Fristen gibt’s, um ausgenutzt zu werden

Ich hatte Akteneinsicht beantragt und um Übersendung der Akten an unsere Kanzlei gebeten. Der Richter schreibt mir zurück:

wird Ihnen auf Ihren Antrag vom 21.01.2009 Akteneinsicht durch Mitnahme der Akten in Ihre Kanzleiräume für drei Tage bewilligt. Die Akten können – nach vorheriger telefonsioher Terminabsprache auf der Geschäftsstelle der Abt. 123 Raum X 123 , Tel. 030-9014 1234 abgeholt werden. Ein Rechtsanspruch auf Aktenübersendung besteht nicht. Eine eventuelle Einlassung bitte ich bis spätestens 28.02.3009 abzugeben.

Übersetzt heißt das: Verteidiger, hol Dir das verdammte Zeug die Akten doch gefälligst selbst hier ab!

Gibt es jetzt noch einen Grund, warum ich der Bitte des Richters entsprechen soll, ihm eine Verteidigungsschrift mit den Beweis-Anträgen so rechtzeitig zukommen zu lassen, daß er die Hauptverhandlung entsprechend vorbereiten kann?

Oder warte ich damit bis zum 28.02.3009. (Auch weil das dem Mandanten nicht schadet und er nichts dagegen hat, wenn sich das mit der Verurteilung noch etwas hinzieht.)

(Anmerkung: Nein, ich habe mich hier nicht im Jahr vertippt!)

Dieser Beitrag wurde unter Richter, Strafrecht, Verteidigung veröffentlicht.

27 Antworten auf Fristen gibt’s, um ausgenutzt zu werden

  1. 1
    Johnny says:

    Wieder mal so ein Fall, in dem der Verteidiger sich selbst zu wichtig nimmt und aus gekränktem Ego einen Kleinkrieg mit dem Gericht beginnt – auf Risiko des Mandanten, falls der Richter sich davon bei der Bemessung der Strafhöhe beeindrucken lässt (was sicher ebenfalls nicht richtig wäre, aber zugleich auch nicht unrealistisch).

  2. 2
    Werner D says:

    Ich finde die meisten Verteidiger auch blöd, aber welchen Grund gibt es denn, dass er sich die Akten abholen soll? Da bricht sich ein Richter ja nun auch nichts ab das Zeug zu verschicken. Das ist doch Schikane von beiden Seiten.

    Aber so sind die beiden wenigstens weg von der Straße und machen keinen Unsinn, wenn sie sich gegenseitig ärgern.

  3. 3

    @ Jonny:

    Das hat nix mit meinem Ego zu tun, sondern ist schlicht eine Kostenfrage. Wer, glauben Sie, trägt die Kosten dafür, wenn ich oder eine unserer Mitarbeiterinnen die Akte abholt? Sie sollten etwas weiter denken als von der Tapete bis zur Wand.

    @ Werner D.:

    Ich finde die meisten Verteidiger auch blöd.

    Na, hoffentlich werden Sie nie einen brauchen.

  4. 4
    ballmann says:

    so lange Briefe schreibt Ihnen der Richter ?

    bei mir heisst das: AE für RA H. für 3 Tage

    Den Rest macht die Geschäftsstelle. Die Akten können dort abgeholt werden. Eine ReNo kommt doch „sowieso“ einmal am Tage zwecks der Leerung des Gerichtsfachs vorbei

  5. 5
    ballmann says:

    ach ja, fällt mir jetzt erst ein:
    Sollte Ihr Mandant verurteilt werden und die Kosten zu tragen haben, werden die Portokosten für die Aktenversendung natürlich dazugerechnet

  6. 6
    RA JM says:

    @ johnny: Nicht zuletzt für solche Kommentare habe ich diesen Link archiviert.

    Hier ist noch einer, für die, die nicht lesen können. crh

  7. 7

    @ ballmann:

    In Berlin gibt es diesen Brauch mit Gerichtsfächern nicht (jdf. nicht am Kriminalgericht).

    Und „mal eben“ eine Akte auf der Geschäftsstelle holen, weil man sowieso in Moabit ist, geht auch nicht. Das Kriminalgericht beinhaltet eine Menge an Strafjuristen, die europaweit den größten Haufen ausmacht. Hier gibt es keine kurzen „Mal-eben-Wege“. Außerdem habe ich Besseres zu tun, als durch dunkle Gerichtsflure zu schlurfen.

    Die Aktenübersendungspauschale beträgt 12 Euro. Die bezahlt der Mandant sowieso. Eine Mitarbeiterin zum Gericht zu schicken, ist teurer.

    Außerdem ist eine Fachkraft genauso wenig ein Akten-Bote wie ein Anwalt (oder Richter). Wenn die Justiz ihren Laden auf einem aktuellen Stand halten und führen würde, stellte die Akteneinsicht kein Problem dar: Ein, zwei Mausklicks und gut is (das Thema hatten wir ja schon ‚mal :-) ).

    Ich unterhalte hier teure Technik, die Justiz spart an Allem. Und jetzt soll ich auch noch den Laufburschen für solche [censored] Richter geben?!

    Solche Leute muß man sich erziehen. Immer dann, wenn es das Mandat erlaubt. Sonst wird man zum Tanzbären, der am Nasenring durch die Manege geführt wird.

  8. 8
    ballmann says:

    „Und jetzt soll ich auch noch den Laufburschen für solche [censored] Richter geben?!

    Solche Leute muß man sich erziehen.“

    bin anwalts-erziehungsresistent

  9. 9
    egal says:

    Wie teuer wäre denn ein Kurierdienst?

  10. 10

    @egal:
    Geht nicht, der bekommt die Akte nicht ausgehändigt.

