Monatsarchive: August 2010

Verhandeln oder akzeptieren?

Einmal abgesehen von dem Grundsatz, ein Verteidiger sollte grundsätzlich immer versuchen, den Vorschlag der Straf- und Bußgeldstelle des Finanzamts nach unten zu verhandeln.

Und vorausgeschickt, daß dieses Angebot eigentlich ein Oberspitzensupersonderangebot ist:

Soll der Verteidiger "Ja und Amen" sagen oder weiter verhandlen?


     

 

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Die richtige Antwort steht im Gesetz. ;-)

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Die Luft wird dünner für Raucher

Ein striktes Rauchverbot ist […] nicht unverhältnismäßig.

Auch und erst Recht nicht in Bayern. Meint jedenfalls das Bundesverfassungsgericht in einer Pressemitteilung zu seinem Nichtannahme-Beschluß BVerfG, 1 BvR 1746/10 vom 2.8.2010.

Eine Entscheidung, die mir vertretbar erscheint. Entweder es darf geraucht werden oder eben nicht. Alles andere dazwischen ist Gemurkse und führt zu Neuköllner / Kreuzberger Verhältnissen, wo – gefühlt – in *jeder* Gaststätte irgend ein bedauernswerter Süchtling immer raucht, weil der Gastwirt irgendeinen Ausnahme-Tatbestand reklamieren zu müssen meint.

Und wenn das nun schon die Bayern und sogar die Italiener hinbekommen, nur an der frischen Luft zu rauchen, dann kann das doch so schwer nicht sein.

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Der Rechtsstaat in der Praxis

Wir waren zu zweit angerückt. Der Sozialrechtler und ich. Der Mandant wartete außerhalb des Gerichtssaals auf den Aufruf der Sache.

Meinem Mandanten wurde vorgeworfen, zu Unrecht Leistungen zum Lebensunterhalt bezogen zu haben. Der Vorwurf lautete: Gewerbsmäßiger Betrug in mehreren Fällen.

Bis zu diesem Ermittlungsverfahren war mein Mandant 67 Jahre lang unbescholten, hatte über 50 Jahre lang gearbeitet und hat sich verfrührenten lassen, um seine Mutter pflegen zu können. Der Vorwurf hat ihn in’s Mark getroffen.

Gegen die Rückforderungsbescheide hatte der Mandant mit Hilfe des Sozialrechtlers Klage erhoben und die Bescheide angefochten. Vor dem Sozialgericht kam es dann zu einem Vergleich, nachdem der Vorsitzende Richter am Sozialgericht dem Arbeitsamt (oder wie immer diese Behörde nun auch heißen mag) die Leviten gelesen hatte:

Der Vorsitzende weist darauf hin, dass viel dafür spricht, dass den Klägern [meinem Mandanten und seiner Ehefrau] im Leistungszeitraum […] ein erheblich geringeres Vennögen zur Verfügung stand. […] Vor diesem Hintergrund bestehen schon Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Hinzu kommt, dass die Beklagte [das Arbeitsamt] die Auswirkungen ihrer Änderungsbescheide unberücksichtigt gelassen und deshalb mehr zurückgefordert hat als sie bewilligt und ausgezahlt hat. Insoweit spricht sehr viel dafür, dass die Bescheide wegen fehlender Bestimmtheit rechtswidrig sind und aufgehoben würden.

Diese Standpauke wurde gehalten, nachdem zwei Monate zuvor der Staatsanwalt die Stellungnahme des Arbeitsamtes in die Anklage formuliert hatte. Der Spezialist beim Sozialgericht hat diese Stellungnahme statt dessen zerpflückt.

Nun sollte sich das Strafgericht noch einmal mit derselben Sache beschäftigen.

Die Staatsanwältin war – wie erwartet – nicht eingearbeitet; auf meine Frage, wann ihr die Akte vorgelegt wurde, damit sie sich auf den Termin vorbereiten könne, teilte sie mir zähnefletschend mit: Am Vorabend, zusammen mit vier anderen Akten. Sie kannte noch nicht einmal die Anklageschrift, die sie vorlesen sollte.

Und dann kam auch schon der Vorschlag des Gerichts, ob man sich denn hier nicht irgendwie einigen könne. Der Strafrichter muß wohl geahnt haben, was die Verteidigung plante; denn es wird schon seinen Grund haben, weshalb ich einen ausgewiesenen Spezialisten für das Sozialrecht mitgebracht habe.

Die Staatsanwältin ging dazwischen und verweigerte ihre Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens, noch bevor darüber geredet wurde.

Ich konnte nur pokern – eine umfangreiche Beweisaufnahme wollte mein Mandant nicht. Ich bin mir sicher, das hätte auch seine Gesundheit nicht ausgehalten. Und erst Recht nicht die seiner Frau. Also konnte ich die Folterwerkzeuge nur beschreiben, aber nicht anwenden: Beweisanträge, die das aufarbeiten, wozu schon der Sozialrichter keine Lust hatte.

