Feiertag

Der Mandant wurde in Berlin verhaftet. Der Haftbefehl stammt aus München und mußte dem Mandanten gestern vom Berliner Haftrichter verkündet werden.

Der Mandant hat ein wasserdicht erscheinendes Alibi: Sein Lehrer bestätigt, daß er zur Tatzeit, davor und danach in Berlin, aber nicht in München war. Seine Freundin auch. Sie sagt auch, daß er in den letzten 2 Jahren nicht in München war. Sogar die Wachtmeister glauben dem Mandanten, daß er nicht dort war.

Gestern war aber Feiertag in Bayern. Daher war dort weder der zuständige Staatsanwalt, noch der bayerische Haftrichter zu erreichen.

Deswegen entschied der Berliner Richter: Er bleibt drin, bis die Bayern entscheiden, was mit ihm passiert. Das wird frühestens im Laufe dieses Vormittags passieren.

Worst case: Die Bayern wollen ihn sehen. Dann wird er nach München verschubt. Das dauert locker eine Woche. Vor dem Amtsgericht München wird dann in spätestens 14 Tagen die Haftprüfung stattfinden. In der werden die Alibizeugen gehört. Die werden auch nach München anreisen müssen.

Variante: Die Münchener Justizangehörigen nehmen den Brückentag zum Anlaß, zum Gardasee zu fahren, und stehen erst Montag wieder im Dienst. Wenn der Mandant dann Glück hat, bleibt er solange in Berlin. Mit der Option auf den worst case danach.

Und das alles, weil jemand meint, den Mandanten auf einer Lichtbildvorlage wiedererkannt zu haben.

Dem Mandanten wurde vor 5 Jahren der Besitz von 5 Gramm Marihuana vorgeworfen, aber nicht nachgewiesen. Man hat damals eine erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt und seine Daten, Bilder und Fingerabdrücke gespeichert. Das war seinerzeit auch in Bayern. Diese Datensammlung fällt ihm nun auf die Füße.

Die Angehörigen des Mandanten wollten das alles nicht hören. Ich mußte es ihnen trotzdem erzählen. Es gibt schönere Momente im Leben eines Strafverteidigers.

Dieser Beitrag wurde unter Knast, Mandanten, Staatsanwaltschaft, Strafrecht, Verteidigung veröffentlicht.

4 Antworten auf Feiertag

  1. 1
    Trop says:

    Der Mann ist Schüler und wurde schon vor 5 Jahren beschuldigt im Besitz von Hasch zu sein?

    Und dass Berliner Richter nicht so entscheidungsfreudig sind und eher nur auf andere hören, kennt man doch… http://eu-haftbefehl.com/

    Anm.: Der „Schüler“ ist erwachsen; vor 5 Jahren war er Heranwachsender. crh

  2. 2
    Donnerkatze says:

    Man darf heut zu Tage halt leider nicht zu vertrauensseelig auf den Rechtsstaat bauen,
    bei der heutigen Daten-Sammel-Wut des Staates. :-(

    Wenn man dann keinen Verteidiger hat, der strikt darauf achtet, daß die „ed-Behandlung“ gemäß § 81b StPO 1.Alternative – !!! – und NICHT nach 2.Alternative behandelt werden.

    Dann sollten die Daten längst vernichtet sein.

    Soviel zur Theorie, aber bestimmt muß man da auch noch sehr aufpassen und nachhaken, daß die Daten dann auch WIRKLICH vernichtet wurden.
    Denn man weiß ja, daß der Staat, wenn er erst einmal Daten hat, sie nicht mehr so gern aus seinen Klauen läßt :-(

    Bei dem hier genannten Fall, hört sich das sehr nach 1.Alternative an und das bei 5 g, letzlich nicht nachgewiesen… das hätte automatisch, wenn man auf unsere Rechtssystem vertrauen könnte, bedeuten müssen, daß die Daten gelöscht wurden. Das ist doch unverhältnismäßig, wie ein Schwerverbrecher in einer entsprechenden Kartei gespeichert zu werden und nun solchen Repressalien ausgesetzt zu sein.

    Zumal man annehmen kann, daß der junge Mann sich innerhalb der letzten 5 Jahre bestimmt äußerlich verändert haben dürfte.

    Gruß
    Donner-GRUMMEL-Katze

  3. 3
    studiosus juris says:

    Und das alles, weil jemand meint, den Mandanten auf einer Lichtbildvorlage wiedererkannt zu haben.

    Nanu? Wie kommen denn die Zeugen an die Original-Lichtbildvorlage? Ich meinte mal gehört zu haben, dass bei Lichtbildvorlagen nur das Foto des Verdächtigen „echt“ sein darf, die anderen Vergleichfotos sind computeranimiert. Die Aufnahme „ehemaliger“ Verdächtiger/Beschuldigter/Angeklagter verstieße gegen das APR. Liege ich falsch?

  4. 4

    […] ging um den Münchener Haftbefehl, der hier in Berlin vollstreckt wurde. Der Kollege, der seinerzeit von der Mutter meines Mandanten […]