Monatsarchive: August 2010

Verhandlung bis es quietscht

Wir haben einen Verkehrsunfall reguliert, bei dem der Motorradfahrer erheblich verletzt wurde. Offen waren noch die Ansprüche aus dem Personenschaden, also Schmerzensgeld, Haushaltsführungsschaden und ein bisschen Verdienstausfall.

Der gegnerische Versicherer hat sich bereit erklärt, eine Abfindungszahlung zu leisten und lieferte ein knapp fünfstelliges Angebot, das genauso wenig akzeptabel war, wie unsere Gegenforderung. ;-)

Wir haben uns dann Schritt für Schritt angenähert. Eigentlich hat man das Quietschen des Versicherers aus Süddeutschland bis Kreuzberg gehört, als er uns sein „allerletztes“ Angebot am 21.07.2010 übermittelt.

Unter Anwendung der Technik, die zweimal in der Woche auch auf dem Markt gegenüber unserer Kanzlei die übliche Umgangsform darstellt, konnten wir noch einmal nachlegen.

Der freundliche Versicherer will uns nun aber endlich loswerden:

in obiger Angelegenheit haben wir Ihnen mit Schreiben vom 21.07.2010 unser letztes Abfindungsangebot ausreichend belegt und begründet. Es wurden auch alle bekannten Umstände berücksichtigt. Daher ist eigentlich kein Grund für eine Aufbesserung unseres Angebotes ersichtlich.

Allein im Zuge einer einvernehmlichen und außergerichtlichen Schadenregulierung schlagen wir, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und Präjudiz vor, dass wir uns die im Raum stehende Differenz teilen.

Das sind nochmal weitere 3.000 Euro für den Mandanten. Angesichts seiner kaputten Knochen ist das nicht zu viel … Man sollte eben nicht zu früh aufgeben.

9 Kommentare

Flickschuster gesucht

Das Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg will auf externe Hilfe zurückgreifen, um die Flut der Klagen gegen das Amt abzuarbeiten. Als erstes der zwölf Jobcenter in Berlin sucht es mit einer europaweiten Ausschreibung (PDF) nach Anwälten, die das Amt vor dem Sozialgericht vertreten.

berichtet Sebastian Heiser heute in der taz.

Das ist genau die Art von Mandat, wie sie Anwälte lieben: Der Mandant hat es erst einmal selbst versucht, bis er gemerkt hat, daß er den Karren richtig in den Dreck gefahren hat.

Konkret geht es um 500 bis 800 Klagen, die zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe im kommenden Monat noch nicht abgeschlossen sind. Darunter sind auch Gerichtsverfahren, die sich bereits länger als fünf Jahre hinziehen. Sie konnten bisher „aufgrund der Komplexität des Sachverhaltes und der Rechtslage noch nicht zum Abschluss gebracht werden“, erläutert Andreas Ebeling, Sprecher der Berliner Arbeitsagenturen, gegenüber der taz.

Und dann läuft er zum Anwalt und verlangt, daß der ihn wieder da raus holt. Ganz klar ist dann aber auch:

Dem Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg ist wichtig, dass ihr Auftrag an Anwälte mit hoher Kompetenz geht …

Auch immer wieder gern gehört:

– und dafür gibt man auch gerne etwas mehr Geld aus.

Wie ihm richtigen Leben!

Und wenn dann der Anwalt um einen Vorschuß bittet, stellt sich heraus, daß kein Geld da ist.

Ein Oberstudienrat als Mandant wäre mir da echt lieber … aber für einen Strafverteidiger ist das ohnehin kein Job. Jedenfalls jetzt noch nicht.

6 Kommentare

Kein Lebenszeichen

Dem Mandanten wird eine Vergewaltigung vorgeworfen. Er bestreitet den Tatvorwurf massiv.

Dann haben wir von der Staatsanwaltschaft die Akte bekommen. Den Inhalt würde ich gern mit dem Mandanten erörtern, um in einer Verteidigungsschrift den Vorwürfen entgegen zu treten.

Der Mandant meldet sich nicht. Nicht auf einen normalen Brief, nicht auf einen roten Brief, nicht auf die Wannen-Postkarte und auch nicht auf mehrere SMS.

Die Staatsanwaltschaft forderte uns noch ein zweites Mal zur Stellungnahme auf. Der Mandant gibt kein Lebenszeichen.

Es bleibt mir nichts übrig, als – untätig – den Eingang einer Postzustellung abzuwarten: Die Anklageschrift wird kommen. Und das, obwohl der Tatvorwurf durchaus zu entkräften ist. Dann eben erst in der Beweisaufnahme vor dem Gericht.

