Bundesrat befürwortet notwendige Verteidigung

Der Bundesrat hat auf seiner Sitzung am 10. Juli 2009 entgegen der Empfehlung seines Rechtsausschusses das „Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts“ passieren lassen. Gemäß den Regelungen liegt ein Fall notwendiger Verteidigung auch dann vor, wenn der Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen wird. Hat er noch keinen Verteidiger, so ist ihm unverzüglich nach Inhaftierung ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Ursprünglich wollte eine Mehrheit der Länder im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen, da die frühere Pflichtverteidigerbestellung auf rein fiskalische Bedenken gestoßen ist.

Quelle: DAV-Depesche

Fiskalische Bedenken. Aha. Geld wiegt eben mehr als Rechtsstaat. Es ist erfreulich, daß es doch Mehrheiten gibt, die das anders sehen.

Damit haben ab dem 1. Januar des kommenden Jahres diese entwürdigenden Eiertänze der Staatsanwälte ein Ende, die stur und bar jeden Verstands an der Regel festhielten, die Anträge auf Bestellung eines Pflichtverteidigers erst nach drei Monaten oder mit Anklageerhebung zu stellen.

Daß es aus diesen Reihen Widerstände gegen die neue Regelung gibt, war zu erwarten. Nun scheint es vorbei zu sein mit dem Schonraum, in dem Staatsanwälte vor sich hinwerkeln können, ohne von außen kontrolliert zu werden, weil der Beschuldigte sich einen Verteidiger schlicht nicht leisten konnte.

Die neue Vorschrift ist dann auch ein Beitrag zur Abschaffung der Zweiklassenjustiz. Eine Verteidigung im Ermittlungsverfahren wird auf diesem Wege nun auch den weniger gut betuchten Untersuchungshäftlingen gewährleistet.

Dieser Beitrag wurde unter Politisches, Staatsanwaltschaft, Verteidigung veröffentlicht.

7 Antworten auf Bundesrat befürwortet notwendige Verteidigung

  1. 1

    Und nun müssen wir aufpassen, dass diese an sich gute neue Regelung nicht dadurch unterlaufen wird, dass die Zuständigen dafür sorgen, dass so schnell wie möglich die dropsförmigen Ja-Sager beigeordnet werden, um das Gemauschele weiterhin möglich zu erhalten.

  2. 2
    Chak says:

    Schonraum

      thx. crh
  3. 3
    Tom Paris says:

    Sie können doch nicht erwarten, daß in so einem sensiblen Verfahrensstadium „verbissene Justizhasser“, wie Ballmann in seinem Blog formuliert, die sich weigern, mit Richtern ein Bier zu trinken, bestellt werden. Dann doch lieber die nette Anwältin Müller-Klebsch, die ihre Kanzlei vierteltags betreibt, bisher vor allem durch unkomplizierte Mietrechtsverfahren (nicht) aufgefallen ist und sich dankbar ergeben für eine Pflichtverteidigerbestellung zeigt.

  4. 4

    Daß es solche Nullen unter den Richtern gibt, ist hier bekannt. Es gibt aber auch andere.

  5. 5
    RA says:

    Diese „Neuerung“ läuft doch eh ins Leere und erfüllt nicht den Zweck, wozu sie eigentlich gedacht ist.

    Ich weiss ja nicht, wie es anderorts ist, aber ich persönlich kenne niemanden, der länger als 2 Tage ohne Anwalt in der JVA saß. In der regel wird doch direkt die Vollmacht mindestens eines Verteidigers unterschrieben und verschickt, die man von den Zellengenossen unter die Nase gehalten bekommen hat bzw. bekommt unaufgefordert Besuch von diversen Anwälten.

    Einziger Vorteil, den ich sehe: Man wird schneller beigeordnet, wodurch die Gefahr kleiner wird, das Mandat vom nächstbesten „mit mir bekommen sie den Freispruch – Kollege gekündigt zu bekommen.

  6. 6
    Toni says:

    @Werner Siebers: Wird schwer zu verhindern sein, vermute ich. Je mehr Fälle, desto mehr Gelegenheiten auch für „Ja-Sager“ ein Mandat abzustauben.
    Ich tippe es wird weiterhin diese und jene Fälle geben, wie bisher auch.

  7. 7
    Ernst says:

    „Fiskalische Bedenken. Aha. Geld wiegt eben mehr als Rechtsstaat.“ Verteidiger sind aber auch in einer Zwickmühle. Sie dürfen nicht laut sagen, dass auch sie ein Büro und dessen Rechnungen zu bezahlen haben und selbst auch von etwas leben wollen. Dass also Pflichtverteidigungen — dem Namen zum Trotz — nichts ganz Schlechtes sind. Auch wenn der Fiskus langsam zahlt, ein solventer Schuldner ist er doch. Zumal allzu saumseligen Kostenbeamten mit der Dienstaufsichtsbeschwerde Beine gemacht werden können.

    Und deshalb klingt es immer nur so halb wahr, wenn Verteidiger an der Pflichtverteidigung nur das Rechtsstaatliche hochhalten. Und sich über „Fiskalische Bedenken“ desjenigen lustig machen, der dafür schließlich aufkommen muss.

    Mit anderen Worten: Fiskalische Bedenken haben beide. Nur in entgegengesetzter Richtung. Wer das verschweigt, wirkt ein bisschen unehrlich.