Monatsarchive: Dezember 2009

Der Anruf der Frau Mama

Nicht nur den Mandanten gefällt es, wenn ein Haftbefehl aufgehoben wird und die Tore in die Freiheit sich für ihn öffnen. Gestern Abend rief mich die Mutter eines Mandanten an, der in der vergangenen Woche aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Sie bedankte sich bei mir für meine Arbeit und dafür, daß die Familie nun doch vollzählig das Weihnachtsfest feiern kann. Dabei hatte ich doch nur einen kleinen Antrag gestellt, dem ein mir unbekannter Richter am Landgericht stattgegeben hat. So ein Anruf mit einer solchen Rückmeldung ist mir ein viel wertvolleres Honorar als die Überweisungen zuvor.

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Verteidigerwechsel

Es ist immer wieder spannend für mich, anderen Verteidigern bei der Arbeit zuzuschauen. Das Vergnügen habe ich, wenn es mehrere Angeklagte in einem Verfahren gibt, aber auch, wenn ein Mandant erst in der Rechtsmittelinstanz zu mir kommt.

Manchmal kommt es aber auch zum Verteidigerwechsel innerhalb des Ermittlungsverfahrens oder einer Instanz; das dann meist, wenn der Mandant mit dem ersten Verteidiger nicht zufrieden war. Über einen solchen Fall berichtete ein Kollege auf der Mailingliste für Rechtsanwälte:

Nachdem mich der Mandat in einer Raubsache mit seiner Verteidigung beauftragt hat, erhalte ich heute Akteneinsicht. Aus der Akte ergibt sich, dass der Mandant zuvor bereits einen Kollegen mit seiner (Wahl-)Verteidigung betraut hat, der dann zum Pflichtverteidiger bestellt wurde.

Jetzt findet sich in der Akte ein Protokoll der Hauptverhandlung vom September, zu der der Mandant möglicherweise nicht ordnungsgemäß geladen war und entsprechend ausgeblieben ist. Der Vorverteidiger äußert sich jetzt ausweislich des Protokolls wie folgt:

RA Rudolf Ratte erklärt, er wisse nicht, wo sich sein Mandant aufhält. Er gehe davon aus, dass dieser sich vielleicht in der Drogenszene in F-Dorf herumtreibe. RA Ratte erklärt, er halte es für wenig sinnvoll, einen Vorführungsbefehl zu erlassen aufgrund der vorgenannten Umstände. Möglicherweise sei eher angebracht, einen Haftbefehl nach § 230 StPO zur Sicherung der Hauptverhandlung zu erlassen.

Hierauf ergeht dann auch sogleich der Haftbefehl.

Dass der Mandant in der Akte nirgends, aber auch gar nicht mit Drogen in Zusammenhang gebracht wird, macht die Sache sicher nicht besser.

Es ist schon interessant, wie manchen Kollegen nicht davor zurück schrecken, ihren eigenen Mandanten in die Pfanne zu hauen. Verteidiger vom Schlage Rudolf Ratte sollten eigentlich namentlich benannt werden, oder?

Vielen Dank an Herrn Kollegen A.F., der mir die Veröffentlichung seiner schlechten Erfahrung gestattet hat.

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Notwehr, 12 mal

Das Verfahren gegen zwei Polizisten, die den Studenten Tennessee Eisenberg mit zwölf Kugeln erschossen haben, ist eingestellt. Die Beamten hätten in Notwehr gehandelt.

berichtet Bernhard Hübner in der taz.

In der Süddeutschen (mit weiter führenden Links) gibt es ein wenig Hintergrund zu der unglaublichen Geschichte.

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Wer zu spät kommt …

Ich hatte für meinen Mandanten gegen einen Beschluß des Amtsgerichts Beschwerde erhoben. Die Akte ging dann wie vorgesehen über die Staatsanwaltschaft zum Landgericht. Der Staatsanwalt hat der Hauptakte die Beiakten hinzugefügt. Zwei dicke, große Kartons.