Für den Mandanten beginnt der count down, wenn er nicht aufersteht : 1. Zustellung der Anklage. 2. Zustellung der Ladung. 3. Vorführung oder Verhaftung (§ 230 II StPO).

Alles vermeidbar, wenn er sich nur mal melden würde.

10 Kommentare

Extremer Kaffee

Es geht nichts über eine leckere Tasse Caffè.

Aber ich weiß nicht, was passieren wird, wenn ich dieses Zeug unseren Mandanten serviere.

4 Kommentare

Polizeiliche Wortschöpfung

Ermittlungsakten, in denen sich Berichte von Polizeibeamten befinden, sind immer wieder ein Quell der Freude. Nun habe ich schon wieder ein neues Wort gelernt:

Klaugut. Das kann man aber auch schnell mal mistverstehen.

11 Kommentare

Das Zitat zum Frühstück

Diese teetassenhafte Besorgnis um Sarrazins Tischfeinheit zeigt, dass der Mann schmutzige Gedanken in den Mund nimmt, die viele Leute mit sauberen Händen im Kopf haben, wenn es um die in- und ausländischen Unterschichten geht.

Quelle: Tagesspiegel

4 Kommentare

Für künftige Blogbeiträge bestellt

Man will ja mitschimpfenreden. Schade nur, daß die Lieferzeit derzeit zwischen einer und drei Wochen liegt.

Scheint wohl sehr begehrt zu sein, dieser Herr Sarazin. Oder auch nicht:

Der Migrationsrat Berlin-Brandenburg protestiert gegen einen geplanten Auftritt Thilo Sarrazins beim Internationalen Literaturfestival im Berliner Haus der Kulturen der Welt.

berichtet der Tagesspiegel. Die organisierten Migranten möchten mit Herrn Sarazin nicht über das Buch diskutieren:

Nuran Yi?it, die Sprecherin des Migrationsrates Berlin Brandenburg, der sich als Interessenvertretung von Migranten in der Region versteht, sagte Tagesspiegel.de: „Wir sind dagegen, dass das Haus der Kulturen der Welt Herrn Sarrazin ein Plattform für seine rechtsnationalen und rechtspopulistischen Äußerungen bietet“.

In drei Wochen habe ich das Buch gelesen, dann rede ich mit. Vorher nicht.

20 Kommentare

Schiere Überforderung

Aus dem Vermerk einer Staatsanwaltschaft, die sich mit ihrem Aufruf an die Bevölkerung, Strafanzeigen zu erstatten, ein wenig übernommen hat.

Angesichts der schieren Masse an bereits vorliegenden Verfahren auf der einen Seite und der personellen Knappheit auf der anderen Seite ist eine angemessene Bearbeitung aller Verfahren gegen die Verkäufer und Käufer nicht länger möglich, zumal in den oben erwähnten Js-Verfahren Haftbefehle vollstreckt werden und die sachbearbeitenden Beamten mit den vorrangigen Auswertungen alleine bzgl. dieser Beschuldigter längere Zeit nicht dafür zur Verfügung stehen.

Aufgrund dessen werden ab sofort keine Verfahren gegen Käufer und Verkäufer mehr übernommen.

Da hat wohl jemand den Mund zu voll genommen.

Nun, ein solcher Vermerk stellt für die Verteidigung eine durchaus wertvolle Information dar. Kommt Zeit … kommt Einstellungsangebot.

7 Kommentare

Kein Spinner!

Nein, Rechtsanwalt Dr. Welf Haeger ist kein Spinner.

Wer uns als „Spinner“ abtut, sollte nicht vergessen, daß noch vor einigen Jahren die Gründer anderer revolutionärer Geschäftsmodelle wie Facebook, Wikipedia oder Linux-Open Source ebenfalls als „Spinner“ betrachtet wurden.

Er wird mit seinem revolutionären Einheitspreis von 36 € netto pro Stunde so schnell wie möglich expandieren. Sagt er, er hier:

Und hier ist seine aktuelle PRESSEMITTEILUNG FÜR JURABLOGS 25.8.2010.

8 Kommentare

Er hat’s geschafft

Richter K., der hier im Blog schon wiederholt Hauptfigur mancher unterhaltsamer Beiträge war, hat es nun endgültig geschafft.

Über das Kammergericht, das deutliche Worte spricht, und das Weblog von Detlef Burhoff, der als ehemaliger Richter am OLG Hamm völlig fassungslos ist, hat er den Weg in das Lawblog von Udo Vetter gefunden.

Ich gratuliere!

8 Kommentare