Fremdschämen

Der Mandant war im März nicht zu „seinem“ Termin erschienen. Obwohl er ordnungsgemäß geladen war. Eine Entschuldigung dafür (außer: Ich habe keinen Bock auf Gericht!) hatte er nicht. Sowas finden Richter und Staatsanwalt eher unwitzig. Deswegen gab es einen Haftbefehl. Grundlage für dafür ist der wenig erfreuliche § 230 II StPO.

Natürlich gelingt es dem Mandanten nicht, sich nach Südamerika abzusetzen. Er wird verhaftet. Im Mai und zwar zuhause in seiner Wohnung. Seitdem sitzt er und wartet auf seinen neuen Termin.

Der fand dann gestern statt. Allerdings sind bei der Vorbereitung des Termins Sachen gelaufen, die zum Platzen des Termins und zur Aussetzung des Verfahrens geführt haben. Dafür konnte der Mandant aber nichts. Also wird irgendwann in ein paar Wochen oder Monaten ein neuer Termin festgesetzt.

Wohl wissend und vor dem Hintergrund einschlägiger Erfahrung, daß es nicht überall und jedem bekannt ist, habe ich beantragt: Das Gericht möge klarstellend feststellen, daß der alte Haftbefehl vom März jetzt nicht mehr gilt. Mit der Abschrift eines solchen Beschlusses kann man nämlich uninformierte Polizeibeamte durchaus mal überzeugen, daß das, was im Computer steht, nicht mehr aktuell ist.

Wenn ein Verteidiger einen Antrag stellt, muß das Gericht natürlich auch die Staatsanwaltschaft dazu angehören. Die war anwesend in Form einer Staatsanwältin mit einem Referendaren im Schlepptau. Und der mußte wohl lernen, daß man Anträgen des Verteidigers per se mit einem Ablehnungsantrag begegnen muß.

Jedenfalls beantragte die Staatsanwältin im Brustton ihre vollsten Überzeugung, den Antrag des Verteidigers abzulehnen und die Haftfortdauer anzuordnen.

Daß es dafür keine, aber auch überhaupt keine Rechtsgrundlage gibt, hat ihr der Richter dann in einfachen Worten verständlich erklärt. Ich weiß jetzt, was „Fremdschämen“ ist; das war selbst mir peinlich.

Der Referendar mag keine Ausbilderinnen, die mit hochrotem Kopf ihre Sachen zusammen packen. Er freut sich auf seine Station beim Strafverteidiger, teilte er mir beim Rausgehen mit.

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

8 Antworten auf Fremdschämen

  1. 1
    Trop says:

    „Kein Bock auf Gericht“ ist kein Grund für eine Haftfortdauer?

    Schade

  2. 2
    doppelfish says:

    Ah, die Kanzlei bekommt bald einen neuen Mitarbeiter? ;)

  3. 3

    @ Trop:
    Sie sollten vorsichtig sein mit Kritik an etwas, das Sie nicht verstanden haben.

    @ doppelfish:
    Referendare sind keine Mitarbeiter. Sie arbeiten nicht mit, sondern machen nur Arbeit. ;-)

  4. 4
    Peter says:

    ich glaube auch, dass die Haft die Grundhaltung „ich habe keinen Bock auf Gericht“ nicht signifikant zum Positiven (aus Sicht des Staates) geändert hat.
    Insofern würde ich die Haftfortdauer bejahen (auch wenn es keine Rechtsgrundlage dafür gibt). Aber ich bin ja auch nicht der Vorsitzende.

  5. 5
    RA JM says:

    Tja, mal wieder eine „…in“. ;-)

  6. 6
    fernetpunker says:

    War der Mandant schon Mandant, als er nicht zum Termin erschien? Ich hoffe mal nicht …

  7. 7

    @ fernetpunker:

    Nein, sie haben richtig gehofft. ;-)

  8. 8
    rodpython says:

    @RA Carsten R. Hoenig: Tja schade, ich hatte ernsthaft erwogen, mich bei Ihnen um eine Stelle für die Wahlstation zu bewerben, aber wenn Sie Referendare als lästig empfinden…(bin übrigens NICHT der Referendar aus der Verhandlung). ;-)