Monatsarchive: August 2010

Kryptiert

In einer Ermittlungsakte schreibt ein Staatsanwalt einen Vermerk:

Da der Beschuldigte den PC nicht kryptiert hatte, konnte dieser ausgewertet werden.

Heißt das nicht „verkryptifiziert“?

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Fallerslebens Lumpen


Ihm, dem Herrn Hoffmann von Fallersleben, wird folgendes Zitat nachgesagt:

Der größte Lump im ganzen Land,
das ist und bleibt der Denunziant.

Ich finde, Fallersleben hat grundsätzlich Recht, wenn er – wie ich – Verräter nicht mag. Aber nicht alle sind mit ihm einverstanden. Oder – erst Recht – nicht mit mir, wenn ich ab und an einen Zeugen, der Insider-Informationen an die Ermittlungsbehörden weitergibt, als Verräter diskriminiere bezeichne.

Selbstverständlich ist es nicht zu verurteilen, wenn jemand sich bereit erklärt, den Ermittlungsbehörden unter die Arme zu greifen. Schließlich geht es – jedenfalls in den von mir berichteten Fällen – meist um erhebliche Verbrechen, die aufgeklärt werden sollen. Auch ich schätze und respektiere die Arbeit der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Aber deren Auftreten in der Gesellschaft unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von dem Lump, von dem Verräter: Sie mißbrauchen in aller Regel kein Vertrauen.

Diejenigen, die ich hier im Blog als Verräter bezeichnet habe, haben alle etwas gemein. Sie hatten zu den Verratenen ein Vertrauensverhältnis. Man ist – teilweise über Jahre hinweg – einen gemeinsamen Weg gegangen. Ob das nun der richtige Weg war oder nicht, kann dahin gestellt bleiben. Jedenfalls wußte der eine vom anderen, er kann sich auf ihn verlassen. Kann ihm vertrauen. Man sprach respektvoll von dem anderen als „Bruder“, als „Onkel“ oder versicherte ihm auf andere, ebenso deutliche Weise seine engste Verbundenheit, seinen Respekt.

Und irgendwann, ohne vorherigen Streit oder Zerwürfnisse, wird der Denunziant nach Informationen gefragt. Von der Polizei, weil er bei einer Straftat erwischt wurde. Manchmal ist es eine Straftat, die beide gemeinsam begangen haben. Es gibt auch Fälle, in denen der Lump von Straftaten des anderen berichtet, von denen er nur weiß, aber sonst nichts damit zu tun hatte.

Unser Rechtssystem verspricht dem Informanten einen Lohn (§ 46b StGB, § 31 BtMG). Strafnachlass heißt dieser Lohn. Statt 5 Jahre Freiheitsstrafe gibt es nur 3 Jahre. Zum Beispiel. Im „besten“ Falle: Straffreiheit. Für diesen Lohn liefert der Kronzeuge die Informationen, die die Polizei für ihre Ermittlungen braucht.

Der Verräter verkauft seinen ehemaligen „Bruder“, um seinen eigenen Arsch zu retten. Das bezeichne ich – auch im Zusammenhang mit dem Handel von Betäubungsmitteln oder was auch immer – als üblen Verrat und eigennützige Denunziation.

Solche Leute haben keinen Begriff von Respekt, sie haben keine Ehre im Leib. Sie verdienen keine Achtung.

Meine Mandanten wissen, daß ich ihre Verteidigung stets mit Vollgas betreibe. Sie wissen aber auch – und zwar von Anfang an, daß ich für die Begleitung eines Verrats grundsätzlich nicht zur Verfügung stehe. Diese Art der Verteidigung sollen andere Anwälte machen.

Vielleicht ist meine strikte Haltung dieser Sorte Menschen gegenüber mit dem Kapital begründet, das mir als einzige Basis für meine Arbeit als Strafverteidiger zur Verfügung steht: Vertrauen.