Und dann kam ein trickreicher Vorschlag des Richters. Eine kurze Freiheitsstrafe zur Bewährung, keine weiteren Auflagen, Bewährungszeit zwei Jahre. Der Mandant solle bei Aufruf der Sache nicht in den Saal kommen, man geht dann über ins Strafbefehlsverfahren, die Staatsanwältin solle einen entsprechenden Antrag stellen und ich den Mund halten.

Das war nicht schlecht. Eine Bewährungsstrafe und Ruhe ist’s. Der Mandant braucht kein sauberes Führungszeugnis mehr, weitere strafrechtliche Probleme sind eher unwahrscheinlich.

Der Mandant war erleichtert, daß er nicht in den Saal muß, und war nach meiner Beratung damit einverstanden.

Die Staatsanwältin knirschte noch einmal mit ihren zerfletschten Zähnen, stimmte ebenfalls zu und tat, wie ihr der Richter geheißen.

Mit dem Strafprozeßrecht hat das aber nichts zu tun, meinte der Sozialrechtler beim Hinausgehen. Recht hat. Aber um Prozeßrecht geht es bei solchen Verfahren auch nicht.

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So GEZ nicht!

Die GEZ bemüht sich derzeit darum, ihren Ruf beim Volk zu verbessern. Wie so etwas nicht funktioniert, zeigt diese Mitteilung:

„Sie verdienen bereits eigenes Geld und halten im Haushalt Ihrer Eltern Rundfunkgeräte zum Empfang bereit?“ So beginnt das Schreiben, das R. und G. L. in ihrem Briefkasten fanden, adressiert an ihre Tochter. „Dann müssen Sie die Rundfunkgeräte in Ihrem Zimmer oder in dem auf Sie zugelassenen Kraftfahrzeug extra anmelden.“

Die Tochter, die nun Rundfunkgebühren zahlen soll, ist jedoch bereits 1990 im Alter von zwei Jahren verstorben. Wenig später folgte ein ähnlicher Brief im grünen Umschlag der GEZ, diesmal an den Sohn der L. Den machte das Ehepaar gar nicht mehr auf. Auch der Sohn war 1992 im Säuglingsalter gestorben.

berichtet T-Online.

GEZ, die nehmen’s echt nicht nur von den Lebendigen.

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… wie es wirklich war

Es war nicht ganz einfach, den Haftrichter davon zu überzeugen, daß er den Haftbefehl besser außer Vollzug setzt. Jedenfalls ist es ganz schön eng geworden.

Der Mandant hatte bereits vorher schon großes Glück gehabt. Die Polizeibeamtin war fair. Sie hat ihn telefonieren lassen, bevor sie ihn vernommen hat. Ich konnte dem Mandanten daher am Telefon den Standard-Rat erteilen: Außer seinem Namen und seine Anschrift solle er nichts sagen. Auch und gerade, wenn er so unschuldig ist, wie er mir erzählte.

Ich habe dann die Polizeibeamtin gebeten, ihn nicht (weiter) zu vernehmen. Sie hat sich an meine Bitte gehalten und den Mandanten dann nicht weiter befragt.

Ein paar Stunden nach seiner Entlassung rief der Mandant mich wieder an. Er wollte sich nochmal bei mir bedanken, daß ich ihn „rausgeholt“ hätte. Er sei nun gerade auf dem Weg zur Polizei. Um dort mal eindeutig klarzustellen, wie das Ganze sich wirklich abgespielt hat.

Ich mußte mir auf die Zunge beißen, um ihm die naheliegende Frage nicht zu stellen. Statt dessen habe ich ihn mit gesetzten Worten darauf hingewiesen, daß dies keine schlaue Idee sei. Es hat ein wenig gedauert, aber dann haben wir uns darauf geeinigt, daß er besser statt zur Polizei zu uns nach Kreuzberg kommt.

Nun warten wir die Akteneinsicht ab, sprechen dann mit den Verteidigern der Mitbeschuldigten und sehen weiter. Ob der Mandant dann Gelegenheit bekommen wird, seine wahre Geschichte zu erzählen, entscheiden wir später. Viel später.

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Unser Kammergericht. Aber sowas von schnell.

Gegen den Beschluß einer Strafvollstreckungskammer beim Landgericht hatte ich „Sofortige Beschwerde“ eingelegt. Und weil das eben „sofort“ sein mußte, konnte ich dieses Rechtsmittel nicht gleich begründen. Ich hatte noch ein paar andere Sachen zu tun; außerdem sollte der Mandant mir dabei helfen. Die Begründung habe ich dann drei Wochen später abgeliefert.

Das war gestern (am Sonntag), gegen 17 Uhr. Die Begründung habe ich sowohl an das Landgericht (iudex a quo) als auch an das Kammergericht (Rechtsmittelgericht – iudex ad quem) gefaxt.

Heute (am Montag) kam die Entscheidung des Kammergerichts, ebenfalls per Fax. Drei Seiten lang, unterschrieben von drei Richtern. Binnen weniger als 24 Stunden. Whow.

