Monatsarchive: November 2010

Referendarausbildung zum Strafverteidiger

Ausbildung zum Strafverteidiger gewünscht?

Wir bieten einen Ausbildungsplatz, der eine Perspektive für den Referendaren, aber auch für unsere Kanzlei bieten kann und soll.
Hier gibt es weitere Informationen.

Bild: schemmi / pixelio.de

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Durchgestriechen

Aus einer Ermittlungsakte:

Keine Erklärung, kein Vermerk, nichts, was diese Unkenntlichmachung erklärt. Das riecht etwas streng, liebe Staatsanwaltschaft, jedenfalls für die empfindliche Nase eines Strafverteidigers.

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Nicht entkräftet

Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt. Wegen dreier Straftaten, die, wenn sie in Brandenburg begangen worden wären, eine simple Ordnungswidrigkeit gewesen wären. Tatzeit ist Frühjahr 2005. Die Gerichtsakte besteht aus zwei Bänden und vier Beistücken.

Es hat bereits ein Hauptverhandlungstermin stattgefunden, nachdem die Staatsanwaltschaft der Anregung des Gerichts (!) nicht gefolgt ist, die Zustimmung zur Einstellung des Verfahren nach §§ 153, 153a StPO einzustellen.

Nach diesem Termin wurden weitere Ermittlungen durchgeführt, deren Ergebnis das Gericht (erneut) zum Anlaß nahm, an die Staatsanwaltschaft zu schreiben:

Unter Hinweis auf die lange Verfahrensdauer und die schwierige Beweislage wird angeregt, nach §§ 153, 153a StPO zu verfahren.

Darauf erging die folgende Reaktion der Staatsanwaltschaft:

Der Verfasser dieser Zeilen scheint das (Rechtsstaats-)Prinzip nicht verstanden zu haben: Es ist nicht so, daß die von der Verteidigung beantragten Ermittlungen die Tatvorwürfe entkräften müssen. Vielmehr müssen Staatsanwaltschaft und Gericht nachweisen, daß die Tatvorwürfe zutreffen. Und diesen Nachweis haben diese und andere Ermittlungen nicht erbracht.

Aber vielleicht wird das ja noch was … in den nächsten 5 Jahren.

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Gekränkte Eitelkeit beim Amtsgericht?

Der Mandant hatte gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt. Folgerichtig setzt das Amtsgericht nun einen Termin zur Hauptverhandlung fest und schreibt dem Mandanten:

werden Sie als Angeklagter zur Hauptverhandlung geladen, nachdem Sie gegen den Strafbefehl vom 12.04.2010 Einspruch eingelegt haben.

Das Gericht hat Ihr persönliches Erscheinen angeordnet. Wegen der für Sie daraus entstehenden Folgen beachten Sie bitte die untenstehenden wichtigen Hinweise.

Ob sich der Richter über den Einsatz dieses Textbausteins irgendwelche Gedanken gemacht hat, geht aus der Akte nicht hervor. Jedenfalls hatte ich bereits im Ermittlungsverfahren und noch einmal in der Einspruchsschrift mitgeteilt, daß der Mandant sich durch Schweigen verteidigen wird.

Die „untenstehenden wichtigen Hinweise“ lauteten:

Wenn Sie bei Beginn der Hauptverhandlung nicht erschienen sind, Ihr Ausbleiben nicht genügend entschuldigt und für Sie auch kein schriftlich zu Ihrer Vertretung bevollmächtigter Verteidiger erschienen ist, muss das Gericht Ihren Einspruch verwerfen. Erscheint bei Beginn der Hauptverhandlung nur der Verteidiger, so kann das Gericht in Ihrer Abwesenheit zur Sache verhandeln, aber auch Ihre Vorführung oder Verhaftung anordnen.

Einmal abgesehen davon, daß es wohl wenig hilfreich ist, solche Hinweise an einen in der Regel juristisch ungeschulten Geladenen mit Migrantenhintergrund in einer derart verschwurbelten Formulierung zu geben und diese dann auch noch in einer Schriftgröße abzudrucken, die bereits bei einem gesunden 35-Jährigen den Griff zur Lesebrille auslöst: Rechtlich-inhaltlich ist an dem Hinweis nichts auszusetzen.

Der Mandant erscheint nicht und ich lege im Termin eine auf mich lautende Vollmacht vor, die mich zur Verteidigung des Mandanten in seiner Abwesenheit berechtigt.

Der Richter empfindet es als persönlichen Affront, daß der Mandant nicht erschienen ist. Die Amtsanwältin pflichtet ihm bei und beantragt die Verwerfung des Einspruchs. Ich habe nur da gesessen, ob dieser Unkenntnis eines hundert Jahre alten Standardfalls den Kopf geschüttelt, den „untenstehenden wichtigen Hinweis“ rezitiert und meinen Rechner runter gefahren.

Im schriftlichen Urteil heißt es:

Der Einspruch des Angeklagten gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 12.04.2010 wird kostenpflichtig verworfen.