    @ballmann:
    Ich bin Siegener, stur. Das bekommen wir schon hin, alles eine Frage der Zeit. ;-)

  11. 11
    ballmann says:

    @ CRH
    wird Zeit für das Bier

  12. 12

    Wie Sie mich erreichen können, erfahren Sie hier. Sie zu ermitteln erreichen, ist mir zu teuer. ;-)

  13. 13
    doppelfish says:

    Und der Files-on-Wheels-Flitzer kann das auch nicht?

  14. 14
    RA says:

    Solch ein Verhalten des Richters kann ich schlichtweg nicht nachvollziehen. Wozu das Leben so schwer machen? Es macht doch jeder nur seinen Job.

    Ich versuche immer Verständnis für die Belange der gegenseite zu haben, erwarte dies im Gegenzug dann aber auch von Polizei, Sta und Gericht.

    Aber dieses Beispiel zeigt wieder, dass Richter und Staatsanwälte meist keinerlei Verständnis dafür haben, dass ein Anwalt auch wirtschaftlich arbeiten muss.

  15. 15
    RA Anders says:

    Mußten Sie schon eine Originalvollmacht zu den Akten reichen?
    Oder ist der zweite Streitpunkt schon vorprogramiert?
    Oder noch viel besser, haben Sie den Richter schon erzogen?

  16. 16
    Bernd says:

    Vermutlich wurde der Richter mit der Originalvollmacht in irgendeinem anderen Verfahren schon „erzogen“. Nun wird der RA erzogen durch dunkle Flure zu schlurfen. Alles eine Frage von Geben und Nehmen.

  17. 17

    @ RA Anders:
    Wenn Sie hier ein bisschen aufgepaßt und mitgearbeitet hätten, wäre Ihnen bestimmt aufgefallen, daß das Thema Vollmacht hier kein Thema mehr ist. Ich bekomme die Akte, der Richter verlangt von mir keine Vollmacht.

    Insoweit liegen Sie mit Ihrer zweiten Vermutung richtig. Wenigsten etwas, nicht?

  18. 18

    @ Bernd:
    Wenn das wirklich die Motivation des Richters wäre (was es ganz sicher nicht ist, ich weiß es), dann würde es dies beim nächsten Mal sicherlich nicht mehr machen.

    So eine geplatzte Hauptverhandlung, die den gesamten Terminsplan durcheinanderbringt, kann einem Richter nachdrücklich den Tag versauen.

    Auf jedes Töpfchen paßt ein Deckelchen. :-)

  19. 19
    Bernd says:

    @ crh
    Sollte ein verärgerter Richter bei der Urteilsfindung, sowie der Strafbeimessung ein Vorteil sein? Wohl eher nicht.

  20. 20

    Wenn Sie in Ihrer eigenen Strafsache lieber auf einen weichgespülten Verteidiger setzen wollen, dann bin ich nicht der Richtige für Sie.

  21. 21
    ballmann says:

    @ Bernd
    Der Angeklagte wird für sein Verhalten, nicht für das seines Verteidigers bestraft
    @ CRH
    Wenn Sie bei mir in der Verhandlung sind, sag ich Bescheid – hinterher

  22. 22
    Bernd says:

    @ ballmann
    So „sollte“ es sein. Aber auch Richter sind nur Menschen. ;)

  23. 23
    Klabautermann says:

    Wahrscheinlich ist der Richter des vorliegenden Falles früher schonmal Opfer eines der berüchtigten Erziehungsversuche unseres Helden (crh) geworden und revanchiert sich jetzt … und auf den nächsten wieder … undsoweiter ad infinitum.

    Das ist doch juristisches Halbstarkengetue, auf beiden Seiten gleichschlimm.

  24. 24
    gb says:

    um mal auf das ‚3009‘ (zurueck) zu kommen – ist sowas ‚amtlich‘, oder kann der Richter sich da mit „Irrtum, doch 2009“ herausreden, wenn man ihn im Maerz 2009 darauf hinweist (nachdem er „nee, sie sollten doch bis 28.2. antworten“ argumentierte)?

  25. 25
    Rolf Schälike says:

    Das Versenden der Akten an die Anwälte beinhaltet so einige Aspekte:

    – absolutes Vertrauen den Anwälten gegenüber, dass nichts verschwindet, nichts manipuliert wird; es wird vorausgesetzt, dass alle Anwälte koscher sind;

    – das zusätzliche Risiko, dass die Akten auf dem Postweg verschwinden, tragen die Mandanten.

    Hier wird über Kosten diskutiert. Dann dürften doch die Kosten optimierenden Anwälte sich vereinigen und einen bevollmächtigten Vertreter beauftragen, die Akten abzuholen und bei Gericht der Post übergeben. Ob dann die 12,00 Euro reichen würden?

    So lange der Staat mit diesen 12,00 auskommen muss, können große Töne gegen praktisch denkende und handelnde Richter bzw. Rechtspfleger geschwungen werden.

    Die Diskussion bezüglich der Übersendung der Akten birgt Sprengstoff und ist ein Indiz für wesentlich größere Mängel unseres verstaubten mittelalterlichen Rechtssystems.

  26. 26
    RA says:

    gegen die 12 Euro hat ja hier auch niemand etwas gesagt. Die zahle ich bzw. der Mandant ja gerne. Es geht um die Übersendung generell.

    Wenn die Sta bzw. das Gericht Doppel anlegen würde, wozu es ja eigentlich gehalten ist, dann würde es auch nichts machen, wenn mal eine Akte verschwindet. Ich kenne es aber eher andersrum, die Akten verschwinden bei Gericht.

  27. 27
    Rockafella says:

    Das Jahr 3009 ist ja noch hin…