Zwangs-Deportation

Es ist eine Sache, wenn der Verteidiger die Auslieferung Demjanjuks aus Cleveland nach Deutschland als rechtswidrig reklamiert. Dies aber als „Zwangsdeportation“ zu bezeichnen(1), halte ich – gelinde gesagt – für unvorteilhaft.

(1) So gehört heute Mittag auf Radio1/Inforadio

Dieser Beitrag wurde unter Verteidigung veröffentlicht.

9 Antworten auf Zwangs-Deportation

  1. 1
    Mulroney says:

    Die Argumentation der Verteidigung geht ohnehin an den Problemen vorbei. Der Umstand, daß die deutsche Justiz 60 Jahre lang nicht willens oder in der Lage war, die NS-Verbrechen angemessen zu behandeln, gibt den letzten noch verliebenen Tatverdächtigen keinen Anspruch auf Verschonung. Einen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht gibt es bekanntlich nicht.

    Im übrigen sind entgegen der Darstellung der Verteidigung in den 60er bis 80er Jahren sehr viele KZ-Wärter und andere NS-Täter verurteilt worden. Nur eben nicht genug. Und skandalös viele blieben unbehelligt oder wurden freigesprochen. Was das mit den Vorwürfen gegen Herrn Demjanjuk zu tun hat, ist nicht ersichtlich.

    Es wird ja ohnehin nur ein Versuch der Aufarbeitung bleiben. Ich halte bei einem schweigenden Angeklagten mit den gegebenen Beweismitteln einen Schuldspruch nach mehr als 60 Jahren für unwahrscheinlich.

  2. 2
    egal says:

    „tu quoque“ war schon in Nürnberg ein unzulässiges Argument der Verteidigung.Die Inszenierung seiner Ausweisung (Rollstuhl, leicht apart/widerwillig) ist insgesamt auch sehr unglücklich gelaufen.

    Wenn man allerdings seine Geschichte (unschuldig zum Tode durch ein israelisches „Gericht“, 6 Jahre dabei in Haft) in Zusammenhang mit seinem Alter betrachtet, wird die ganze Verhandlung unwürdig.

    Die Chancen stehen gut, dass Demjanjuk bei einem längeren Prozess vorher stirbt. Dann hat wohl die deutsche Justiz und auch die Nebenkläger eindeutig verloren.

    Übrigens eine Ironie: Das Land, dass über 3 Millionen russische Kriegsgefangene (von 5 Millionen) durch Verwahrlosung, Verhungern, usw. ermordet hat, wogegen sich Demjanjuk durch eine „freiwillige“ Verpflichtung als KZ-Aufseher freigekauft hat, will jetzt Demjanjuk wegen Mordes verurteilen.

  3. 3
    peter says:

    eine Farce. Irgendwann muss es mal gut sein. Was machen die ganzen Nazijäger eigentlich, wenn es niemanden mehr zu jagen gibt? Es muss sich doch irgendwo noch einen Schuldigen finden lassen, oder?

  4. 4
    RA Anders says:

    Ein weiters Wort, welches nicht zum dem Hintergrund des Verfahrens passt, war auf Schildern, die durch das LG München aufgestellt worden, zu lesen.
    „Sammelstellen Demjanjuk“
    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/nachrichten#/beitrag/video/913286/ZDF-heute-journal-vom-30-November-2009/

  5. 5
    Das Ich says:

    Von Deportation spricht man, wenn eine staatliche Verbringung von Menschen in andere Gebiete erfolgt.
    Dies ist wohl geschehen, wenngleich in diesem Zusammenhang eine eher unglückliche Wortwahl. Aber nicht wirklich falsch.

  6. 6
    doppelfish says:

    Wie reiste denn der Herr an? Traditionell mit der Reichsbahn? Stilecht im Viehtransporter?

  7. 7
    Boa Constrictor says:

    @egal: Volle Zustimmung!

  8. 8
    Kand.in.Sky says:

    @doppelfish
    yepp, die Frage stellt sich automatisch.

    Auch ich halte das für eine Farce, andere Täter sind entkommen oder wurden im Zuge der Resozialisierung in hohe/höchste Ämter bestellt.

    Das ist nur Show für… ja, für wen eigentlich?

    #k.

  9. 9
    egal says:

    Zwei interessante Aufsätze zur Thematik in der HRRS:

    In http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/10-03/index.php?sz=6 wird die Zulassungsbeschluss des LG München II besprochen, nachdem es de facto eine Allzuständigkeit für NS-bedingte Taten für deutsche Gericht geben soll, egal ob die Tat im (damaligen) Ausland statt fand oder nicht; dazu sollen auch „fremdvölkische“ Helfer deutsche Amtsträger sein.

    In http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/10-03/index.php?sz=7 hingegen wird auf die Abweisung der Verfassungsbeschwerde vorm BVerfG Bezug genommen und generell die Sinnhaftigkeit der Altersstrafbarkeit angerissen.