In einer Schöffengerichtssache wurden mehrere Verfahren miteinander verbunden, die von unterschiedlichen Abteilungen der im Lande verteilten Staatsanwaltschaft bearbeitet wurden. Insgesamt 8 Anklagen werden nun gemeinsam in der einen Sache verhandelt. Entsprechend umfangreich sind die Akten.
Auf dem Richtertisch türmen die sich roten Aktendeckel. Die Vorsitzende Richterin hat sich alle Mühe gegeben, das Durcheinander, das ihr von der Staatsanwaltschaft hereingereicht wurde, zu sortieren. Das ist ihr für mein Gefühl auch gut gelungen. Allerdings: Gute Laune hat ihr das nicht gemacht. Sie kämpft sich tapfer durch die zerfledderte Pappe, die teilweise ein Datum aus dem Jahr 2004 trägt.
Unserer Mitarbeiterin ist es hervorragend geglückt, sich und mir einen Überblick zu verschaffen und mir die Dateien mit den einzelnen Ermittlungsakten und Anklageschriften sortiert zur Verfügung zu stellen. Ich hatte meinen gelben Block und mein Notebook dabei. Es sah sehr übersichtlich auf der Verteidigerbank aus.
Am zweiten Verhandlungstag sollten vier Anklageschriften vom Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft vorgelesen werden. Mit der Verlesung der ersten Anklage ging es recht flott, insoweit war der Staatsanwalt bestens vorbereitet. Bei der zweiten Anklage dauerte es etwa (gefühlte) 45 Minuten, bis er die Richterin darum bat, ihm eine Kopie (ein „Überstück“) der Anklage, die sich bei der Gerichtsakte befand, zum Vorlesen zu überlassen. Er fand sein Exemplar nicht.
Dem Staatsanwalt blieb nicht viel Zeit, die dritte Anklage in seinem Chaos zu suchen: Der Angeklagte erklärte, er werde sich durch Schweigen verteidigen. Die Ermittlungen des – mittlerweile Mitleid erregenden – Staatsanwalts dauerte erneut (gefühlte) 30 Minuten, bevor er sich an die Richterin wandte, und um eine Kopie der Anklage bat. Ich glaube, jeder Anwesende weiß nun, was unter dem Begriff „Fremdschämen“ zu verstehen ist.
Nachdem sich der Angeklagte auch hier ausschwieg, fragte der resignierte Ermittler, dessen Gesicht nunmehr an die Farbe eines reifen südtiroler Elstar erinnerte, sofort beim Gericht nach einem Überstück. Offenbar war ihm die Sucherei nun auch selbst sowas von oberpeinlich geworden …
Nein, ich habe die Sache mit todernster Mine durchgestanden. ;-)
[…] weit, so gut. Rechtsanwalt Hoenig berichtet hier sinngemäss von […]
Hinweis auf:
Operation red scorpion: Der Begriff des Fremdschämens und die Benutzung von Überstücken http://bit.ly/185NI8 – mit Dank für die Inspiration
Der StA sollte mal einen Fachmann einstellen. Gut, wäre eine Fachfrau, dann.
Es ist schon ein Armutszeugnis für die Staatsanwaltschaft, dass die Sitzungsvertreter die Strafverfahren bisweilen nur stümperhaft vorbereiten. Arbeitsüberlastung bzw. Personalmangel mögen die Ursachen hierfür sein. Es ist aber Aufgabe des Staates, ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen, um den Arbeitsanfall in der Strafverfolgung zu bewältigen.
Auch Finanznot ist hier keine Entschuldigung. Wie heißt es doch so schön: Geld hat man zu haben!