In den Strafkammern beim Landgericht arbeiten in der Regel drei Richter. Einer davon wird der Berichterstatter sein, der sich in die Sache einarbeiten soll muß.

Ich habe unsere Mitarbeiterin gebeten herauszufinden, wer das ist und wie ich ihn erreiche. Aus ihrer Telefonnotiz:

Anruf um 10 Uhr bei Geschäftsstelle LG: Frau Gluffke teilt mit, Berichterstatter sei Herr RiLG Bullmann, der aber erst nachmittags ins Gericht kommt – deswegen habe er die Sache ja auch bekommen.

Tja. Vielleicht stellt RiLG Bullmann seine Arbeitszeiten künftig um. ;-)

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Noch ein Weihnachtsgeschenk

Nachdem meiner Haftbeschwerde stattgegeben wurde, gab es nun auch in Berlin einen Grund zum Feiern, berichtet die taz:

Als Richterin Petra Müller am Donnerstagmittag gleich zu Beginn des Prozesstages die Aufhebung des Haftbefehls gegen die Angeklagten verkündet, ist im Saal kein Mucks zu hören. Für eine Sekunde. Dann bricht unter den Zuhörern Applaus und Jubel aus. Der 20-jährige Yunus K. springt auf, nimmt seinen Freund und Mitangeklagten, den 17-jährigen Rigo B., in die Arme. Die Eltern schlagen weinend die Hände vors Gesicht. Selbst die Verteidiger wischen sich Tränen aus den Augenwinkeln.

Nach mehr als sieben Monaten: Frohes Fest, yeah!

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Klima-Katastrophe

Temperatur-Differenz zwischen drinnen und draußen: Knappe 26 Grad Celsius:

kalt

Mein Beitrag zur Rettung der Welt.

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Besser als Bagdad

Neukölln - Yeah!

Neukölln. Yeah!

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Vogel verloren?

Falls jemand seinen Vogel sucht:

vogel

Ehrliche Finder in der Weserstraße, Neukölln, am 18.12.2009.

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Aufhängen sollte man sie!

Nur mal so nebenbei.

Aufhängen sollte man sie.
Hab’ ich’s nicht immer gesagt?
Schon wieder eine Brandstiftung.

Gottlieb Biedermann, aus: Max Frisch, Biedermann und die Brandstifter, 1958

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Solidargemeinschaften

„Das hat mit Rechtsstaat nichts mehr zu tun“, sagte Richter Manfred Steinhoff, als er die Freisprüche begründen musste. „Wir hatten nicht die Chance auf ein rechtsstaatliches Verfahren, auf die Aufklärung des Sachverhalts.“ Das Verfahren sei „gescheitert“ an der „Schlamperei“ und den „Falschaussagen der Beamten“.

Quelle: Dietmar Hipp auf SPON über das Strafverfahren gegen zwei Polizeibeamte wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt mit Todesfolge.

Es kommt in dem Beitrag auch ein „Polizeiwissenschaftler“ zu Wort:

Es ist eine fragwürdige Solidarität unter Polizisten, die entweder schweigen oder ihre Aussagen untereinander abstimmen. „Solche Fälle lassen sich immer wieder auf bestimmte Muster zurückführen“, sagt der Hamburger Polizeiwissenschaftler Rafael Behr. Die „Obstruktionsmechanismen“ reichten vom „Sich-nicht-erinnern-Können“ über das Zurückhalten von Aussagen wider besseres Wissen bis zur Falschaussage. Motiv bei diesem „Gefahrgemeinschaftssyndrom“ sei vor allem der „Schutz des kollegialen Nahraums“: „Selbst wenn der Kollege etwas falsch gemacht hat, wir halten zusammen, wir liefern den nicht aus.“ Oft genug seien die Beamten aber auch heimlich davon überzeugt, dass das Opfer die Behandlung verdient habe.

Solche Strukturen sind auch aus anderen Solidargemeinschaften bekannt. Nur dort werden sie von den Ermittlungsbehörden, also auch von Polizeibeamten, verurteilt.

Link gefunden in der Handakte.

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