Geladen

In der Beweisaufnahme vor einem Brandenburger Amtsgericht stellte sich heraus, daß ein Ehepaar als Zeugen benötigt wurden. Der Vorsitzende verfügte die Ladung des Herrn Ehemann und die Ladung der Frau Ehefrau. Die Geschäftsstelle erledigte die Verfügung und die beiden Ladungen gingen in den Postlauf des Gerichts. Richter und Geschäftsstellenmitarbeiterin versicherten glaubhaft, daß der Job erledigt war.

Zum Termin erschienen war die Ehefrau, nicht aber der Ehemann. Die Ehefrau wunderte sich, daß nur sie geladen war, aber nicht ihr Ehemann. Der habe keine Ladung erhalten und sich deswegen auch nicht frei nehmen können. Sie wiederum hatte einen Tag Urlaub genommen und den Weg von knapp 100 km hinter sich gebracht.

Ihre Vernehmung machte jedoch keinen Sinn, wenn man den Ehemann nicht vorher vernommen hat. Also: In zwei Wochen darf muß die Ehefrau noch einmal kommen, und: Sie soll ihren Ehemann mitbringen. Auch wenn ihm die neue Ladung wieder nicht zugehen sollte.

Das Gericht kommentierte das Ganze: Der Postlauf im Gericht sei in dem letzten halben Jahr schon mehrfach durch Unzuverlässigkeit aufgefallen. Es sei nicht das erste Mal, daß Ladungen und sonstige Zustellungen nicht oder zu spät beim Empfänger ankamen.

Ja, meine Güte; warum behebt man den Fehler eigentlich nicht, wenn man ihn seit 6 Monaten kennt?!

Dieser Beitrag wurde unter Gericht veröffentlicht.

16 Antworten auf Geladen

  1. 1
    doppelfish says:

    Die haben sich wohl am AG Tiergarten orientiert. Obwohl, deren Ladung erreichte mich sechs Tage vor dem Termin. Gefertigt worden war sie mehr als einen Monat vorher. Die Abladung kam schneller, nur fünf Tage nach dem Termin.

  2. 2
    ballmann says:

    Es gibt ihn nicht mehr, den Beruf des verbeamteten Briefträgers der Deutschen Bundespost.

    Den „Job“ machen nun schlechtbezahlte, häufig unmotivierte Menschen im Akkord, sowohl bei der Post AG als auch bei den anderen Anbietern.

    Darunter leidet die Qualität. Der Fehler liegt im System

  3. 3
    Staatsanwalt says:

    Wie soll welcher Fehler behoben werden?

    Die letzte – mit derzeitigen personellen und technichen Mitteln machbare – Postausgangskontrolle findet auf der Geschäftsstelle statt.

    Dass die Wachtmeisterei beim Transport der Schreiben und dem Frankieren Post verschlampt wäre angesichts des Arbeitsablaufs dort ungewöhnlich.

    M.E. sind die Hauptfehlerquellen (neben dem Dezernenten natürlich:) ) entweder die Geschäftsstelle die Ladungen nicht oder verspätet ausführt oder die diversen von der Justiz beauftragten Zusteller die in den letzten Jahren alle nicht mit Zuverlässigkeit glänzten.

    Letzteres müsste allerdings auch ein Anwalt aus seiner Praxis bestätigen können. Oder arbeiten die Zusteller in Berlin zuverlässiger als in NRW?

  4. 4
    RA says:

    mir fällt das leider auch in letzter zeit immer häufiger auf, dass die gerichte zunehmend schlampiger werden.

    in zivilsachen werden schriftsätze nicht mehr zugestellt, oder nur sporadisch.

    ab und an sind hinter die richtigen schriftsätze, schriftsätze geheftet, die zu einer völlig anderen sache gehören.

    kürzlich bekam ein mandant in einer strafsache an mich adressierte schriftstücke mit eb…und das auch noch zweimal…

    sicher, jedem können fehler passieren. allerdings passieren die an manchen gerichten öfter als an anderen.

    was mich nur daran ärgert ist die tatsache, dass für gerichte und anwälte unterschiedliche maßstäbe angelegt werden.

  5. 5

    Wie soll welcher Fehler behoben werden?

    Wenn wir in unserer Kanzlei ein Problem erkennen, dann suchen wir nach Lösungen – und zwar sofort und jetzt – und warten nicht darauf, daß sich irgend jemand anderes darum kümmert.

