Die Auswahl eines Pflichtverteidigers …

… den der Vorsitzende einer Strafkammer dem Angeschuldigten vorschlägt, erfolgt nach Regeln, die in der Regel keiner kennt.

föhrig

Friedrich-Karl Föhrig, VRiLG a.D., beschreibt in seinem posthum veröffentlichten Büchlein „Kleines Strafrichter-Brevier“, wie er es gemacht hat:

… schlägt der Vorsitzende einen Verteidiger namentlich vor, wobei er aus ethischen Gründen ja-sagende „Gerichtsnutten“ ebenso meiden wird wie aus prozessökonomischen Erwägungen die üblichen professioneller Strafvereitlung Verdächtigen.

Ein ganz schön schräges Bild, das Richter Föhrig im Laufe seiner 36 Berufsrichterjahre von Verteidigern gewonnen hat, könnte man nun meinen …

Meine Erfahrungen mit Herrn Föhrig waren allerdings durchweg positiv. Und es gibt ja – wohl auch nach Ansicht dieses Richters – eine Menge Kollegen, die zwischen diesen beiden von ihm beschriebenen Extremen liegen.

Dieser Beitrag wurde unter Richter, Verteidigung veröffentlicht.

7 Antworten auf Die Auswahl eines Pflichtverteidigers …

  1. 1

    Lohnt die Lektüre? Wenn ja, gibt es das schon als eBook?

    Samstäglichen Gruß von dem, der heute wieder das Kantholz sein wird (Treffen mit Mitverteidiger aus dem Tal der Ahnungslosen und Unwählbaren)

  2. 2

    Ich habe zwar erst die ersten 40 Seiten gelesen, freue mich aber auf den Rest. Doch, ein netter Blick über die Schulter eines Kammervorsitzenden, dessen guten Ruf immer noch durch’s Kriminalgericht hallt.

  3. 3
    MaM says:

    Einen Föhrig hebt man nicht auf … wirklich ein sehr fähiger Richter.

  4. 4
    RA JM says:

    „aus ethischen Gründen ja-sagende “Gerichtsnutten” meiden“ – dafür braucht es anscheinend einen VRiLG, unsere Amtsrichter bevorzugen da doch eher willfährige Urteilsbegleiter. ;-(

  5. 5
    Martin_Overath says:

    Lesenswert ist besonders, wie offen und ehrlich pensionierte Richter (so auch Dr. Gehrke in Frankfurt am Main) über den Umgang und die Wertschätzung der Mitarbeit mit Schöffen berichten.

  6. 6
    Susanne says:

    Nett zu lesen, doch durchaus kritisch zu sehen. Der „Wegweiser zur zügigen Urteilsfindung“ liest sich wie eine Anleitung zur Arbeitsvermeidung. Demnach soll man sich durch eine allzu pingelige Haltung anderer Verfahrensbeteiligter nicht irritieren lassen. Das provoziere nur Fehler auf dem Weg zu revisionssicheren Urteil. Richter deren höchstes Ziel darin besteht, nicht aufgehoben zu werden, sind mir suspekt.

    Selbstverständlich ist es – weniger durch juristische Brillianz, sondern vielmehr durch Berufserfahrung und Taktik – möglich, Entscheidungen so zu verfassen, daß sie rechtlich betrachtet kaum angreifbar sind. Weniger ist mehr. Wer die Strafzumessung nur kurz begründet, macht weniger Fehler als der Kollege, der fünf Seiten zur Strafzumessung verfaßt. Wer Anträge ins Leere laufen läßt, mag revisionsrechtlich auf der sichereren Seite sein und hat früher Feierabend als der Kollege, der sich alles zu Herzen nimmt und versucht, noch abends um 22.00 Uhr Argumenten mit Argumenten zu begegnen.

    Das ist aus meiner Sicht aber keine weniger „trickreiche“ und unaufrichtige Berufsauffassung, wie der Autor sie manchen Verteidigern vorwirft. Bezeichnend ist, was Frau Generalbundesanwältin Harms im Vorwort sagt. Im 5. Senat des BGH habe das geflügelte Wort gegolten: „Föhrig wird nicht aufgehoben.“ Und zwar nicht „nur“ (aha!?), weil man ihn schätzte, sondern auch, weil seine Urteile revisionssicher waren. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung? Ist ein „revisionssicheres“ Urteil auch ein gutes und richtiges Urteil? 85% aller Urteile sind „revisionssicher“, aber zum Leidwesen von Staatsanwaltschaft oder Verteidigung deshalb nicht unbedingt „richtig“.

  7. 7
    Lurker says:

    Die Generalbundesanwältin und anscheinend auch diejenigen, die ihn aus der Praxis kennen, überschlagen sich mit Lob; ob es berechtigt ist, kann wohl nur beantworten, wer ihn erlebt hat.

    Sein Buch erweckt aber weniger den Eindruck eines brillianten Juristen als den des trickreichen Schlawieners, der trotz aller gegenteiliger Beteuerungen gesetzliche Vorgaben nur dann beachtet, wenn er dabei erwischt werden könnte.

    Mag sein, daß man damit sein Deputat schlank hält; auch ist seine Kritik an allzu praxisferner Arbeit sicher teilweise berechtigt – als die Handreichung für den Praktiker, als die das Werk gedacht ist, kann man es m.E. aber keinesfalls empfehlen. Zu weit entfernt er sich – sehenden Auges – von obergerichtlichen (verzeihlich!) und gesetzlichen (unverzeihlich!) Vorgaben; zu oft werden prozessuale Grundsätze auf dem Altar der schnellen Verfahrenserledigung geopfert.

    Richtig grauenvoll wird das Buch schließlich, soweit es verfassungsrechtliche Fragen anschneidet und sie – in der Regel – als heiße Luft verwirft. Während man viele Überlegungen zu strafprozessualen Vorschriften als zumindest vertretbar ansehen kann, häuft er hier Fehler über Fehler und läßt erkennen, daß er eben jene Grundsätze, über die er spottet, schlicht nicht verstanden hat.

    Derartige Mängel sind durch die Kennzeichnung als „Polemik“ nicht mehr zu rechtfertigen; vielleicht zeugt es von bemerkenswerter Selbsteinschätzung, daß der Autor bewußt das LG nie verlassen hat.

    Als launige Lektüre daher ebenso geeignet wie als Trickkiste für den an i.E. gehaltenen, prozessual aber nicht unbedingt sauberen Entscheidungen interessierten Praktiker – wer sich diesen Schuh anziehen will, möge es tun; dazu raten kann man m.E. jedoch nicht.