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Eine bestimmte Anzahl Ladys / Weiber

Aus einer Ermittlungsakte, es geht um schwunghaften Handel mit Betäubungsmitteln.

Polizeibeamter:
Sie kündigten jeweils vor den einzelnen Berlinfahrten gegenüber der Person an, dass Sie mit einer bestimmten Anzahl Ladys/ Weiber zu der Person kommen würden. Äußern Sie sich dazu!

Verräter Beschuldigter:
Eine Lady oder ein Weib bezeichnete die Menge von 5 Gramm Kokain.

Auch noch frauenfeindlich, dieser Dealer.

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Richterlicher Rat als Entschuldigungsgrund?

Zufällig begegnete mir der Vorsitzende Richter einer Schwurgerichtskammer auf dem Flur. Das Schwurgericht urteilt über Delikte am Menschen, oft über Mord und Totschlag.

Ich hatte ein paar Tage zuvor eine Beschwerde gegen einen Beschluß dieser Kammer erhoben. Darüber wurde nun entschieden. Erwartungsgemäß zu Lasten meines Mandanten: Die Beschwerde wurde verworfen.

Mein Antrag war ganz klar unbegründet, jedenfalls für den Eingeweihten, der die ständige Rechtssprechung kennt. Ich hatte mir eine (ok, ein wenig abseitige) Literaturmeinung zu eigen gemacht und ein mir ein bisschen was eigenes einfallen lassen. (Das eigentliche Ziel der Beschwerde hatte ich dann aber doch erreicht, aber das ist eine andere Geschichte, auf die ich noch zu sprechen komme.)

Über das Ergebnis der Entscheidung kamen der Vorsitzende und ich kurz ins Gespräch:

Richter:
Alles andere als die Ablehnung der Beschwerde hätte mich auch sehr verwundert. Schließlich steht der BGH felsenfest gegen die von Ihnen vertretene Ansicht.

Verteidiger:
Nun, ich wollte es nicht unversucht lassen. Und außerdem: Wenn es geklappt hätte, wäre ich in die Zeitung gekommen.

Richter:
Das können Sie einfacher haben: Begehen Sie einen Mord, dann steht Ihr Name morgen auf der Titelseite der BZ.

Verteidiger:
Gute Idee, ich denke mal drüber nach!

Schade, es ist in Berlin nicht mehr eindeutig vorhersehbar, welcher Richter für eine solche Tat, wenn ich sie denn begehen würde, zuständig sein wird.

Aber das wäre doch ein echter Knaller, wenn ich nach Verlesung der Anklageschrift und zu Beginn meiner Einlassung als Angeklagter vor der versammelten Presse von diesem Flurgespräch berichten würde. Dann käme ich ein zweites Mal auf die Seite 1. Und der Vorsitzende gleich mit.

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Der gerettete Tag

Ich hatte mich wieder geärgert und gleich zu Beginn der Verhandlung vor dem Strafrichter richtig schlechte Laune.

Ein schweigender Angeklagter. Sechs Zeugen; davon vier, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Verurteilung des Angeklagten hatten. Ein technisches Sachverständigengutachten.

Bei einer Verurteilung des Angeklagten steht eine offene Bewährung zur Disposition. Das war schon aus der Akte erkennbar eine Freispruchverteidigung. Also eine Verteidigung, die den Freispruch zum Ziel hatte und damit auch für den flüchtigen Betrachter der Akte erkennbar auf eine schwierige Beweisaufnahme hinaus laufen mußte.

Und dann schickt die Staatsanwaltschaft als Sitzungsvertreterin trotzdem eine Referendarin in den Ring. Auch der Richter zog die Mundwinkel nach unten.

Nach einer aufregenden Verhandlung stand es dann auch zur Überzeugung der Referendarin fest, daß der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen haben konnte. Die Auszubildende hielt über eine Viertelstunde lang einen wirklich hervorragenden Schlußvortrag und beantragte Freispruch.

