Das Berufungsurteil im Fall Emmely

Das Urteil der 7. Kammer des Landesarbeitsgericht (LArbG) Berlin-Brandenburg vom 24.02.2009 zu Aktenzeichen 7 Sa 2017/08 wurde veröffentlicht. Die amtlichen Leitsätze lauten:

1. Die rechtswidrige und vorsätzliche Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers ist, auch wenn die Sachen nur geringen Wert besitzen, als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich geeignet (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. nur BAG 11.12.2003 – 2 AZR 36/03).

2. Die Frage, ob bei einem gegebenen Eigentumsdelikt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber zumutbar ist oder nicht, ist dann im Rahmen einer Interessenabwägung im Einzelfall zu beantworten. In diese Interessenabwägung sind auf
Seiten des Arbeitnehmers regelmäßig die Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter einzubeziehen. Auf Seiten des Arbeitgebers sind u.a. die Funktion des Arbeitnehmers im Betrieb und die Frage der Fortdauer des für das Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauensverhältnisses zu berücksichtigen. Auch generalpräventive Gesichtspunkte können auf Seiten des Arbeitgebers Gewicht erlangen.

3. Im Rahmen der so vorzunehmenden Interessenabwägung sind die besonderen Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Dabei kann auch auf das Verhalten des Arbeitnehmers nach der Tatbegehung abgestellt werden, ob er beispielsweise die Tat einräumt, oder aber bei den Aufklärungsmaßnahmen des Arbeitgebers weitere Täuschungshandlungen begeht.

4. Auf den Einzelfall bezogen war hier in der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Rahmen der arbeitgeberseitigen Aufklärung den Sachverhalt beharrlich geleugnet, den Verdacht haltlos auf andere Mitarbeiter abzuwälzen versucht hat und sich im Prozess entgegen § 138 ZPO zu maßgeblichem Sachvortrag wahrheitswidrig eingelassen hat. Dadurch war der Vertrauensverlust irreparabel geworden.

Hier das vollständige Urteil als PDF-Datei und hier die Quelle.

Link gefunden im lawblog.

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8 Antworten auf Das Berufungsurteil im Fall Emmely

  1. 1
    egal says:

    Leitsatz 1: Die grundsätzliche Eignung zum wichtigen Grund hat auch niemand bestritten.
    Leitsatz 2: Rahmen der Interessensabwägung, auch ok.

    Leitsatz 3+4: Da fängts an kritisch zu werden. Soll der Arbeitnehmer lieber bei Pfennigbeträgen die Tat zugeben, obwohl er es nicht war?

    Offenbar hat das Gericht ihr wohl sehr übel genommen, dass sie 1. nicht gestanden hat, obwohl das Gericht sie für schuldig hält, und 2. dass sie noch andere Arbeitnehmer als Verdächtige oder die Aussagen der anderen Arbeitnehmer angegangen ist.

    Jegliche Verteidigung gegen den Verdacht der Straftat kann damit eine negative Interessensabwägung ergeben. Interessantes Rechtsverständnis…

    Wir halten fest:

    Ist der beschuldigte Arbeitnehmer unschuldig, so muss er die Tat gestehen, damit die vom Richter angenommene Tat nach der Interessensabwägung keinen wichtigen Kündigungsgrund darstellt.

    Bezeichende Logik.

  2. 2

    Wir halten fest:

    Ich halte hier gar nichts fest, Euer Gnaden.

  3. 3
    sedeter says:

    Pfandbons sind kein Eigentum des Arbeitgebers.

  4. 4

    Das unberechtigte Einlösen von Pfandbons hat schädigt das Vermögen des Arbeitgebers.

  5. 5
    egal says:

    Gehört denn der Pfandbetrag überhaupt zum Vermögen des Arbeitgebers?

  6. 6

    @ egal:
    Selber essen macht dick! Schauen Sie in Ziffer 44 und 45 des Urteils, die Frage hat das Gericht beantwortet.

  7. 7
    corax says:

    @ egal

    In diesem Fall irrelevant.

    […]44

    2.2.3 Dieses Verhalten der Klägerin war als wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB an sich geeignet. Mit dem Einlösen der beiden gefundenen Bons hat die Klägerin ihre arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) grob verletzt. Sie hat diese Bons, die der Marktleiter ihr zur Verwahrung übergeben hatte, aus dem Kassenbüro an sich genommen, für einen eigenen Einkauf eingelöst und sich damit zu Lasten ihres Arbeitgebers einen Vermögensvorteil in Höhe von 1,30 € verschafft, der ihr nicht zustand. Zum Einlösen der Bons war sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt berechtigt. Der Marktleiter hat sie ihr überreicht, um abzuwarten, ob sich der Kunde melden würde, andernfalls sollten sie als Fehlbons verbucht werden. Aus dieser Weisungslage wird deutlich, dass die Leergutbons – selbstverständlich – auch dann nicht zur eigenen Verwertung vorgesehen waren, wie hier offensichtlich geschehen, kein Kunde den Bon für sich reklamiert.

    45

    Die umfangreichen Ausführungen der Klägerin im Hinblick auf eine Pfandunterdrückung vermochte die Kammer nicht zu teilen. Sie sind für den vorliegenden Fall auch irrelevant. Denn selbst dann, wenn man der Konstruktion der Klägerin folgen wollte, wäre sie hieraus nicht berechtigt gewesen, die Bons zum eigenen Vorteil einzulösen. Dass die Beklagte entsprechendes Pfandgut vom Kunden erhalten hat, steht einer Pflichtverletzung der Klägerin nicht entgegen. Der Klägerin stand jedenfalls das Pfand nicht zu.

    […]

    Klappe zu. Affe tot.

  8. 8
    corax says:

    Oh, jetzt hab ich die Diät unterlaufen, tschulligung. :)