Die Wege der Staatsanwaltschaft

Ich begreif’s nach all den Jahren immer noch nicht.

Da wird am 9. Juni in der Hauptverhandlung nach 5 Terminen vor der Strafkammer über das Strafmaß gesprochen – nicht gedealt, nur erörtert. Gericht, Staatsanwalt und Verteidiger (und nebenbei auch die Angeklagte) sind sich einig. Der Staatsanwalt beantragt 90 Tagessätze, der Verteidiger schließt sich insoweit an und das Gericht verurteilt zu 90 Tagessätzen. Soweit, so gut.

Heute wird mir das Urteil zugestellt. Nebenbei teilt mir das Gericht mit, die Staatsanwaltschaft hat bereits in der Woche nach dem 9. Juni Revision eingelegt.

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Ja, hallo?! Was soll ich der Mandantin eigentlich erzählen, wenn sie mich fragt, ob da bei der Anklagebehörde noch alles in Ordnung ist?

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

12 Antworten auf Die Wege der Staatsanwaltschaft

  1. 1
    Tom Paris says:

    Ist wahrscheinlich ’ne Revision zugunsten des Angeklagten, weil Sie irrtümlich ein Verfahrenshindernis (nicht unterzeichneter EÖB?) übersehen haben.

  2. 2
    Peter says:

    Tippe auf interne ABM der StA.

  3. 3
    VRiLG says:

    Die Antwort an den Mandanten könnte lauten: „Die StA ist eine hierachische Behörde. Der Sitzungsvertreter entscheidet nicht allein, sondern ist an die Weisung seines Gruppen-, Abteilungs- und Behördenleiters gebunden. Es könnte sich auch um eine Vorsichtsmaßnahme der StA handeln, weil die Rechtsmittelfristen kurz sind, den Verteidigern zugetraut wird, dass sie Rechtsmittel einlegen, obwohl ihrem Antrag entsprochen wurde, und der Angeklagte in diesem Fall in der Revisionsinstanz volles Risiko laufen soll.

  4. 4

    @ VRiLG:

    Die Idee mit der Vorsichtsmaßnahmen und dem „vollen Risiko“ stehen (eigentlich) Ziffer 147 und 148 der RiStBV entgegen.

  5. 5
    ben says:

    Aber Herr Kollege,

    wie es in der Praxis mit den 147 und 148 RiStBV aussieht, haben Sie nach all den Jahren aber dann doch schon verstanden, gell? ;-)


      Das „(eigentlich)“ habe ich nicht ohne Ihren Hintergedanken in den Kommentar geschrieben, der hauptsächlich an den VRiLG gerichtet war, für den solche Vorschriften sicherlich eine Bedeutung hat. Daß Staatsanwälte die RiStBV kennen, bezweifele ich. crh
  6. 6

    Kostet ja auch kein Geld. Irgendwann nimmt die GeSta die Revision zurück und die Kostenfestsetzung gegen die Staatskasse wird mit der Begründung abgelehnt, daß der Verteidiger ja erst nach Eingang der Revisionsbegründung sich damit befassen mußte.
    Und der angstschlotternde Mandant darf – wie immer – auf des Verteidgers Rechnung beruhigt werden.
    Das wird sich erst ändern, wenn die Verteidigerkosten dieses vorsorglich eingelegten Rechtsmittels der Staatskasse aufgebrummt werden.
    Wie schrieb doch mal der VRiLG Dr. B. dem überaus honorigen OStA H. ins virtuelle Gesangsbuch: „Es ist ein Skandal, wie Sie in diesem Verfahren wertvolle Justizressorcen sinnlos verschleudert haben.“

  7. 7
    Storndorff says:

    Wahrscheinlich haben Sie als Verteidiger Ihren Job zu gut gemacht und die andere Seite hat das erst später kapiert … wissen Sie: lange Leitung – gaaaaanz laaaang. Und da muß natürlich zur Gesichtswahrung Rechtsmittel eingelegt werden – das passiert tausendmal in Deutschland.

  8. 8
    VRiLG says:

    @RA Carsten R. Hoenig: VRiLG macht schon seit 17 Jahren keine Strafsachen mehr.

  9. 9
    MadameLaStA says:

    Ich tippe mal auf folgenden Ablauf: Der Sitzungsvertreter war nicht der Dezernent, wie so oft,und letzerem hat das Ergebnis nicht gepasst. Der hat dann Revision eingelegt. Warum der Dezernent sich keinen Sitzungsvorbehalt auf die Akte geschrieben hat, wenn ihm denn die Sache so am Herzen liegt, weiß der Himmel.
    Erklären kann ich´s aber auch nicht, ich mach´s halt anders.

  10. 10

    @ MadameLaStA:

    Die unterschiedlichen Reaktionen von Dezernent und Sitzungsvertreter sind ein allfälliges Übel, das noch nicht einmal einen Blogeintrag wert wäre. Hier ist es tatsächlich der Dezernent gewesen, der die Sitzung vertreten hat.

    Der aber hat wohl noch eine ganze Reihe von Vorgesetzten, die auch noch ein Wörtchen mitzureden haben: StA GL, OStA, LOStA, GenStA, SenJus und wie sie alle heißen.

    Staatsanwälte sind eben auch nur weisungsgebundene Befehlsempfänger. So ein stückweit Unabhängigkeit in ihren Entscheidungen täte dem System sicherlich gut, wie das Beispiel hier zeigt.

  11. 11

    Was stand eigentlich dem allseitigen Rechtsmittelverzicht am Schluss der Hauptverhandlung entgegen?
    Ein Ref. kann es ja kaum gewesen sein, wenn es der Dezernet war, oder hatte besagter StA keine E… in der Hose?
    Spricht alles für meine Duckmäuser-Theorie.

  12. 12
    MadameLaStA says:

    @crh: Nicht zu vergessen den „Ersten Staatsanwalt“ bzw. „letzten Staatsanwalt vor der Autobahn“.
    Das ist in der Tat merkwürdig. Oder er traut Ihnen nicht und hat entgegen RiStBV…?
    Ich hab es ehrlich gesagt noch nie erlebt, dass sich mein Abteilungsleiter, der großen Wert auf seinen Stundenlohn legt, auch nur einen Hauch für das Ergebnis irgendwelcher Hauptverhandlungen interessiert hätte. Aber vielleicht ist das auch ein Einzelschicksal.