Monatsarchive: Mai 2010

Die Strafprozessordung und das Jugendstrafrecht

In einer Jugendstrafsache wurden die Mandantin, 15 Jahre, und ihre gleichaltrige Freundin

angeklagt,
in Berlin
am 25. März 2009
als Jugendliche mit Verantwortungsreife
gemeinschaftlich handelnd

I.

    eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht weggenommen zu haben, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueigenen,

sowie durch zwei weitere selbstständige Handlungen

II.

    einen Menschen rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt zu haben

sowie durch eine weitere selbstständige Handlung

III.

    einen Menschen rechtswidrig unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einer Handlung genötigt und dadurch dem Vermögen eines anderen Nachteil zugefügt zu haben, um sich zu Unrecht zu bereichern.

[…]

Verbrechen und Vergehen, strafbar nach den
§§ 255, 253, 249, 240, 241, 22, 23, 25 Abs.2, 52, 53 StGB,
§§ 1,3 JGG

Zwei Stunden nach der Verlesung der Anklageschrift erging das Urteil.

Der Mandantin wurde aufgeben, sich für ein Jahr der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen (Betreuungsweisung, § 10 I Nr. 5 JGG).

Die Geschädigte, ebenfalls Jugendliche, konnte sich an vieles nicht mehr erinnern. Deswegen konnten die Vorwürfe aus der Anklage zu I. und III. nicht bestätigt werden.

Die Mandantin hatte sich – meinem Rat folgend – erst nach der Vernehmung der Geschädigten als Zeugin zur Sache eingelassen. Üblich und von der Staatsanwältin ausdrücklich gewünscht war die Einlassung der Mandantin unmittelbar nach Verlesung der Anklage und vor Vernehmung der Zeugen.

Ich hatte den Eindruck, die Staatsanwältin war nicht darüber amüsiert, daß die Verteidigung die Rechte der Angeklagten aus der Strafprozeßordnung (StPO) auch im Jugendstrafverfahren wahrnimmt. „Das tut dem Mädchen nicht gut!“ mußte ich mir anhören.

Ob die Vorenthaltung von Verfahrensrechten, die die Basis eines jeden rechtsstaatlichen Verfahrens sind, dem „Mädchen“ besser bekommen wäre, wurde nicht erörtert.

Nur nebenbei sei gesagt: Der Beschleunigungsgrundsatz in Jugendstrafsachen gehört auch zum Rechtsstaat. Die Anklageschrift lag jedoch erst ein gutes Jahr nach der Tat auf dem Richtertisch. Aber dann ‚rumnörgeln, wenn die Verteidigung sich der Spielregeln bedient, die eben dieser Rechtsstaat zur Verfügung stellt …

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Betrugswarnung per Verkehrsfunk

Bereits gestern auf der Autobahn von Berlin in Richtung Westen und heute wieder auf der Rückfahrt: Der Verkehrsfunk warnt vor Betrügern auf der Autobahn:

Es soll sich um Gruppen von Personen handeln, die aus Rumänien stammen. Durch Winken mit Benzinkanistern oder Abschleppseilen werden vorbeifahrende, hilfsbereite Autofahrer veranlaßt, anzuhalten.

Hält ein Fahrer an, dann wird er mit allerlei Geschichten um Benzingeld gebeten. Als Gegenleistung wird dem Autofahrer „wertvolles Geschmeide“ zum günstigen Preis angeboten. Bei dem Schmuck aus scheinbar echtem Gold handelte es sich um billige Imitate. Das relativ wertlose Zeug – so genanntes Autobahngold – ist sogar geprägt.

Diese Methode, an anderer Leute Geld zu kommen, hat eine andere Qualität wie das Scheibenputzen am Kottbusser Tor. Einmal abgesehen von der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch haltende Fahrzeuge: Diejenigen, die tatsächlich einmal Hilfe benötigen, werden sich dafür bedanken, daß künftig kein Mensch mehr anhält, weil stets eine Betrugsmasche dahinter vermutet wird.

Und noch eines, nicht zuletzt:

Die allermeisten Rumänen sind keine Fensterputzer und Autobahngold-Händler, sondern ganz ehrbare und liebe Leute. Und die dürften über das Verhalten ihrer Landsleute sicherlich auch nicht amüsiert sein. Denn es ist sicherlich vom gemeinen Bildzeitungsleser nicht zu erwarten, daß er differenziert.

Und in der angewandten Vorurteilsforschung bei Ermittlungsbehörden und Gerichten ist genau wegen solcher Auftritte auch nicht einfacher für die Verteidigung.

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Och nö!

Unser Kreuzberg bleibt sauber. So!

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Beglückungsterrorist

Die Reaktion eines Kollegen auf meine eMail, in der ich seine unerwünschte Werbung als das bezeichnet hatte, was sie ist.

Ich bedauere, dass Sie Information als „Spam“ betrachten, da wir uns die Mühe gemacht haben ein kostenloses Portal allen Kollegen zwecks Terminsvergabe zur Verfügung zu stellen. Ihren Drohungen sind mir unverständlich, aber sei´s drum.

Zu Ihrer Beruhigung gebe ich nachfolgende Unterlassungserklärung ab und betrachte die Angelegenheit damit als erledigt.

Genau darum hatte ich ihn gebeten. Jetzt bin ich beruhigt.

An alle anderen Beglückungsterroristen: Ich brauche keine kostenlose Portale.