Es folgte dann mein Lieblingsplädoyer:

Ich schließe mich den überaus überzeugenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft an und beantrage ebenfalls Freispruch.

Die Referendarin traf ich dann einige Zeit später auf dem Flur wieder. Sie bedankte sich für das Lob des Verteidigung und lud mich ein ins Café gegenüber.

Die gute Stimmung war wieder hergestellt.

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Auf freiwilliger Basis

Die Mandantin wurde auf frischer Tat erwischt. Beim versuchten Diebstahl von zwei Bierdosen und einer Packung Käse. Aus dem Schlußbericht der Polizei:

Frollein F. wurde der Polizei übergeben. Diese äußerte sich nicht und gab an, dass sie sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen will. Frollein F. gab auf freiwilliger Basis eine DNA-Probe ab.

Nota bene: Es geht hier nicht um den bandenmäßigen Handel von Heroin im Kilobereich. Auch nicht um ein Sexualverbrechen. Ein schlichter Ladendiebstahl, begangen von einer alkoholkranken Frau; Schaden: 0,00 Euro. Trotzdem wird eine erkennungsdienstliche Behandlung vorgenommen.

Die Daten aus der „freiwilligen“ DNA-Probe werden nun die nächsten 100 Jahre den Ermittlungsbehörden zur Verfügung stehen. Ich gratuliere zu diesem Fahndungserfolg und zu der Verwirklichung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

Ich weiß nicht, warum mit das in diesem Zusammenhang gerade einfällt: Die Behörden der ehemaligen DDR haben Geruchsproben von Verdächtigen in Einmachgläsern konserviert. Genützt hat es nichts.

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Nachschub für Kreuzberger Strafverteidiger

Wer demnächst mal einen richtig knackigen Raub plant, sich aber

    entweder die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache unter Zueignungsabsicht mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben noch nicht so richtig zutraut,
    oder aber bei der Wahl der Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, die er dabei verwenden möchte, noch nicht schlüssig ist,

kann sich hier beraten lassen:

Und wer erstmal ein bisschen rauben üben möchte … für den werden sogar individuelle Schnupperkurse im Rahmen eines Praktikums angeboten.

Tja, liebe Leser, sowas gibt es nur bei uns in Kreuzberg. Hier wird sich noch um den Nachschub Nachwuchs gekümmert.

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Avocado mit Hoenig

Lecker Avocado und Honig!

Quelle: Das Blatt mit den dicken Buchstaben und den Einsilbenwörten.

Also, richtig schön falsch wäre es ja gewesen, wenn der spanische Gastwirt den Honig dann auch mit „e“ geschrieben hätte.

Besten Dank für das Fundstück an Nico Mass.

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Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Der Mandant beauftragte mich mit seiner Verteidigung im Ermittlungsverfahren. Nachdem ich Akteneinsicht erhalten habe, stellte ich fest, daß dem Mandanten bereits ein Strafbefehl zugestellt wurde und die Rechtsmittelfrist mittlerweile abgelaufen ist.

Außer der Mitteilung der Polizei, daß gegen ihn ermittelt wird und er sich äußern könne, habe er nichts bekommen, teilte mir der Mandant mit. Er schwört Stein und Bein, daß er auch keinen Strafbefehl in seinem Briefkasten gefunden hat.

Ich habe in seinem Auftrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 44 StPO) beantragt, seinen Schwur (s.o.) in eine „Eidesstattliche Versicherung“ gegossen und zur Glaubhaftmachung (§ 45 II StPO) dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügt.

Das Gericht hält diesen Antrag für unzulässig:

Ich frage mich, was der Mandant hätte vortragen sollen, um glaubhaft zu machen, daß das, was der Mitarbeiter der

da auf den gelben Zettel (vulgo: Zustellungsurkunde) notiert hat. Das Landgericht wird mir diese Frage wohl beantworten.

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Frisch vom Kosmetiker

Jetzt klebt wieder alles.

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