    Sechs lange Monate wie ein Kaninchen auf die Schlange zu starren und zu warten, daß sich das Problem von selbst löst, scheint mir symptomatisch für den öffentlichen Dienst zu sein.

    „Dafür bin ich nicht zuständig!“ Was glauben Sie, sehr geehrter Herr Staatsanwalt, wie oft ich mir das schon anhören mußte? An diesem Ausspruch sind ganze Staaten und Wirtschaftssysteme zugrunde gegangen.

  6. 6
    knilch says:

    Wenn es überall so zugeht wie im Sozialgericht Berlin:

    wundert es mich nicht.
    Wer sich ein wenig mit dem Stellenplan beim Berliner Senat auskennt, weiß, dass zusätzliches Personal nicht eingestellt wird.
    Ich frage mich aber, warum auf das sogenannte Überhangpersonal nicht zurückgegriffen wird.
    Vermutlich lässt sich so die Meinung des Herrn Ballmann auch auf die von Ihnen angesprochene Situation übertragen.

  7. 7
    Kenner says:

    Heutzutage beauftragt man in der Verwaltung für einfache Problemlösungen Roland Berger und Co. Falls kein Geld für externe Berater vorhanden ist, bleibt alles so, wie es ist.

  8. 8
    knilch says:

    @Kenner

    Man(n) kann es auch Outsourcing nennen.
    Ob es damit auch in Zukunft besser läuft…

  9. 9
    VolkerK says:

    @RA Hoenig: Wieso sollte der Richter, der das erkennt was machen, wo er doch nicht zuständig ist?

    @Kenner: Ich hab im öD noch nie erlebt, dass Berger, Kienbaum oder andere Berater was wirklich verändert habe.

    Vgl. auch http://i4.ytimg.com/vi/ko5CCSomDMY/default.jpg

  10. 10
    Staatsanwalt says:

    Herr Hoenig, warum gleich so aggressiv. Lösen Staatsanwälte bei Ihnen etwa Beißreflexe aus?

    Meine Frage war zunächst ganz objektiv gemeint: An welcher Stelle ist hier was genau schiefgegangen und was soll konkret dagegen gemacht werden. Bei der Verfügung der Ladung und der Ausführung der Geschäftsstelle? Im konkreten Fall war dies angeblich nicht die Ursache, sofern der Ab – Vermerk der Geschäftsstelle tatsächlich richtig war. Beim Abtransport des Schriftguts von der Geschäftsstelle und Eintüten der Schreiben in der Wachtmeisterei? Bei der Übergabe der Umschläge an die Post? Das wäre von den mir bekannten und eher simplen Arbeitsabläufen eher unwahrscheinlich, ohne dass ich jetzt die Wachtmeisterei des konkreten Gerichts und dessen Größe kenne. Dagegen spricht schon dass die beiden Schreiben diesen Weg gemeinsam hätten nehmen müssen. Dass die Wachtmeisterei eines von zwei Schriftstücken aus dem Stapel nimmt und liegen lässt ist wenig nachvollziehbar. Große Poststapel mit seit Wochen überfälliger Post fallen zudem in jeder Poststelle sofort auf. Denkbare Fehlerquelle und mir als Problem nicht nur aus dem Justizbereich bekannt ist natürlich auch die Zustellung durch die Post.

    Sicherlich gibt es für das generelle Problem mit der Kontrolle zuzustellender Post bei der Justiz denkbare theoretische Lösungsansätze.

    Aber die kosten Geld, entweder für ausreichend Personal oder wirklich anspruchsvolle Technik (Kontrolle auf jeder Station bis zur Übergabe an die Post mit Barcodes, Warnfunktionen bei zeitkritischen Konstellationen in der Fachsoftware etc.). Und das Geld ist nicht vorhanden. Und das Problem mit den externen Zustellern lässt sich damit auch nicht lösen. Immerhin wurde bei uns vor einiger Zeit ein privater Justizzustelldienst wegen notorischer Unzuverlässigkeit abgesägt, obwohl er immer noch der billigste Anbieter war.

    Hauptursache bei diesem Problem ist und bleibt der Faktor Mensch (siehe oben). Und dieser macht unter hohen Arbeitsdruck mehr Fehler. Dabei spielt es keine Rolle ob es sich um (verbeamtete) Justizangehörige oder Arbeitnehmer von Postzustellern handelt.

