Auf Teufel komm raus

Der Prozeß neigt sich seinem Ende zu: Die Sammlung von Informationen, Feststellungen und Müll bedarf lediglich der Strukturierung.

Steht der Hauptvorwurf nicht, führt nichts an der rechtlichen Überprüfung der Nebenpunkte vorbei – gilt es doch, wenigstens die bisherige Untersuchungshaft zu rechtfertigen.

Den Berichterstatter(1) zieht’s in die Bibliothek, neuerdings wohl eher vor den PC. Und selbst Vorsitzende sollen an beide Orten schon gesichtet worden sein, wenn die Hauptverhandlung nicht in gewünschter Eindeutigkeit verlief.

Quelle: Friedrich-Karl Föhrig, VRiLG a.D., Kleines Strafrichter-Brevier, S. 76

Was Föhrig hier in launiger Ironie beschreibt, ist Alltag in solchen Verfahren, in denen es der Verteidigung gelungen ist, die Anklagevorwürfe im Laufe einer Beweisaufnahme zu entkräften.

Zu Beginn eines Mandats erkläre ich meinen Mandanten stets die Regeln der Beweislast:

Der Richter muß Ihnen nachweisen, daß Sie schuldig sind. Es ist nicht so, daß Sie nachweisen müssen, daß Sie unschuldig sind.

Das ist die Theorie. Die Praxis sieht anders aus.

Ein Repetitor hat mir vor gefühlten 100 Jahren mal gesagt: Es ist einfacher, ein eingeseiftes Schwein am Schwanz zu fassen, als vor einer Strafkammer einen Freispruch zu erzielen.

Anm.:
(1) Berichterstatter ist der Beisitzer in einer Strafkammer, der die Sache zur Bearbeitung vorbereitet.

Dieser Beitrag wurde unter Richter, Verteidigung veröffentlicht.

6 Antworten auf Auf Teufel komm raus

  1. 1
    Dante says:

    Ist ja auch gemein. Da kann man dem Angeklagten weniger nachweisen als ursprünglich wahrscheinlich war und dann ist man so dreist, dass man die restlichen Straftaten nicht auch unter den Tisch fallen lässt. Unverschämt.

    Ich dachte immer, wenn einem in einer Anklage ein schwerer Raub vorgeworfen wurde, der dann nicht nachweisbar war hat man zwei Betrügereien und ein mal Fahrerflucht frei …

  2. 2
    Kampfschmuser says:

    Das eingeseifte Schwein habe ich mal zu fassen bekommen. Der StA meinte am Ende der Verhandlung, dass er das selten macht, aber hier einen Freispruch für den Angeklagten fordern muss.

    Aber mir war als damals als Jungspund subjektiv klar, dass das eine ungeliebte und seltene Handlung ist.

  3. 3
    Susanne says:

    Das Motto von Herrn Föhrig schien zu sein: ein guter Richter ist allein, wer Arbeit vermeiden kann. Das ganze Büchlein dreht sich vor allem um die Frage, wie man einen Fall mit möglichst wenig Aufwand abschließen kann. In meinen Augen eine recht eitle Selbstbespiegelung. Ich kannte Herrn Föhrig nicht persönlich, aber seine Bilanz hinterläßt einen faden Beigeschmack. Das Vorwort und das Nachwort von Frau Harms bzw. Herrn Basdorf sprechen für sich. „Föhrig wird nicht aufgehoben!“ – was soll man dazu sagen?

    Macht einen guten Richter denn nur aus, daß er es schafft, um 20.00 Uhr in der Oper zu sitzen und vom Obergericht nicht aufgehoben zu werden? Ist letzteres mit ein wenig Erfahrung wirklich eine Kunst und Kriterium für eine „gute“ Entscheidung?.

  4. 4
    Max says:

    „Berichterstatter ist der Beisitzer… „, und ich dachte immer, der heißt Beischläfer ;-)

  5. 5
    Tilman says:

    @4: Soweit ich das Ballmann Buch verstanden habe, ist der Beischläfer der Beisitzer, der nicht Berichterstatter ist. Denn er hat keine Arbeit, im Gegensatz zum Berichterstatter (der die Hauptarbeit hat), und zum Vorsitzenden (dem „Moderator“ der show, der sich zumindest mal informiert hat).

  6. 6
    Christoph says:

    @Susanne: „In meinen Augen eine recht eitle Selbstbespiegelung“

    Das passt durchaus zu seinem Auftreten.