Zusammen mit der gesetzlichen Regelung der Verständigung im Strafverfahren (§ 257c StPO) hat der Gesetzgeber ein paar weitere Rechtsnormen erlassen, die diese Regelung begleiten bzw. deren Umsetzung vorbereiten sollen. Dazu gehört auch der neue § 202a StPO.
Davon habe ich nun erstmalig in einer Umfangstrafsache Gebrauch gemacht. Ich wollte bereits vor Eröffnung der Hauptverhandlung mit allen anderen Verfahrensbeteiligten reden. Auch über den möglichen § 31 BtMG, um zu verhindern, daß es hier – trotz der neuen Regelung des § 46b Abs. 3 StGB – doch noch zu einem „Wettrennen“ zwischen den Angeschuldigten kommt.
Auch ist es ganz interessant zu wissen, was sich die Staatsanwaltschaft für den Fall vorstellt, daß sich die Anklagevorwürfe bestätigen sollten. § 202a StPO schreibt dann vor, daß diese Vorstellung ins Protokoll kommt, so daß es im weiteren Verlauf des Verfahrens für den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft schwieriger werden dürfte, plötzlich auf ganz neue Gedanken zu kommen.
Auch im übrigen halte ich es für sinnvoll (nicht nur, weil es modern ist), wenn Richter, Staatsanwalt und Verteidiger miteinander reden, statt sich in der Hauptverhandlung eine Show für die Galerie zu liefern.
Die Erste Strafkammer des Landgerichts Berlin hat sich wohl meinen Gedanken angeschlossen und zum Gespräch geladen.
Angesichts der Tatvorwürfe wird diese neue Regelung hier eine ganz besondere Bedeutung bekommen. Ich bin gespannt.
Es wird den Zivilisten immer ein Rätsel bleiben, was die Strafjuristen hindert, _in der Hauptverhandlung_ offen miteinander zu reden. Zwar gibt die StPO einen festen Rahmen auch für den Ablauf vor, nirgendwo steht aber nach meiner Kenntnis, dass ein Rechtsgespräch untersagt sei.
Rechtsgespräche währen der HV gehören in der Regel bereits zum Standard – jedenfalls an den meisten Straf-Gerichten, die ich von innen kenne. Auch ist es vielerorten üblich, unmittelbar vor Aufruf der Sache miteinander zu sprechen.
Wenn es sich allerdings um eine umfangreichere Sache handelt, mit mehreren Angeklagten, die vielleicht sogar jeweils mehrere Verteidiger haben, dann wird das schon schwieriger – jedenfalls vor Beginn.
Rechtsgespräche im Zwischenverfahren hingegen, die dann auch noch eine gewisse Form bekommen, waren bislang eher die Ausnahme. Und gerade vor dem Hintergrund, daß das Zwischenverfahren durch den Eröffnungsbeschluß beendet und damit die Tür z.B. für § 31 BtMG zugeschlagen wird, erscheint die neue Regel des 202a sehr nützlich – für alle Beteiligten.
Und überhaupt: Was im Strafprozeß nicht untersagt ist, wird von der Verteidigung auch genutzt – solange des dem Mandanten nützt.
Kooperation liegt im Trend, auch mit der Polizei:
http://www.frag-einen-anwalt.de » Strafrecht » 2x Ebaybetrug + Amokandrohung
Wenn ich das richtig lese, hat der Richter nicht zum Gespräch „geladen“, sondern „eingeladen“. Muss man (hier: insb. die StA) dieser „Einladung“ folgen? Dem § 202a kann ich das unmittelbar nicht entnehmen.
@ Marco:
Wenn der StA nicht kommt, nehme ich ein Versäumnisurteil.
Ernsthaft: Ich nehme an, daß es demnächst ein update in der RiStBV geben wird. Bis dahin wird der StA der Bitte des Gerichts wohl aus Höflichkeitsgründen folgen.
Ah, OK, das macht natürlich Sinn.
Und Versäumnisurteil wäre mal was anderes…
Ich habe derlei Gespräche im Zwischenverfahren auch schon geführt und habe auch gar nichts dagegen, meist ist das ja gut und richtig.
Es gibt aber schon Verfahren, bei denen nur ich zur Sitzungsvertretung eingeteilt bin und sonst keine Ahnung von der Sache habe, und bei denen ich mich sehr schwer tue, mir ohne persönlichen Eindruck vom Angeklagten und den Zeugen eine Meinung zu bilden.
Ich befürchte ein bisschen, dass da Druck aufgebaut wird, welcher der Sache nicht gut tut.
[…] hat die von mir angeregte Erörterung nach § 202 a StPO stattgefunden. Der Staatsanwalt ist der Bitte des Vorsitzenden nur mit Murren […]