Freund und Helfer mit Augenmaß

Dem Mandanten wird eine sexuelle Nötigung vorgeworfen. Ich habe für ihn den Vernehmungstermin bei der Polizei abgesagt und um Akteneinsicht gebeten. Wir warten nun auf die Akte.

Die Zwischenzeit nutzte der Mandant für die Verwirklichung seiner eigenen Vorstellungen von einer Verteidigung, eben so, wie er sie für richtig hielt.

Genau darüber informierte mich heute der Polizeibeamte, der die Ermittlungen leitet. Die Geschädigte hätte ihn soeben angerufen und mitgeteilt, dass der Mandant versucht haben soll, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Sie solle ihm gegenüber schriftlich bestätigen, dass an der Sache gar nichts daran sei.

Ich habe darauf hin einen Brief an den Mandanten geschrieben. Auf knallrotem Papier erteilte ich ihm eine ausführliche Belehrung über den Haftgrund der Verdunklungsgefahr (§ 112 II 3 b StPO).

Es gibt Polizeibeamte, die verstehen ihr Handwerk und arbeiten mit Augenmaß. Ich hätte noch nicht einmal meckern können, wenn er diese Information – statt an mich – an die Staatsanwaltschaft weiter gegeben hätte. Die hätte dann sofort den Antrag auf Erlaß eines Haftbefehls stellen können.

So konnte ich den Mandanten noch einmal warnen. Hoffentlich fruchtet es …

Dieser Beitrag wurde unter Mandanten, Polizei veröffentlicht.

13 Antworten auf Freund und Helfer mit Augenmaß

  1. 1
    Kampfschmuser says:

    Wenn er das knallrote Papier zum zweiten Mal sieht, ist Schicht im Schacht.

  2. 2
    Lurker says:

    Was bitte hat „mit der Geschädigten über die Sache reden“ mit „Verdunkelungsgefahr“ zu tun? Daß diesen Fehler die StA ganz gerne mal macht – OK. Aber ein Strafverteidiger? Entweder fehlen hier massive Sachverhaltsangaben (Stichwort „unlauter“), oder ich verstehe das Problem und v.a. die Verteidigerreaktion nicht.

      Letzteres ist zutreffend. Kennen Sie Herrn Nuhr? crh
  3. 3
    Mone says:

    @Lurker, der Text geht nach “mit der Geschädigten über die Sache reden” ja noch weiter:
    „Sie [die Geschädigte] solle ihm [dem Mandanten] gegenüber schriftlich bestätigen, dass an der Sache gar nichts daran sei.“
    Auch als absoluter Rechtslaie möchte ich das als „in unlauterer Weise einwirken“ bezeichnen.

  4. 4
    Das Ich says:

    Alle Beteiligten ab nach Guantanamo!!!
    Seien sie froh, dass der Mandant seine Forderung nicht noch mit ein paar Schlägen garniert hat…

  5. 5
    Lurker says:

    @Mone:

    Dann handelt die Polizei also ebenfalls unlauter, wenn sie Protokolle einer Vernehmung anfertigt und sich unterschreiben läßt? Und erst Recht der Verteidiger, der mit dem Opfer spricht und sich darüber Notizen macht?

  6. 6
    Lexus says:

    @Lurker

    Ist es wirklich so schwer zu verstehen, dass es vielleicht unangemessen ist, ganz besönders bei einer sexuellen NÖTIGUNG, dass der Beschuldigte das vermeindliche Opfer zur Rücknahme der Anzeige NÖTIGT?

    Denn wer 1×1 zusammenzählt, der kommt ja schnell drauf, dass aus einer „Bitte die Anzeige zurückzuziehen“ ganz schnell ein „Drohen mit einem empfindlichen Übel“ werden kann… Selbst wenn der Mandat dies nicht getan hätte, so entsteht ja zumindest der Verdacht, dass die „Bitte“ einer „Drohung“ nachkam (Sonst hätte das vermeindliche Opfer ja vermutlich auch nicht die Polizei gerufen)

  7. 7
    Lurker says:

    @Lexus:

    Ändert das irgendetwas daran, daß der beschriebene Sachverhalt kein Wort über eine Nötigung zu der Erklärung enthält und sich eine solche auch nicht einfach unter Verweis auf das vorgeworfene (!) Delikt herbeiphantasieren läßt?

    Eben.

  8. 8
    Pascal Rosenberg says:

    @Lurker:

    Ja, denn selbst dem rechtsunkundigen, jedoch aufmerksamen Leser erschließt sich, dass die Geschädigte sich zur Rücknahme der in ihren Augen gerechtfertigten Anzeige genötigt sah. Dies wollte sie nicht so hinnehmen und hat von dem Vorfall (Gespräch mit dem Mandanten) die Polizei unterrichtet.

    Wenn der Polizist das nun so der StA erzählt, dann wird die sich denken: Okay, wir haben eine Anzeige wegen einer Straftat. Der Beteiligte zu 1 (Angeklagter) hat nach der Anzeige die Beteiligte zu 2 (Klägerin) zur Rücknahme der Vorwürfe aufgefordert. Dem kam sie nicht nach.