    Was Optimierung von Abläufen und Justizverwaltung angeht, da könnte ich mehrere Geschichten aus eigener leidvoller Erfahrung zum Besten geben die insoweit ihre Vorurteile im Ergebnis wohl bestätigen würden. Aber das würde hier deutlich den Rahmen sprengen.

    Allerdings habe ich auch schon viele Anwaltskanzleien erlebt bei denen es mit dem Ausgang von (Frist)post Organisationsprobleme gab und gibt und die offensichtlich nicht so konstruktiv wie sie arbeiten.

    Fazit: Ich will nichts beschönigen. Wenn die Fehlerquote bei Ladungen auffällig wird muss sicherlich gehandelt werden. Wenn hier allerdings der Postausgang auf der Geschäftsstelle rechtzeitig war (m.E. im Justizbereich ansonsten die Hauptfehlerquelle) dürfte die weitere Ursachenforschung als notwendig erster Lösungsschritt schwierig werden.

    Was für mich allerdings an dieser Diskussion wieder deutlich wird ist die Unkenntnis von Abläufen und Rahmenbedingungen innerhalb der Justiz. Man kann die Justiz nicht mit einer kleinen Anwaltskanzlei vergleichen, sondern höchstens mit einem großen unbeweglichen Unternehmen, wo ähnlich hoch arbeitsteilige, komplexe und (leider auch) starre Strukturen bestehen.

  11. 11

    Ja es wird mehr geschlampt; am Personal wird gespart; das Personal ist nicht sonderlich motiviert:z. B. in Baden-Württemberg werden Anträge auf Erlaß eines PfüB binnen 2-3 Tagen erledigt. In NRW beim AG Bergheim dauert es durchschnittlich 6 Wochen; man hat gerade Engpässe wegen Urlaub oder Fasching oder sonst etwas Belangloses. Werden diese Damen und Herren vom Steuerzahlung wegen Karneval alimentiert? Was muß geschehen, daß die begreifen, daß sie für ihren sicheren Sitz in der Hängematte auch zu arbeiten haben und zwar vor den Privatvergnügen?

    Allerding können wir Anwaltskanzleien auch etwas tun. Bei mehreren Gegnern z. B. die Abschriften mit Empfängerangabe(je 2 Abschriften für Bekl.1, 2 und 3) vesehen. Die Anlagen pro Schriftsatz und Abschrift in der Reihenfolge der Erwähnung im Schriftsatz fest mit der Abschrift verbinden und ähnliches. Was ich mnachmal von Kollegen erhalte, ist nicht gerade vorbildlich, nach dem Motto, sortiers dir doch selber.

  12. 12

    @ Staatsanwalt:

    Sorry, wenn ich mißverständlich formuliert habe; aber der „aggressive“ Unterton, den Sie gehört haben, war von mir nicht bewußt gespielt.

  13. 13
    Kenner says:

    @VolkerK:
    Die externen Berater ändern nichts in den Köpfen der Verwaltung. Das Motto ist nicht selten „tarnen, täuschen, verpissen“.

  14. 14
    Kand.in.Sky says:

    Zwei Fehlerpunkte kommen in Frage:
    Die Poststelle und der Frachtführer. Die Poststelle lässt sich outsourcen, die MA kann man als Schöffen verpflichten…

    Alternativen zur Post gibt es inzwischen viele, lokale sowieso, ob sie so viel besser sind muss man an der Fehlerquote messen, aber auch das sind unglückliche Einzelfälle
    http://lawblog.de/index.php/2009/07/06/paket

    nicht auszuschliessen.

    Die Post hat schon vor Jahren die Erfassung/Veröffentlichung der Fehlerquoten eingestellt.

    #k.

  15. 15

    […] RA Hoenig berichtet –  ziemlich geladen – über eine fehlgeschlagene Ladung. Seit der […]

  16. 16
    Lord says:

    Na wenigstens ging in diesem Fall nur die Ladung verloren. In einem mir bekannten Fall in Leipzig wurde die Anklageschrift, Terminsladung und das Urteil innerhalb von 5 Tagen zugestellt – nachdem das Urteil rechtskräftigg war. Für den Zahlschein (Strafbefehl 120TS à 15€) hat man sich auch nur 6 Monate Zeit gelassen, Mindestmonatsrate 100€, weniger ginge laut Rechtspfleger nicht. Folge: 8.400€ Urlaubskosten für den Steuerzahler.