Höflichkeit ist eine Zier

Die Hauptverhandlung vor der kleinen Strafkammer wurde verspätet aufgerufen. Die Vorsitzende Richterin entschuldigte sich bei meinem Mandanten und mir. Soweit der Normalfall.

Nachdem wir unseren Platz eingenommen hatten, ging’s los. Aber anders, als ich erwartet hatte und gewohnt bin.

Ich eröffne die Berufungshauptverhandlung gegen Herrn Wilhelm Brause und darf zunächst die Anwesenden vorstellen. Mein Name ist Mütterchen Mü, links neben sitzt mir Frau Mahlzahn und rechts neben mir Herr Bullmann, die beiden Schöffen. Für die Staatsanwaltschaft ist Frau Zeisig anwesend und das Protokoll führt Frollein F.

So gehört das, liebe Richter und Richterinnen. Ich frage mich, warum ich erst nach Frankfurt (Oder) fahren muß, damit ich erfahren darf, daß es doch noch höfliche Vorsitzende gibt.

Für die gerichtlich Unerfahrenen: Üblich und weit verbreitet ist es, erstmal die Personalien des Angeklagten festzustellen und dann sofort in die Sache einzusteigen. Wer die anderen Schwarzkittel Personen sind, die dann über das weitere Leben des Angeklagten entscheiden, wissen diese ja selbst.

Dieser Beitrag wurde unter Richter veröffentlicht.

17 Antworten auf Höflichkeit ist eine Zier

  1. 1
    ballmann says:

    Löblich von der Kollegin

    Die Namen der Richter stehen aber auch auf dem Terminszettel

  2. 2

    Die Terminszettel unterscheiden sich von Gericht zu Gericht. In Berlin stehen die Namen der Richter nicht auf den Zetteln.

    Und überhaupt: Jetzt könnten Sie mich doch wieder mal loben, daß ich so etwas Positives über Richter berichte. Mensch! ;-)

  3. 3
    Michael_BB says:

    Sollte Standard werden.

    Ich habe das erst einmal erlebt; bei einem Arbeitsgericht im Badischen machte die Vorsitzende eine richtige kleine Vorstellungsrunde, in der auch die ehrenamtlichen Richter sich noch selbst vorstellen sollten. War schon interessant und lockerte das ganze etwas auf :-)

  4. 4
    Jochen says:

    Richter sind auch Menschen? Wow. Das ist mir neu.

    Kann sich ja mal Ballmann und Co. ein Beispiel dran nehmen. Höflichkeit hat noch nie geschadet.

  5. 5
    ballmann says:

    Ich lobe hiermit Herrn Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig für seinen Beitrag „Höflichkeit ist eine Zier“.

    Gut so ? ;-)

  6. 6
    egal says:

    Unnötiges Gehabe, das Gericht ist kein Kaffeekränzchen, wo man erstmal Freundschaft schließen muss. Wer da nun vorne sitzt, ist egal, solange es der richtige nur ist.

    Vielleicht sollten sie öfters in FFO verteidigen, wenn sie die Schroffheit der Berliner so stört.

  7. 7

    […] lobenswert ist der Artikel von Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig über eine höfliche Richterin aus […]

  8. 8
    Chak says:

    @egal, woher weiß man denn, dass es überhaupt der richtige ist?

  9. 9
    Thomas says:

    Das machen die Richter (sicherlich nicht alle), die ich am AG Greifswald bisher erlebt habe, auch so. Nur die Protokollführerin (gibt es auch irgendwo männliche Mitarbeiter in diesem Bereich?) wird nicht vorgestellt.

  10. 10
    Nils says:

    Ich war als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft immer ganz froh, nicht vorgestellt zu werden. Hatte als Referendar keine Knarre, anders als einzelne Staatsanwälte, und heiße auch nicht MüllerMeierSchulze.

  11. 11
    RA JM says:

    @ ballmann: Der Name des / der StA(in) aber eher nicht.

  12. 12

    @ Nils:
    Es soll ganz gemeine Verteidiger geben, die nehmen Akteneinsicht und stellen dann die Kopien – auch des Sitzungsprotokolls – ihren Mandanten zur Verfügung. ;-)

  13. 13
    ballmann says:

    @ RA JM
    stimmt
    ist auch für das Gericht wie eine Pralinenschachtel:
    man weiß nie, wer kommt/was man bekommt
    @ CRH
    nun machen Sie dem armen Nils nicht noch nachträglich Angst ;-)

  14. 14
    doppelfish says:

    Momentmal, ich dachte, das „Frollein“ hätten wir abgeschafft?

  15. 15

    @doppelfish:
    Sie haben es nicht verstanden!

    „Frollein“ ist der Vorname, „F.“ der Nachname. Solange ich nicht schreibe „Fräulein Frollein F.“, ist das alles vollständig politcal correct.

    8-)

  16. 16
    MaxR says:

    Einen Schriftführer männlichen Geschlechts habe ich in Schweinfurt beim Arbeitsgericht erlebt.
    Vielleicht gleichzeitig AGG-Beauftragter?

  17. 17
    Hans says:

    Die Richterin ist nur ein Ablenkungsmanöver, mit dem diese Stadt sich tarnen will – fahren Sie bloß nicht zu oft dort hin! FFO kann ungehobelt und grausam sein. Ich sprech da aus Erfahrung ;)