Zuerst die schlechte Nachricht

Das juristische Halbwissen in den Haftanstalten ist enorm. Und für einen Verteidiger, der nur lockeren Kontakt zu seinen inhaftierten Mandanten hält, manchmal gefährlich. Nämlich z.B. dann, wenn der Häftling von einem anderen – erfahrenen! – Häftling verwundert gefragt wird, warum er denn noch immer nicht draußen sei, und das dann regelmäßig mit der Unfähigkeit des Verteidigers begründet wird.

Der Mandant wurde vor knapp 7 Monaten verhaftet. Und er sitzt seitdem in der Untersuchungshaftanstalt Moabit. Die Hauptverhandlung hat noch immer nicht begonnen.

Ein kluger Mitgefangener hat den Mandanten auf die 6-Monats-Frist des § 121 StPO hingewiesen. Die sei bereits abgelaufen, das Kammergericht habe die Haftfortdauer nicht angeordnet, also müsse der Haftbefehl aufgehoben werden. Wenn der Verteidiger das nicht wisse und er nichts unternimmt, tauge er nichts. Der Mitgefangene hatte auch gleich die Visitenkarte des besten Verteidigers weit und breit parat …

Ich mußte den Mandanten enttäuschen. Das mit der Haftentlassung wegen Fristversäumnis wird nichts. Auch nicht, wenn der beste aller Verteidiger einen entsprechenden Antrag stellt.

Denn der Mandant hat während der 7 Monate eine Ersatzfreiheitsstrafe abgesessen, weil er eine alte Geldstrafe nicht bezahlt hatte. Dazu wurde die Untersuchungshaft für 90 Tage unterbrochen. Und um diese 3 Monate verlängert sich die 6-Monats-Frist.

Der Mandant gibt sich zerknirscht mit seinem Verteidiger zufrieden, der ihm heute aber persönlich die Nachricht überbringen konnte, daß es in zwei Wochen losgeht mit der Hauptverhandlung. Und daß er mit einer Strafaussetzung zur Bewährung rechnen darf – wegen der langen, ihn beeindruckenden Haftdauer. Der Deal zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und dem zweitbesten Verteidiger steht.

Dieser Beitrag wurde unter Knast, Mandanten veröffentlicht.

6 Antworten auf Zuerst die schlechte Nachricht

  1. 1
    Pascal Rosenberg says:

    Na, immerhin sind sie der zweitbeste. Das ist doch schon mal super.

  2. 2
    Axel John says:

    Der Deal zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und dem zweitbesten Verteidiger steht.

    Gibt es eigentlich noch Verfahren die regulär ablaufen, also ohne Hinterzimmergeschacher?

  3. 3

    Deals sind die Pest des Strafprozesses. Insoweit gebe ich Ihnen Recht. Aber sie sind auch die Realität.

    Aber warten Sie ab, bis Ihr Namen irgendwann einmal auf einem roten Aktendeckel steht. Dann werden Sie Ihren Verteidiger zu Gesprächen mit den Ermittlern drängen und das Reiten auf Prinzipien wird Ihnen nicht mehr so wichtig sein.

    Es gibt wenig Mandanten, die nicht bereit sind, auf das „Geschacher“ zu verzichten, wenn es um ihren eigenen Hintern geht.

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    studiosus juris says:

    Aber nur, sofern sie die Tat zugegeben/sich verplappert haben, oder? ;)

    Darf man noch eine Frage stellen? :P

  5. 5
    MaxR says:

    … wir nehmen den zweitbesten Wein, für mich das zweitbeste Steak und für meine Frau den zweitbesten Fisch … und für meinen armen Kumpel im Knast den zweitbesten Verteidiger.

    Aaah ja, so ist das mit der Geldanalage in Zeiten der Krise.

  6. 6
    Rockafella says:

    @stud. iur. Was ist dann, wenn die Mandanten die Tat zugegeben/sich verplappert haben? Dem Verteidiger gegenüber oder dem Gericht gegenüber?