Todesstrafe auch in Hessen

Zu meinem Beitrag über die amerikanische Mörderbande paßt das hier ganz gut:

Artikel 21 der Landesverfassung Hessen lautet:

[Freiheitsstrafe; Todesstrafe]
(1) Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen und beschränkt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden.
(2) Die Strafe richtet sich nach der Schwere der Tat.
(3) Alle Gefangenen sind menschlich zu behandeln.

Spannend ist hier zunächst einmal der Vergleich zwischen Absatz 1, Satz 2 und Absatz 3. Das muß mir mal ein Verfassungsrechtler erklären, wie das zusammen geht.

Das hessische Landesverfassungsrecht ist seit dem 1. Dezember 1946 in Kraft. Bislang hat es dort niemand für nötig gehalten, diese in eine Verfassung gegossene Widerlichkeit ersatzlos zu streichen.

Glücklicherweise haben sich aber ein paar kluge Köpfe am 8. Mai 1949 sinnvolle Gedanken gemacht und zwei äußerst knappe, aber bedeutsame Vorschriften geschaffen: Art. 102 GG und Art. 31 GG.

Trotzdem: Der Hessische Verfassungsgeber sollte in seinem Saustall vielleicht mal aufräumen! Es wäre endlich an der Zeit, zumal die Bayern vor elf Jahren vorgemacht haben, wie das geht.

(Danke an den Knilch für diese Erinnerung.)

Dieser Beitrag wurde unter Politisches, Vollstreckung veröffentlicht.

22 Antworten auf Todesstrafe auch in Hessen

  1. 1
    ballmann says:

    Das Problem:
    Verfassungsänderungen bedürfen in Hessen eines Volksentscheids. Und deshalb hat sich bislang noch jede Regierung in Hessen gedrückt.
    Selbst ein Ergebnis von 70 : 30 für die Abschaffung wäre eine ziemliche Blamage

  2. 2
    Ö-Buff says:

    Mit Verlaub, Politiker, die sich nicht trauen, das anzugehen, haben keinen Arsch in der Hose. Aber davon gibt’s ja ne Menge.

  3. 3
    Photosky says:

    In mittelfristiger Zukunft wird es in Hessen wahrscheinlich einen Volksentscheid über ein (noch härteres) Schuldenverbot geben. Hier könnte man dies evtl. mit abstimmen lassen.

  4. 4
    egal says:

    „Selbst ein Ergebnis von 70 : 30 für die Abschaffung wäre eine ziemliche Blamage“

    Das ist meines Erachtens nicht das Problem. Es ist nämlich eher zu befürchten, dass ein solches Verbot keine Mehrheit bekäme.

    Man muss sich einfach mal die Diskussionen im Strafrecht ansehen. Da gehts inzwischen doch um den KiPo-„Schänder“ oder den gruseligen islamischen Terroristen. Das sind die neuen Maßstäbe im Strafrecht, die alles rechtfertigen.

    Man kann sich doch jetzt schon die NPD-Plakate vorstellen mit „Todesstrafe für Terroristen/Kinderschänder“ oder so.

    Werbemäßig wäre das ein riesiges Debakel für die CDU. Auch wenn die CDU nicht pro TOdesstrafe ist, könnte man das als „Schwäche“ bei den eher konservativen Wählerschaft auslegen. Hessen will ja sowieso als härtestes Land in dieser Beziehung gelten. Härtester Vollzug, usw.

    Mit einer politischen Diskussion über Sinn und Unsinn der Todesstrafe will sich wohl keine Regierung belasten. Damit gehört das Thema zu den Tabu-Themen wie etwa auch die Abtreibung bei der die Politik froh ist, dass sie es nicht (mehr) regeln muss.

    Es besteht ja auch keine rechtliche Notwendigkeit für eine Änderung und aus historische Sicht kann man diesen Passus auch erklären. Die hessische Landesverfassung ist nunmal 3 Jahre älter als das Grundgesetz und eine „Vollverfassung“, die auch ohne das Grundgesetz jederzeit gelten könnte.

  5. 5

    Wenn die Bayern das Problem bereits vor 11 Jahren per Volksentscheid gelöst haben, kann das Plebiszit für die Hessen insoweit nicht entschuldigend – und ich meine, noch nicht einmal erklärend – dafür sein, daß sie es bislang noch nicht auf die Reihe bekommen haben.

