Tennessee Eisenberg – Die Erklärung der Staatsanwaltschaft

Auf Regensburg-Digital gibt es den Wortlaut der Staatsanwaltschaft, die erläutert, warum sie das Verfahren gegen die Polizeibeamten nach § 170 II StPO gestellt hat.

Ich hoffe, daß wir auch irgendwann einmal die Beschwerde-Begründung der Rechtsanwälte der Familie des getöteten Studenten lesen können, um auch deren Sicht der Dinge zu erfahren.

Die Entscheidung der StA Regensburg – soviel meine ich, an dieser Stelle sagen zu können – schadet dem Ansehen der Ermittlungsbehörden und damit dem Glauben des Volkes (Art. 20 II S. 1 GG) an faire Verfahren. Ein Freispruch nach einer öffentlichen Hauptverhandlung vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts wäre – bei aller Rücksicht auf die Interessen der Polizeibeamten – die wesentlich bessere Lösung gewesen (wenn den Beamten denn wirklich der § 32 StGB zur Seite gestanden hat, woran auch ich so meine Zweifel habe).

Wie es sich bisher darstellt, bleibt jedenfalls – trotz der veröffentlichten Erklärung – der Eindruck bestehen, daß Polizei und Staatsanwaltschaft auch in diesem Fall eine gemeinsame Sache machen („kollusiv zusammenwirken“ – hallo Bert und Kerstin! ;-)) und sich nicht der Entscheidung eines unabhängigen Gerichts stellen wollen. Das ist nicht gut …

Danke an den Staatsanwalt für den Hinweis auf die Veröffentlichung.

Dieser Beitrag wurde unter Polizei, Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

14 Antworten auf Tennessee Eisenberg – Die Erklärung der Staatsanwaltschaft

  1. 1
    studiosus juris says:

    @crh:

    Sicher, ein Beigeschmack mag man finden.
    Aber andersherum gedacht: Wenn die StA zu dem Schluss kommt, dass kein hinreichender Tatverdacht nach § 170 I StPO vorliegt, soll Sie dann Ihrer Meinung nach dennoch anklagen? Nur, um eventuellem Volkszorn vorzubeugen?
    Aus Sicht der Angeschuldigten wie auch des Rechtsstaates wäre dies imho höchst zweifelhaft.

    Zumal, wenn einmal begonnen, wie soll das weitergehen? Jedesmal, wenn ein Fall des § 170 II StPO vorliegt, der Pressesprecher der StA aber negative Presse befürchtet, einfach mal anklagen?

  2. 2
    Kampfschmuser says:

    Ich habe in kurzen Stichpunkten zusammengefasst, was alles getan wurde um Herrn Eisenberg zu stoppen:
    – mehrere Kartuschen Pfefferspray auf Brust und ins Gesicht
    – mehrere Schläge mit Schlagstock auf den messerführenden Arm
    – Schuss von hinten durch das linke Knie
    – Schuss durch den linken Arm
    – weitere Schüsse in die Beine und den Rumpf
    – wieder weitere Schüsse Richtung Eisenberg
    Von all diesen Aktionen hat sich Herr Eisenberg (Superman?) nicht beeindrucken lassen. Erst danach folgte der tödliche Schuß ins Herz.

    Es ist zum Kotzen welchen Durchfall einem die Polizei und StA hier versucht billigst zu verkaufen.

    Jeder der Punkte für sich alleine stoppt in der Regel einen Mann, der nicht alkoholisiert ist und auch nicht unter Drogen steht. Spätestens beim Schuss durch das Knie wäre auf jeden Fall Schluss gewesen.

    Aber so ist das, wenn man schießgeile Kerle an einen Einsatzort ruft und diese kopflos rumballern. Da hilft nur noch Spuren verwischen und Geschichtenerzähler engagieren.

  3. 3
    studiosus juris says:

    @Kampfschmuser:

    Wie erklären Sie sich, dass laut Gutachten alle Schüsse (bis auf einen) auf einen aufrecht (!) stehenden Eisenberg abgegeben wurden?

  4. 4
    Luke says:

    Also woher manche die Gewissheit nehmen das jemand nach einem Schuss ins Knie direkt umfällt weiß ich nicht – wahrscheinlich aus Hollywood.
    Also in meiner Zeit beim Rettungsdienst hab ich zwar keine Schusswunden erlebt, aber zB eine 70 Jährige die mit zwei komplett gebrochenen Beinen weglaufen wollte, zierliche Frauen in psychischen Ausnahmezuständen mit vlt 50 Kilo Eigengewicht bei denen ich als tranierter Sportler mit 85 kilo Probleme hatte auch nur einen Arm zu fixieren usw.

    Der Mensch kann in (psychischen) Ausnahmesituationen unglaubliche Kräfte entwickeln. Dazu braucht es nicht unbedingt Drogen.

    Das bedeutet jetzt aber nicht das ich nicht finde das der Fall ordentlich aufgeklärt werden sollte, aber bitte von Leuten die von der Materie Ahnung haben.

  5. 5

    @studiosus juris:

    Wenn die StA zu dem Schluss kommt, dass kein hinreichender Tatverdacht nach § 170 I StPO vorliegt, soll Sie dann Ihrer Meinung nach dennoch anklagen?

    Wenn ich mir anschaue, was die StA sonst so alles anklagt, wäre das hier tatsächlich ein Fall gewesen, in dem eine Anklage nicht abwegig gewesen wäre.

