Gut organisiert, unsere Staatsanwaltschaft

Es geht um eine gescheiterte Beziehung. Die Ehefrau zeigt den künftigen Exmann an, er habe das minderjährige Kind mißbraucht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, legt eine Akte an und der Exmann wird von der Kripo zur Vernehmung gebeten. Ich teile dort mit, daß er nicht kommen wird und beantrage Akteneinsicht. Die Kommissarin versichert mir, daß sie die Akte wegen meines Akteneinsichtsgesuchs sofort an die Staatsanwaltschaft zurückschickt. Soweit, sogut.

Parallel läuft ein Sorgerechts- und Umgangsverfahren vor dem Familiengericht. Der Exmann kämpft um das Umgangsrecht mit seinem Nachwuchs. Dazu soll er vom Jugendamt gehört werden. Ihm brennt es unter den Nägeln.

Wegen des eisernen Grundsatzes: Erst die Akteneinsicht – dann eine Stellungnahme zum Tatvorwurf. NIEMALS in umgekehrter Reihenfolge! rate ich ihm und der Kollegin, die ihn familienrechtlich berät, das Umgangsverfahren auszubremsen. Beide folgen zähneknirschend meinem Rat.

Nun brauche ich die Akte. Ich habe das Aktenzeichen und die Rufnummer der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft. Seit einer Woche versuche ich zu unterschiedlichen Zeiten, dort irgendjemanden zu erreichen. Ein Fax mit einer Rückrufbitte bleibt unbeantwortet. Einen Tag später schicke ich ein Fax mit dem furchteinflößenden Wort DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDE an die Staatsanwaltschaft. Nichts passiert.

In einem weiteren 20-minütigen Telefonat gelingt es mir, bei der Zentrale durchzukommen. Der Versuch, mich an die Geschäftsstelle zu vermitteln, scheitert erwartungsgemäß. Ich bitte die Telefonistin, den zuständigen Abteilungsleiter zu ermitteln. Das klappt, auch die Verbindung mit ihm haut hin – er ist tatsächlich erreichbar.

Ich hatte meinen Namen noch nicht ganz ausgesprochen, da fragte mich der Herr StA: Sie sind doch derjenige, der hier die Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht hat? Die Akteneinsicht ist bereits verfügt.

Auf meine Frage, warum ich davon noch nichts weiß, teilte er mir mit, die Verfügung sei auf dem Wege in die Schreibstube. Ich konnte mir nur knapp ein Kreischen verkneifen. UND WARUM RUFT MAN MICH NICHT MAL EBEN AN? Bis ich die Mitteilung bekomme, ist doch Weihnachten …

Im weiteren Verlauf des Gespräches informierte mich der Abteilungsleiter über den Urlaub der Geschäftsstellenmitarbeiterin: Da hätten Sie noch zwei Wochen versuchen können, auf der Geschäftsstelle jemanden zu erreichen. Die ist nicht besetzt. Wir haben aber extra einen Zettel an die Tür geheftet.

Auf die Idee, eine Rufweiterleitung oder zumindest einen Anrufbeantworter zu schalten, ist der Herr Abteilungsleiter nicht gekommen.

Dann fahre ich gleich mal zum Gericht und hole dort die Akte beim Abteilungsleiter persönlich ab. Und wehe, die ist nicht wie versprochen dort!

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11 Antworten auf Gut organisiert, unsere Staatsanwaltschaft

  1. 1
    ballmann says:

    „Wegen des eisernen Grundsatzes: Erst die Akteneinsicht – dann eine Stellungnahme zum Tatvorwurf. NIEMALS in umgekehrter Reihenfolge! rate ich ihm und der Kollegin, die ihn familienrechtlich berät, das Umgangsverfahren auszubremsen“

    OT: Den Rat verstehe ich nicht so ganz

  2. 2
    Ann O. Nym says:

    @Ballmann: Weil auf der Vorladung bewusst kaum etwas steht, um Unsicherheit zu verursachen. D.h. der/die Angeschriebene plappert irgendwas drauf los, ohne zu wissen was ihm vorgeworfen wird und was der Staat „in der Hand hat“, macht vielleicht sogar alles schlimmer. Insbesondere hat er gar keine Verteidigungsstrategie. Sie machen wohl kein Strafrecht?!