    Bevor er das jetzt noch mal probiert und die Beteiligte zu 2 also dazu bringt, das zurückzunehmen was sie gesagt hat und wir somit nicht mehr prüfen können ob das ganze wahr ist oder nicht, werden wir den lieber mal mit gewissen Mitteln (Haft) von der Beteiligten zu 2 fernhalten, damit er sie zukünftig nicht mehr „bitten“ kann.

    Jetzt verstanden? Und das wird in einer solchen Konstellation (sexuelle Nötigung angezeigt + Angezeigter wirkt danach irgendwie auf das vermeintliche Opfer ein) jeder Staatsanwalt so erst mal annehmen und fromm und frei einen Zettel beim Richter beantragen, der die Farbe hat, die Herr Hoenig benutzt hat. Nur dass da dann was anderes draufsteht.

    Und glauben Sie mir, der Staatsanwalt wird genauso denken und genau das tun. Deshalb ist die Reaktion des Herrn Hoenig für seinen Mandanten gut, bewahrt sie ihn (den Mandanten) nämlich, sofern er sich an die Ratschläge hält, vor einem eventuellen Vorab-Aufenthalt auf Staatskosten in einem Staatshotel.

    ;)

  9. 9

    @Lurker #7, für U-Haft braucht man nicht rechtskräftig verurteilt zu sein, egal wegen welchen Deliktes. Da der Mandant von CRH aber nicht in U-Haft will, sollte er Verdunklungsaktionen wie die genannte unterlassen. Da muss kein Delikt verwirklicht worden zu sein. Jetzt kapiert?

  10. 10
    Lurker says:

    @Pascal Rosenberg, Fernetpunker:

    Das ist leider – so – falsch.

    Daß der Verdächtige mit dem Opfer Kontakt aufnehmen darf, ergibt sich – spätestens – aus der Möglichkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs; zumindest aber aus der Formulierung der Verdunkelungsgefahr. Eine Konfrontation mit dem Anzeigeerstatter ist eben an sich nicht unlauter, sondern schlicht legitimes Verteidigungsverhalten.

    Die Tatsache, daß das Opfer deswegen die Polizei anruft, ändert hieran erst einmal gar nichts; der geschilderte Sachverhalt offenbart gerade kein „unlauteres“ Verhalten des Verdächtigen.

    Daß ein Verteidiger mit Hinweis auf übereifrige Staatsanwälte vorsorglich von eigenmächtigen Aktionen dieser Art abrät, ist die eine Sache – dem Verdächtigen aber mit roten Zetteln seitens des Verteidigers legitimes (wenn auch u.U. nicht kluges) Verteidigungsverhalten madig zu machen, eine andere.

  11. 11
    Simon says:

    Lurker: Die Entscheidung über den Haftgrund der Verdunklungsgefahr ist eine Prognoseentscheidung und erfolgt daher aus einem gewissen Bauchgefühl heraus; welches Bauchgefühl ein Staatsanwalt oder ein Ermittlungsrichter hat kann man kaum vorhersehen. Schon deswegen ist es mehr als sinnvoll, als Täter zum Opfer einer Tat so weit als möglich völligen Abstand zu wahren.

    Das gilt noch umso mehr in einer Situation, wo der Täter bereits einmal mit Gewalt oder Drohungen auf das Opfer eingewirkt hat, um dadurch eine Handlung oder Duldung zu erreichen. Hinzu kommen möglicherweise noch weitere Gefahr-Indizien, z.B. dass die Geschädigte die einzige Belastungszeugin ist (wie typisch für dieses Delikt). Ein weiteres Motiv für einen solchen Haftantrag ist – auch wenn das natürlich nicht in der Begründung stehen würde – ein gewisser „Beschützerinstinkt“ gegenüber dem Opfer, dem verständlicherweise weiterer Kontakt mit dem Täter erspart werden soll.

    Insofern mögen Sie mit Ihren juristischen Argumenten Recht haben (finde ich zwar nicht, und kann man m.E. ohnehin nicht losgelöst vom Einzelfall beurteilen), es ist jedenfalls aus Sicht der Praxis richtig.

  12. 12
    skugga says:

    @ Lurker: Verzeihung – aber in dem Zusammenhang mit dem Täter-Opfer-Ausgleich anzukommen, ist… albern.

  13. 13
    Lurker says:

    @Simon:

    Dann möge sich der anwaltliche Zorn doch am Ermittlungsrichter entladen, der seine Entscheidung auf Bauchgefühl statt auf die StPO stützt. Denn in diesem Fall wäre das – wie sie selbst ausführen – zunächst erst einmal eine reine Konzessionsentscheidung ohne Anhalt im Gesetz. Anders selbstverständlich, wenn weitere Indizien hinzutreten – die sind hier jedoch zumindest nicht dargelegt.

    Daß ansonsten nichts gegen eine Warnung spricht, räume ich ein – das ist letztendlich jedoch eine Frage der Form. M.E. hat der Mandant hier nämlich eigentlich keinen Fehler gemacht; da er letztendlich aber am kürzeren Hebel sitzt, kann man ihm dennoch zum leisetreten raten.

    @skugga:

    Ich gehe nicht davon aus, daß die Kontaktaufnahme des Täters dem Täter-Opfer-Ausgleich dienen sollte – die Vorschrift zeigt nur, daß eine Kontaktaufnahme mit dem Opfer an sich keinen Haftgrund bilden kann.