    Übrigens: Art. 21 I 1 GG gilt auch in Hessen. Man muß es nur wollen.

  6. 6
    Peter says:

    Wie wärs, wenn einfach ein Richter diese Todesstrafe mal „verhängt“? Dann müßte der Fall vor das BVG und dort würde dann Recht auf Recht stoßen. Oder besteht dann Gefahr, dass die Landesverfasung als Ganzes für unwirksam erklärt wird? :-)

  7. 7
    egal says:

    Es gibt im StGB nur keine Straftat, die mit Todesstrafe bedroht ist. Würde ein Richter dies wirklich also als Strafe aussprechen, wäre das wohl ein klarer Fall von Rechtsbeugung.

    Zudem gilt ja noch der o.g. Art. 102 GG.

  8. 8
    Tom Paris says:

    Als Hesse habe ich das nie als wirkliches Problem angesehen. Auf dieses kuriose historische Überbleibsel wird man schon in der Schule und den Staatsrechtsvorlesungen aufmerksam gemacht. Es ist doch jedem klar, daß die Vorschrift keine praktische Relevanz hat. Auch im Grundgesetz und in anderen Landesverfassungen findet man auf der historischen Resterampe Normen, die keine Bedeutung mehr haben.

    In Art. 41 der Hessischen Verfassung hat man bereits 1946 vorausschauend geregelt: „Mit Inkrafttreten dieser Verfassung werden vom Staate beaufsichtigt oder verwaltet: die Großbanken und Versicherungsunternehmen.“ Außerdem hat die Hessische Verfassung sämtliche Unternehmen des Bergbaus, der Energiewirtschaft, der Eisen- und Stahlerzeugung in Gemeineigentum überführt. In Art 43 Abs. 1 findet sich sogar der schöne Satz, daß Klein- und Mittelbetriebe, Landwirtschaft, Gewerbe, Handwerk und Handel besonders vor „Überlastung und Aufsaugung“ zu schützen seien.

    Auch davon ist in der Realität nichts zu spüren. Ob das Grundgesetz in allen Belangen bessere Regelungen geschaffen hat als die Landesverfassungen, darf bezweifelt werden.

  9. 9
    Peter says:

    LVs, GG oder doch noch gültige Weimarer Verfassung? Sind wir ein Rechts-Messie-Land?

  10. 10
    Das Ich says:

    Das Problem ist doch eher Kosmetischer Natur, oder?
    Bundesrecht bricht Landesrecht? War das nicht so? Also da muss keiner Angst haben;-)

  11. 11
    MaxR says:

    > Spannend ist hier zunächst einmal der Vergleich zwischen Absatz 1, Satz 2 und Absatz 3.

    Ja, klar doch: Wenn man keine Vene findet, gehts zurück in die Zelle. Menschlicher gehts kaum.

  12. 12
    Peter says:

    @Das Ich: es geht nichts ums „Angst haben“
    Ich kann auf meiner Couch trotzdem noch Sitzen, auch wenn da Flecken, Krümel und sonstige Essenreste rumliegen. Die Funktion der Couch ist also nicht beeinträchtigt. Trotzdem hole ich dann Lappen und Staubsauger … ein Messie halt nicht :-)

  13. 13
    Peter says:

    noch besser wäre es, gar nicht erst auf der couch zu essen, ich weiß ;-)

  14. 14
    ra kuemmerle says:

    Ein Kollege, der sein Referendariat in Hessen gemacht hat, erzählte mir, dass für denjenigen, der als Sitzungsvertreter mal den Antrag stellt, einen Angeklagten nach Art. 21 der LV zu bestrafen, ein Fass Bier ausgelobt ist. Der ausgelobte Preis wurde noch nie vergeben…

  15. 15
    JJ Preston says:

    Vielleicht hofft Herr Koch ja darauf, dass irgendwann mal Artikel 102 GG abgeschafft wird?

  16. 16
    RA JM says:

    „der Vergleich zwischen Absatz 1, Satz 2 und Absatz 3“ – ist doch ganz einfach: Die Delinquenten sind hinterrücks zu erschießen, wenn sie nicht damit rechnen.

