen westdeutschen Amtsgerichts in einer Bußgeldsache:

… wird mitgeteilt, dass dem Terminsverlegungsantrag des Verteidigers vom 28.09.2009 (eingegangen bei Gericht per Fax um 17:27 Uhr) wegen angeblicher Erkrankung des Betroffenen derzeit nicht stattgegeben wird, nachdem bereits zwei Termine auf Gründen, die im Einflussbereich des Betroffenen oder der Verteidigung lagen, verlegt wurden.

Das zum Nachweis eingereichte Attest genügt nicht in Ansätzen den Erfordernissen zur Glaubhaftmachung, da hierin weder die angeblichen Symptome noch die Art der Erkrankung genannt sind. Dem Betroffenen wird daher Gelegenheit gegeben, seine behauptete Erkrankung in einer genügenden Form durch ein aussagekräftiges Attest nachzuweisen. Hierzu wird der behandelnde Arzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden [sein], damit das Gericht den behandelnden Arzt gegebenenfalls telefonisch im Freibeweis zu der Erkrankung befragen kann. Es wird darauf hingewiesen, dass dieses nur berücksichtigt werden kann, wenn das Attest bis zum Termin der Hauptverhandlung um 15:00 Uhr dem Abteilungsrichter vorgelegt wird.

Wieso kommt mir gerade der Gedanke, dem Megalomaniker Richter die Visitenkarten meines Lieblingspsychiaters zu übermitteln?

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Die Kopftuchmädchen des Thilo Sarrazin

„Jeder, der bei uns etwas kann und anstrebt, ist willkommen; der Rest soll woanders hingehen.“ Vor allem große Teile der arabischen und türkischen Einwanderer seien weder integrationswillig noch integrationsfähig. „Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert.“

Quelle: Lettre via Tagesspiegel

Thilo Sarrazin war mal Finanzsenator in Berlin, jetzt ist er Bundesbank-Vorstand. Was kommt danach?

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