Damit hätte ich nicht gerechnet … niemals. Besten Dank in die Elßholzstraße!

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Kreuzberger Verhältnisse in der Oase

Ich war eigentlich der Ansicht, daß die letzten noch lebenden Anarchisten die Kreuzberger Radfahrer sind. Ok, vereinzelt dürfte es noch ein paar Neuköllner sein, die die StVO, soweit sie Radfahrer betrifft, mit minus eins ( -1) multiplizieren.

Anarchie in Kreuzberg

Aber offenbar es gibt noch mehr von diesen Überlebenskünstlern, und zwar in einer Ecke Europas, in der ich ausschließlich rechtschaffene und gesetzestreue Verkehrsteilnehmer auf blank geputzten Rädern mit funktionierenden Rücklichtern und Reflektoren in den Speichen vermutet hätte:

Generell stelle ich fest, dass Velofahrer in der Schweiz sich nicht um Vorschriften kümmern und sehr allergisch reagieren, wenn sie von Polizei oder Dritten auf missachtete Vorschriften aufmerksam gemacht werden…

berichtete der helvetische Markus Felber in seinen Kalenderblättern.

Anarchie in der Oase

Anarchie in der Eidgenossenschaft? Ich bin entsetzt!

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Explodierende Akteneinsicht

Die Hauptverhandlung soll am 14. September beginnen. In der vergangenen Woche habe ich Akteneinsicht beantragt. Diesem Antrag wurde kurzfristig stattgegeben:

Die Ermittlungsakten Bd. I bis IV sowie die Sonderhefte Bd. I bis VII liegen auf der Geschäftsstelle zur Abholung und Mitnahme in Ihre Kanzlei für drei Tage bereit. Die Beweismittelordner können nur auf der Geschäftsstelle eingesehen werden.

schreibt mir das Gericht. Soweit, so gut normal.

Am Freitagvormittag war ich auf der Geschäftsstelle. Die freundliche Mitarbeiterin übergab mir die Akten und Sonderhefte. Sodann forderte sie mich auf, ihr zu folgen. In’s „Lager“, sagte sie mir. Das kannte ich noch nicht.

Sie führte mich in einen fensterlosen Raum von etwa 80 qm, der voll gestopft war mit Kartons, wie ich sie von unserem Kanzleiumzug noch in Erinnerung hatte. Acht Stück dieser Papp-Container betrafen mein Verfahren, teilte mir die Mitarbeiterin mit. Jeder dieser Kartons war vollgepackt mit Aktenordnern („Leitzordner“). Die könne ich mir jetzt ja mal eben anschauen, meinte die Mitarbeiterin mit einem grausamen Lächeln. Nein, ich habe das Lager ganz ruhig und ohne zu laut zu schreien wieder verlassen.

Denn: Ich bin mir sicher, daß für die Hälfte der Vorwürfe bereits am 4. Oktober das Verfahrensende erreicht sein wird. Für sie läuft an diesem Tage die absolute Verjährungsfrist ab. Und es sieht nicht so aus, daß die Beweismittel in den Umzugskartons bis dahin in den Prozeß eingeführt werden können, damit das Gericht ein (Teil-)Urteil sprechen kann.

Schließlich sind da noch diese beiden Computer, die drei mobilen Festplatten und die Kiste mir den CDs. Die dort gespeicherten Daten wurden nämlich auch zur Stützung der Anklagevorwürfe zitiert.

Die Tatvorwürfe, die nach dem 4. Oktober noch übrig bleiben, verjähren dann etwa ein Jahr später. Ich möchte wetten, daß genau das eintreten wird.

Übrigens:
Mein Angebot in der vergangenen Woche, das Verfahren nach § 153 a StPO gegen Zahlung einer Auflage haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Gericht und schließlich noch die Vertreterin der Finanzverwaltung empört abgelehnt.

Man kann der Verteidigung nicht nachsagen, daß sie sich bockig anstellt und das Verfahren böswillig in die Länge ziehen will. Diesmal nicht.

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Applaus: Köln lernt dazu

Die Kölner Justizbehörden haben gelernt. Original-Akten sollte man stabil verpacken, damit sie zuverlässig beim Verteidiger ankommen. Und nicht unterwegs zerflettert werden oder gar verloren gehen.

Vergangene Woche bekamen wir wieder mal eine Akte von diesen Pappnasen Karnevalisten. Diesmal richtig anständig verpackt:

Der Umschlag war ausreichend groß für die Akte und sogar besonders reißfest, mit eingenähten Fäden!

Muß ja mal gesagt werden. Nicht, daß die Kölner meinen, Kreuzberger Strafverteidiger könnten nur herumnörgeln.

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Werbung für einen Fahrradladen?

Ich glaube, da hatten ein paar Leichtathleten einen netten Abend:

Aber frech ist das schon. Ich meine, sowas geht ja eigentlich gar nicht. Das schöne Straßenschild da rechts an der Laterne: Dieser Autoreifen, der gehört da nicht hin!

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