Monatsarchive: April 2010

Geständnis per Weblog

Das LKA ermittelt gegen mich wegen Gewaltdarstellung.

Nein, nicht gegen mich, sondern gegen einen anderen Blogger, der seinen Beitrag mit eben diesen Worten überschreibt. Er berichtet über den Brief, in dem ihm entsprechend § 163a StPO eröffnet wird, daß er einer Gewaltdarstellung nach § 131 StGB verdächtigt wird.

Selbstverständlich kann der Blogger diesen Vorwurf nun überhaupt nicht nachvollziehen. Er ist seines Wesens nach doch durch und durch Pazifist. Ein Blick in seine sonstigen Beiträge bestätigt dies.

Und weil der Blogger es nicht versteht, hat er erst einmal einen sehr richtigen Gedanken: Er möchte sich kundig machen.

Der zweite Gedanke ist allerdings ein Mißgriff in die Kiste der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten: Er ruft genau bei der Einrichtung an, deren Aufgabe es ist, den Vorwurf zu bestätigen. Der Blogger hat Glück: Er erreicht den zuständigen Henker Ermittler nicht, sondern eine „freundliche Dame“, die seine Rückrufnummer notiert.

Der dritte Gedanke ist eher wieder von der Vernunft gesteuert, wenngleich auch noch kein Volltreffer: Der Blogger wendet sich an einen anderen, ihm wohlgesonnenen Ermittler, an einen „befreundeten LKA-Beamten aus Nordrhein-Westfalen“. Und der gibt ihm dem einzig zutreffenden Rat: Schweigen.

Und wie so Blogger eben sind: Schweigen geht ja nun gar nicht. Deshalb legt der Blogger schnell mal eben ein Geständnis in seinem Weblog ab. Öffentlich.

Selbstverständlich macht der Ermittler – „mein Kriminalkommissar“ – von dem Angebot des Bloggers Gebrauch und ruft ihn an. Ebenso selbstverständlich setzt der Kommissar das um, was er auf der Kriminalkommissar-Schule in der ersten Unterrichtsstunde gelernt hat: Wenn Du freundlich zu den Beschuldigten bist, erreichst Du wesentlich mehr, als wenn Du sie anmachst. Diese Strategie scheint auch hier funktioniert zu haben.

Ich frage mich ernsthaft, was solche Menschen, die sicherlich eine fundierte Aus- und Allgemeinbildung haben, dazu bewegt, als Schlachtvieh einen Metzger nach dem richtigen Weg zu fragen?

In zwei Wochen habe ich den Termin, der Kommissar war sehr nett und ich bin zuversichtlich.

Zuversichtlich. Aha.

… was für seltsame Menschen es doch gibt.

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Der kluge Zeuge

Der Zeuge hatte den Angeklagten angerufen, zu einer Zeit, als die Staatsanwaltschaft noch ermittelte. Er wollte „etwas für die Nase“ bestellen, war in dem aufgezeichneten Gespräch zu hören. Der Angeklagte hatte dem Anrufer unfreundlich und ganz bestimmt geantwortet und das Gespräch beendet.

Nun stand der Zeuge als ebensolcher vor dem Gericht. Er wurde nach allen Regeln der Kunst belehrt. Über seine Pflicht, die Wahrheit zu sagen. Und über sein Zeugnisverweigerungsrecht, wenn er sich durch seine Aussage möglicherweise sich der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (§ 55 StPO). Und er bekam den Hinweis, daß er auf Antrag auch einen Rechtsanwalt als Zeugenbeistand bekommen wird, wenn er das beantragt (§ 68b StPO). Soweit, so ordnungsgemäß unter den kritischen Augen von sechs Verteidigern.

Daß der Ankauf und der Besitz von Kokain strafbar ist, dürfte sich auch in den entlegensten Winkeln des Berliner Nachtlebens herumgesprochen haben. Die Verteidiger, die Strafkammer und sogar die Staatsanwaltschaft gingen also von einer extrem kurzen Befragung des Zeugen aus.

Aber nein. Der Zeuge wußte es besser:

Ich brauche keinen Beistand, und ich möchte aussagen.

tönte er selbstbewußt.

Zwei Stunden später weiß er nun, daß er eben nicht klüger ist als die zehn Volljuristen im Saal. Und falls er es doch noch nicht so richtig verstanden hat, wird ihm das sein künftiger Verteidiger erklären. Den wird er brauchen und notfalls bekommen, wenn es losgeht mit dem Verfahren gegen ihn. Wegen Falschaussage und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Es ist einfach ungerecht, daß die Evolution bei der Entstehung des Gehirns um manche Menschen einen großen Bogen gemacht hat.

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Der Vulkan, das Gericht und die Türkei

Die Geschäftsstelle des Amtsgerichts rief heute morgen an und teilte mit:

Der Termin in der Bußgeldsache am 20.04.2010 um 9:30 Uhr wurde aufgehoben. Die zuständige Richterin sitzt in der Türkei fest.