Und Spam schon mal gar nicht, erst Recht nicht auf meine eMail-Adresse, die der Spammer offenbar aus einem Anwaltsformum geklaut hat.

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Und jetzt kommen Sie mir so …

Vor Aufruf der Sache teilte mir der Staatsanwalt in einem Gespräch „außerhalb des Protokolls“ mit, daß er nicht bereit sei, eine Strafaussetzung zur Bewährung mitzumachen:

Kommt überhaupt nicht in Frage!

Mein Mandant und eine Zeugin haben mir vorher schon mitgeteilt, daß zwei weitere geladene Zeugen nicht kommen werden.

An diesen beiden Kriterien orientierte sich mein Rat an den Mandanten: Verteidigung durch Schweigen.

Nach 90 Minuten Beweisaufnahme stand fest, ohne die beiden Zeugen kommen wir nicht aus; und das von mir beantragte Sachverständigengutachten über die Schuldfähigkeit ist auch erforderlich.

Es sei denn, wir verzichten auf die Aufklärung und finden einvernehmlich eine „prozessuale Wahrheit“. Die Richterin bat den Staatsanwalt und mich zum Rechtsgespräch.

Das Hauptargument des Staatsanwalts:

Wenn Ihr Mandant hier schweigt, kommt eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht in Frage. Das hätte er sich von Anfang an anders überlegen sollen. Jetzt ist es zu spät.

Ich habe in langen Jahren mühsam gelernt, in solchen Situationen die Nerven zu behalten und dem Staatsanwalt nicht an die Gurgel zu springen. Statt dessen habe ich die Richterin friedlich gebeten, die Sache wieder aufzurufen und weiter zu verhandeln.

Der Termin wurde ausgesetzt, ein Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt und ein neuer Termin für Oktober 2010 vereinbart. Vielleicht erscheinen diesmal ja alle Zeugen. Oder auch nicht.

Und wenn das Landgericht über die Berufung zu entscheiden hat, ist es sicherlich Winter. 2011/2012. Dann gibt es die Bewährung allein aus Zeitgründen. Sofern sich die Zeugen überhaupt noch an irgendwas aus den März im Jahre 2009 erinnern können. Drei Jahre sind eine sehr lange Zeit für alkoholkranke Menschen.

Foto: Jürgen Hüsmert via Pixelio

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Polizisten und der Pawlowsche Hund

82 Prozent der befragten Polizisten gaben an, im vergangenen Jahr im Dienst beleidigt oder bedroht worden zu sein, rund 27 Prozent wurden geschlagen oder getreten. Jeder 50. Polizist wurde mit einer Schusswaffe bedroht.

berichtet die taz über die Studie von Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen.

Und? Wie verhindert man das? Ist doch klar:

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) verlangte am Mittwoch, die Höchststrafe für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte von zwei auf vier Jahre anzuheben: „Die höhere Strafe wäre ein wichtiges Signal.“

So sind sie, unsere Innenminister.

Glücklicherweise hat Pfeiffer auch ein paar sinnvolle Ideen, wie man diesem Phänomen begegnen kann.

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Links ist da, wo der Daumen rechts ist

Ok, Frank Hanebuth und Peter Maczollek muß man namentlich nicht kennen. Aber der Herr da rechts mit den gold-roten Patches, daß das kein Angel ist, sollte auch ein Reporter Mitarbeiter der BZ-Berlin recht einfach ergooglen können.

Andererseits … man sollte die BZ-Schreiber auch nicht überfordern.

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Kein Patent, sondern eine Marke

Ok, ich habe mich belehren lassen. Die Wanne ist nun doch nicht patentiert.

Patentiert? Das kann nicht sein. Sie meinten wohl eine Markenanmeldung?

schrieb mir Rechtsanwalt Christian Säfken hier ins Gesangbuch.

Dann eben die Wanne als Marke. Voilà:

Die Wannenmarke

Besten Dank an den Braunschweiger Strafverteidiger Werner Siebers, der die erste Marke per Post bekommen hat und von dem das Foto stammt, mit dem belegt wird, daß es die Wanne wieder einmal bis nach Braunschweig geschafft hat.

Und für die nächsten Grußkarten ist auch noch Nachschub vorhanden:

… ohne den Aufdruck „Muster“.

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Schwarze Blitze in Britz

Ab heute sind die sogenannten schwarzen Blitzer im Autobahntunnel Berlin-Britz der A 100 in Betrieb.

Nach Mitteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wurden insgesamt 16 Schwarzblitzgeräte und 16 Kameras eingebaut. Damit die Front- und Heckfotos von allen drei Fahrspuren dann in den richtigen Computer kommen, wurden rund 9.500 Meter Kabel verlegt.

Die Überwacher sind aber fair: Sie weisen am jeweiligen Tunneleingang mit Schildern auf die Meßstelle hin. Das wird Verzögerungen bei der Amortisation der Kosten – immerhin runde 1,4 Mio Euro – zur Folge haben. Obwohl: Im Münchner Autobahntunnel wurden mit der gleichen Technik in zwei Wochen rund 2.500 Autofahrer registriert. Das dauert also nicht lange …

Aber: Auf die ersten Gutachten, deren Erstellung findige Verteidiger bei Gericht durchsetzen werden, bin ich gespannt. Es ist nicht auszuschließen, daß die 1,4 Mio noch nicht das Ende der Investition sind.

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Der Wannenmarkenbogen

Hübsches Bildchen, mit dem unsere Mandanten nun Post bekommen.

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