    Duckundwech ….

  17. 17
    corax says:

    Hessische Verfassung Art 33 Satz 1

    Das Arbeitsentgelt muß der Leistung entsprechen und zum Lebensbedarf für den Arbeitenden und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen ausreichen.

    http://www.lawww.de/hlv/Aktuell/hv_text.htm#33

    interessiert auch keine Sau mehr.

    (steht auch so ähnlich in anderen Landesverfassungen)

  18. 18
    Mausi says:

    den artikel nimmt sowieso niemand ernst, und es wäre nur ein (kostenträchtiger!) unnötiger aufwand den zu streichen. also so what.

  19. 19
    Jimmy says:

    Also, in Bayern wurde nicht Todesstrafe selber per Volksentscheid abgeschafft, sondern nur eine Durchführungsvorschrift, nach der der Ministerpräsident eine Begnadigung aussprechen kann. Außerdem wurden gleichzeitig eine Reihe von anderen Verfassungsänderungen zur Disposition gestellt. Die Gefahr eines negativen Entscheides war also relativ gering und taugt daher nicht als Vergleich mit Hessen!

  20. 20
    BV says:

    Tom Paris hat es zutreffen beschrieben: es ist ein kurioses historisches Überbleibsel. Diese Vorschrift war nie in der Diskussion und wird – extreme Einzelfälle wohl ausgenommen – noch nicht einmal von irgendwelchen Deppen für platte Stimmungsmache angeführt. Die Norm liegt im dunklen Keller und tut niemanden was. Natürlich liest sie sich in einer geltenden Verfassung etwas befremdlich. Aber Schaden kann sie nicht anrichten.

  21. 21

    So wie es aussieht halten noch über 70 Staaten an der Todesstrafe im zivilen und/ oder militärischen Bereich aufrecht.

    Ist die RELIGION der Ursprung über das richten / „Judgen“ / beurteilen / verurteilen? Es kommt hierbei nicht auf die Art auf welche Religion man sich bezieht an. Im Grunde sind Sie alle gleichen Urpsrungs. Sollte man nicht mal vor dem Status „die Religion existiert“ gehen und schauen wie es davor gehandelt wurde? Es gibt kein (be)urteilen!

    Waren das noch Zeiten.

    Nur ein offener Gedanke!

  22. 22
    Uwe says:

    Die Abschaffung der Todesstrafe ist zweifellos eine zivilisatorische Errungenschaft. Ich persönlich bin auch ziemlich sicher, dass eine Volksabstimmung keineswegs eine Zustimmung zur Todesstrafe ergäbe. Eine Abstimmung, die ernsthafte Folgen hat, sind nämlich etwas ganz anderes als Straßenumfragen der Bildzeitung. Dass viele dies dennoch lieber rückgängig machen würden, ist zwar bedauerlich, man muss diesen Standpunkt auch nicht akzeptieren oder gar teilen – ändern wird man das kaum.

    Hinzufügen sollte man aber, dass die Entstehungsgeschichte des Art. 102 GG schon etwas speziell ist.

    Es war ja keineswegs so, dass der Parlamentarische Rat so vehement gegen die Todesstrafe eingestellt war – eher schon des Gegenteil. Das zeigt bis heute noch der Art. 21 LV wie auch Versuche von Politikern wie Jaeger und Stücklen in den 50er Jahren, zur Todesstrafe zurückzukehren.

    Den „klugen Köpfen“ ging es kaum um eine Humanisierung des Strafrechts. Vielmehr muss die Einführung des Art. 102 GG vor dem Hintergrund gesehen werden, dass seinerzeit eine Reihe von Nazis und Kriegsverbrechern entweder zum Tode verurteilt waren oder eine Anklage gewärtigen mussten. Daher stellte der spätere Verkehrsminister Seebohm, der der Deutschen Partei angehörte, im parlamentarischen Rat den Antrag, der dann in der Einführung des Art. 102 GG mündete.

    Die Besatzungsmächte in den Westzonen führten übrigens auch noch nach Inkrafttreten des GG Hinrichtungen auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik durch.

    Disclaimer: Das ist nicht aus der Wikipedia abgeschrieben. ;)