Der Mandant hat damit kein Problem, die Frist zur Tilgung seiner Voreintragungen im Flensburger Verkehrszentralregister läuft weiter. Er bedankt sich beim Betreiber des Vulkans im Gebiet des Eyjafjallajökull-Gletschers.

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Bezirkliche Grillordnungen

… das Grillgut muss kleinteilig sein, das heißt, auch in diesen Sommer wird es wieder nichts mit dem Spanferkelessen im Tiergarten. Ganze Schweine, Rinder, Hammel, Truthähne zu grillen ist verboten.

berichtet der Tagesspiegel.

Was sonst noch Spaß macht, weil es verboten ist, kann man bei der Senatverwaltung für Stadtentwicklung und in dieser Broschüre nachlesen.

Man könnte seitens der Bezirksverwaltungen vielleicht auch noch darüber nachdenken, ausschließlich das Grillen von Biogemüse und Fleisch von glücklichen Kühen zu gestatten. Wo kämen wir denn hin, wenn hier jeder machen grillen würde, was er will.

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Der Baum am 16.04.2010

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Reißverschluss-Geräusch

Aus einer Ermittlungsakte:

Der Tatverdächtige befand sich vor dem Wohnhaus der Burgstr. 9 als einzige Person und überquerte sofort die Straße als er uns sah. Er verschwand in den Innenhof gegenüber, Burgstr. 14. Frollein F. wurde aufgefordert, am Funkwagen zu warten.

Wir nahmen dann sofort die Verfolgung auf und trafen ihn in einem Gebüsch an. Ich, POM’in Bullmann, nahm ein Reißverschluss-Geräusch war. Er hielt seine Hände am „Hosenstall“.

Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Festnahme-Bericht dazu beitragen wird, den Tatverdächtigen einer versuchten Vergewaltigung zu überführen.

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Drei-Wetter-Minister

Einmal mehr eine geniale Seite 1 der taz.

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Ihr seid ein Volk

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat am Donnerstag die Klage einer Frau abgewiesen, die als Ostdeutsche keine Stelle bei einer schwäbischen Firma bekam. Die Frau, die seit 22 Jahren im Großraum Stuttgart lebt, hatte sich im Sommer 2009 als Buchhalterin bei einem Fensterbauer beworben. Der Arbeitgeber hatte der 49-Jährigen die Bewerbungsunterlagen zurückgeschickt – und auf dem Lebenslauf notiert: „(-) Ossi“.

Dieser Vermerk könne zwar als diskriminierend verstanden werden, urteilte das Gericht. Er falle aber nicht unter die gesetzlich verbotene Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft. „Ossis“ seien kein eigener Volksstamm.

Quelle: SPON

Dieses Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist doch immer wieder eine Quelle der fröhlichen Unterhaltung.

Nebenbei: Ist der Name der Buchhalterin eigentlich schon künftigen potentiellen Arbeitgebern in der Öffentlichkeit bekannt?

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„Das Unerhörte zu Gehör zu bringen“

Gerade an den aussichtslosen Fällen zeigt sich, wie viel Rechtsstaat wir uns leisten – und vor allem, wie viele Fragen an sich selbst dieser Rechtsstaat zulässt. Wer sonst sollte sie stellen, wenn nicht der Verteidiger?

Ernst genommene Strafverteidigung dient also nicht nur den Interessen des Angeklagten, sondern auch dem Rechtsstaat selbst. Sie will dafür nicht bewundert, aber in jedem Fall respektiert werden. Auch wenn es manchmal schwerfällt.

Der Münchener Strafverteidiger Werner Leitner nimmt den Fall vom S-Bahnhof München-Solln, bei dem ein „hilfsbereiter Mensch zu Tode gebracht“ wurde, zum Anlaß, in einem sehr lesenswerten Kommentar in der Süddeutschen über das Selbstverständnis der Strafverteidigung nachzudenken.

Ein Standard-Thema, mit dem jeder Strafverteidiger sich immer wieder auseinandersetzen muß. Bei seiner täglichen Arbeit. Und abends auf der Party, wenn es ihm nicht gelungen ist, seinen Beruf zu verheimlichen.

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Müsli – flächendeckend

Das Umweltbundesamt ist für die Einführung einer Pkw-Maut. Sie sollte flächendeckend und von der Fahrstrecke abhängig sein. Dadurch lasse sich am besten der Autoverkehr steuern und die Umwelt entlasten, heißt es …

berichtet heute die Berliner Zeitung.

Die flächendeckende Maut nach Fahrleistung ist aus Sicht des UBA auch ideal, um den Verkehr ökologisch zu steuern.

Aha. Und die Daten werden selbstverständlich nur und ausschließlich im Zusammenhang mit der Erhebung der Maut verwandt. Mir scheint, diesen Umweltbundesbeamten ist ihr morgendliches Müsli nicht gut bekommen.

Foto: Thomas Max Müller via Pixelio

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