    Die Grenzen zwischen den Aufgaben der Exekutive (Ermittlungen) und denen der Judikative (öffentliche Beweisaufnahme/Urteil) sind fließend. Die Entscheidung der StA, das Gericht *nicht* anzurufen und statt dessen selbst zu entscheiden, ist zumindest politisch nicht korrekt.

    Schauen Sie sich doch allein die Kommentare hier im Blog dazu an. Und die in den zitierten Medien. Da wird sehr deutlich, daß es „riecht“, wenn die Staatsanwaltschaft den Job der Strafkammer macht.

    Juristisch sauber begründbar sind beide Varianten. Also warum dann nicht die andere?!

  6. 6
    Karl says:

    Es stellt sich die Frage, warum die Polizei in einem Fall, bei dem von Anfang an die Bewaffnung mit einem Messer bekannt war, offenbar keine Schutzschilde einsetzt. Damit wäre doch ein bequemer Rückzug und die Anforderung eines SEK möglich gewesen.

  7. 7
    studiosus juris says:

    @crh:

    Danke für die Erklärung.
    Was ich noch dazu anmerken wollte:
    Wie Sie als Strafverteidiger sicher besser wissen als ich, stellt ein Strafverfahren ja auch immer eine (emotionale) Belastung für den Angeklagten dar. Diese Seite sollte man sich doch auch in Erinnerung rufen, wenn man eine Anklage fordert, obwohl die StA nicht zu einem hinreichenden Tatverdacht kam?

      Done! „bei aller Rücksicht auf die Interessen der Polizeibeamten“ hatte ich bereits im Beitrag geschrieben.crh
  8. 8
    Kampfschmuser says:

    @studiosus juris
    Wie Herr Hoenig schon anführte, klagt der StA oft an den Haaren herbeigezogenen Blödsinn an, aber hier wird brav die Akte zugeschlagen. Es wird mit zweierlei Maß gemessen. So hinterlässt es nur einen äußerst miesen Beigeschmack.

    @Luke
    Wie sie schon selbst schrieben, ihnen fehlt die Erfahrung in Bezug auf Knieschüssen. Ein glatt gebrochenes Bein ist noch einsatzfähig (selbst als Kind mehrfach gehabt), aber ein mit der Munition aus einer Polizeiwaffe getroffenes Knie nutzen sie nicht.

    Ich bin nicht für eine Lynchjustiz, sondern nur dafür, dass man in einem ordentlichen Verfahren die Geschehnisse auf arbeitet. Das hier ist einfach nur ein unter den Teppich kehren.

  9. 9
    Ballmann says:

    die Stellungnahme der Nebenklageverteter zu der Erklärung StA unter
    http://www.regensburg-digital.de/?p=6059

  10. 10

    @ ballmann:
    Besten Dank, die Stellungnahme der Hinterbliebenen habe ich in einem weiteren Beitrag kommentiert.

  11. 11

    […] This post was mentioned on Twitter by KanzleiHoenigBerlin, Dominik Angstwurm . Dominik Angstwurm said: 2 interessante jur.Meinungen zur Einstellung im Fall #Tennessee #Eisenberg http://bit.ly/8LLDdH http://bit.ly/5K0e12 […]

  12. 12
    Ref.iur. says:

    @ crh

    Ich kann Ihre Einschätzung nicht teilen.

    Nach dem von der StA für wahrscheinlich gehaltenen Sachverhalt hätten die Beschuldigten sich nach ganz h.M. nicht strafbar gemacht. Für diesen Geschehensverlauf sprechen u.A. verschiedene Gutachten und die Zeugenaussagen der Rettungskräfte. Hätten die Beschuldigten den Sachverhaltsabluaf so nur als Schutzbehauptung erfunden, dann wäre es sehr wahrscheinlich, dass Widersprüche zu den Gutachten / Zeugenaussagen aufgetreten wären.

    Nichtsdestotrotz kann es natürlich sein, dass sich der Sachverhalt anders zugetragen hat. Ohne Akteneinsicht in dem Fall gehabt zu haben, lässt sich das aber nicht in vertretbarer Weise behaupten.

    Es ist gerade die Aufgabe der StA selbst über den hinreichenden Tatverdacht zu entscheiden und zwar unabhängig von politischen Erwägungen. Alles andere wäre fatal. Sollte die StA falsch entscheiden, so steht hierfür das Klageerzwingungsverfahren zur Verfügung.

    Gerade Sie als StV sollten aber nicht vertreten, dass die StA (zur eigenen Entlastung) je nach politischer Wetterlage aufs Geratewohl anklagt. In einem solchen Unrechtsstaat will ich jedenfalls nicht leben!

  13. 13

    @Ref.iur.:

    Gerade Sie als StV sollten aber nicht vertreten, dass die StA (zur eigenen Entlastung) je nach politischer Wetterlage aufs Geratewohl anklagt.

    Dann schauen Sie sich doch das hier mal an: Michael Buback, Der zweite Tod meines Vaters.

    Ich zitiere aus der Rezenzion:

    Die Grenzen des Rechtsstaates Deutschland beginnen da, wo sich Justiz und Politik berühren. Deutsche Staatsanwälte hängen an der Leine der Politik. […] Der Bürger erwartet unabhängige, objektive Fahndungsarbeit. Doch hierzulande regieren allzu oft politische Weisungen, tumbe Willkür und Untertanengeist.

    Die Wirklichkeit, wie sie sich in den Strafverfahren abspielt, werden Sie sicher irgendwann selbst aus eigener Anschauung erfahren.

  14. 14

    […] Tennessee Eisenberg – Die Erklärung der Staatsanwaltschaft […]