  3. 3
    ballmann says:

    nein,
    ich meinte, warum das Umgangsverfahren ausgebremst werden soll?

  4. 4
    Tom Paris says:

    Wohl mißverständlich formuliert. Im Umgangsverfahren soll nur keine Stellungnahme abgegeben werden, solange im Ermittlungsverfahren keine Akteneinsicht gewährt worden ist.

    War hier eine Dienstaufsichtsbeschwerde aber nicht etwas übertrieben, weil die StA nicht pronto die Akte geliefert hat?

  5. 5

    @ ballmann:
    In dem familienrechtlichen Verfahren war eine Anhörung der Eltern vor dem Jugendamt vorgesehen. Gibt der Mandant/Beschuldigte dort eine Stellungnahme ab, kann diese in dem Ermittlungsverfahren verwertet werden, weil die Akten des Jugendamt/Familiengerichts eben nicht beschlagnahmefrei sind.

    Die zwischenzeitliche Einsicht in die Akte hat einmal mehr die Richtigkeit dieses Ratschlags bestätigt. (Einzelheiten berichte ich hier aber nicht.)

    @ Tom Paris:
    Die DAB richtete sich nicht gegen eine verweigerte Akteneinsicht, sondern gegen die Unerreichbarkeit der Geschäftsstelle und die Nichtberücksichtigung meiner dringenden (und substantiiert begründeten) Rückwünsche. Am Ende war sie ja erfolgreich.

    BTW: Ich gebe Ihnen maximal drei Mandate, die Sie in Moabit verteidigen. Dann schreiben Sie auch Dienstaufsichtsbeschwerden – jede Wette!

  6. 6
    cledrera says:

    Soll das heißen, dass man als Strafverteidiger in Moabit eine Zusatzqualififkation „Held griechischer Tragödien“ braucht?
    Oder ist das dort nicht nur so, wie überall anders auch? Es klemmt eben regelmäßig und die StA`s wollen nicht einsehen, Hilfsbeamte der Verteidigung zu sein?

  7. 7
    Tom Paris says:

    Och nö. Man muß ja nicht wegen jedem Firlefanz eine Dienstaufsichtsbeschwerde anbringen. Wenn die eine Geschäftsstelle nicht besetzt ist, ist es eben die nächste. Wenn man so oft miteinander zu tun hat, kennt man sich doch:

    „Frau Müller, warum geht denn die Frau Meier im Nachbarbüro nicht ran? Ich bräuchte mal schnell die Akte. Kriegense heute Nachmittag wieder zurück. Fragen Sie gleich in der Kaffeepause doch mal den StA Schulz, der hängt doch bestimmt schon wieder in der Kantine. Bitte gern, bitte sehr, danke, tschüß und schöne Grüße.“

    Oder ist das Klima in Berlin so verpestet? Könnte an den vielen Dienstaufsichtsbeschwerden liegen.

  8. 8
    JJ Preston says:

    Heißt das – bildlich gesprochen -, in Moabit ist der ganze Apparat die Ehefrau, die das Auto schiebt, und die Dienstaufsichtsbeschwerde ist das Benzin im Tank?

  9. 9
    KGV says:

    @crh: Ich finde die Frage von Ballmann damit nicht sinnvoll beantwortet. Warum schadet es dem Mandanten im Strafverfahren, wenn er schon vorher im familiengerichtlichen Verfahren bestritten hat, dem Kind etwas angetan zu haben?

  10. 10
    Malte S. says:

    @KGV: Er wird im familiengerichtlichen Verfahren nicht nur nach dem Vorwurf im Strafverfahren befragt werden, sondern auch allgemein zu Vorgängen in der Familie. Und da kann schon ein falsches wort reichen, um ggf. noch nicht tragkräftige Vorwürfe in der Ermittlungsakte soweit erhärten, dass sie das Verurteilungsrisiko erhöhen.

  11. 11
    RA Anders says:

    und dabei muß man natürlich wissen, dass sexueller Mißbrauch ein abstrktes Gefährdungsdelikt ist. Wenn es dann sogar ein schwerer sexueller Mißbrauch sein sollte, ist die Mindeststrafe zwei Jahre.
    Da kann jedes Gefasel gegenüber dem Jugendamt genau das Gegenteil, von dem was man damit erreichen wollte, bewirken.