Aus den Gründen:

Der Angeklagte hat gegen den in der Urteilsformel bezeichneten Strafbefehl zwar rechtzeitig Einspruch erhoben, ist aber in dem heutigen Termin zur Hauptverhandlung ungeachtet der durch die Zustellungsurkunde vom 01.06.2010 ( Blatt 82) nachgewiesenen Ladung, ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden. Anhaltspunkte für das Vorliegen genügender Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. Der erhobene Einspruch war daher nach § 412 der Strafprozeßordnung zu verwerfen.

Noch so ein Textbaustein, den der ahnungslose Richter da verwandt hat. Ich war mit einer schriftlichen Vollmacht versehen! Und wenn der Richter mal in den Kommentar geschaut hätte, dann wäre in ihm auch die Erkenntnis gereift, daß das, was er da macht, Blödsinn ist, der auch nicht dadurch besser wird, daß ihn eine ebenso ahnungslose Amtsanwältin dabei unterstützt.

Nun, es gibt das Wiedereinsetzungsverfahren, und ich hatte die Hoffnung, daß mein Hinweis auf den Standard-Kommentar (Meyer-Goßner, 53. Auflage, § 411 Rdz. 4 m.w.N.) Erhellung bringt. Pustekuchen: Eine andere Richterin lehnte meinen Wiedereinsetzungsantrag ab.

Die (vollständig zitierten) Gründe:

Gründe für eine Wiedereinsetzung, die das Ausbleiben des Angeklagten im Hauptverhandlungstermin am 25. August 2010 entschuldigen würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr war der Angeklagte seinen Darlegungen nach im Hauptverhandlungstermin bewusst abwesend und wollte in seiner Abwesenheit durch seinen Verteidiger gem. § 411 Abs. 2 StPO verteidigt werden.

Noch ein Textbaustein, der ohne Sinn und Verstand verwendet wurde. Man glaubt’s nicht.

Es folgte die Rechtsmittelbelehrung. Und meine Beschwerde, auf die das Landgericht Berlin (502 Os 140/10) die Wiedereinsetzung verfügte:

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Oktober 2010 aufgehoben. Dem Angeklagten wird […] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung des Hauptverhandlungstermins vom 25. August 2010 gewährt.

Aus den Gründen:

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Einspruch des Angeklagten gegen den Strafbefehl vom 12. April 2010 zu Unrecht nach § 412 Satz 1 StPO verworfen. Der Angeklagte konnte sich in der Hauptverhandlung vom 25. August 2010 durch seinen ausweislich des Sitzungsprotokolls mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen (§ 411 Abs. 2 Satz 1 StPO). Diesem Recht, sich vertreten zu lassen, stand die Anordnung seines persönlichen Erscheinens nicht entgegen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, § 411 Rn 4 m.w.N.).

Nichts anderes hatte ich dem Richter im Termin mitgeteilt und dann auch nochmal in dem Wiedereinsetzungsgesuch schriftlich formuliert. Aber mir glaubt ja keiner. Nun geht die Geschichte nochmal von vorne los. Und zwar wieder ohne den Mandanten, völlig egal, ob der Richter nun nochmal das persönliche Erscheinen anordnet oder nicht.

Vor dem Hintergrund des Niveaus, auf dem das Amtsgericht bisher gearbeitet hat, steht zu befürchten, daß der Einspruch dann erneut verworfen wird. Aber der Mandant hat Zeit …

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Neues zum Thema Fremdschämen

Wenn Du zu dem Anwalt gehst, da kriegst Du für’s Falschparken lebenslänglich. Das schwör ich Dir.

(Video starten durch Klick auf’s Bild.)

Das ist für mich einfach primitiv und keines Kommentares mehr weiter würdig. Dankeschön.

Ja! Genau. Da haben sich aber auch die richtigen getroffen.

Danke an Jacqueline Roßburg für diesen genialen Link!

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Gerichtspost der Woche

Das Amtsgericht Hamburg-Harburg übersendet uns die Gerichtsakten mit einem Formular, das für eine Vielzahl von Zwecken eingesetzt werden kann.

Ich bedanke mich auch artig für den Hinweis, daß das, was nicht angekreuzt ist, ungültig ist. Ohne diesen Hinweis hätte es leicht zu Mistverständnissen kommen können.

Allen Hamburger Justizobersekretätinnen wünsche ich einen entspannten Sonntag.

(Anm.: Der rote Kringel stammt von mir. crh)

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Der Baum am 13.11.2010

Das war’s dann wohl so ziemlich mit den Blättern.

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Schön formuliert

Zitat aus einer Klageschrift, in der es auch um Reinigungskosten geht:

Der Schädiger hat keinen Anspruch darauf, daß das KFZ, das er beschädigt, sauber ist.

Ich wollte schon sagen: Toll, was die Zivilrechtler sich so alles ausdenken. Aber die Klage stammt von einer Strafverteidigerin. ;-)

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Es geht noch tiefer

Über den würdelosen Versuch eines Richters und einer Staatsanwältin, sich um eine Entscheidung zu drücken, hatte ich hier bereits berichtet. Nach der Berufung der Staatsanwaltschaft machten die beiden dem Mandanten im Laufe einer engagierten Beweisaufnahme wiederholt Angebote, das Verfahren „einvernehmlich“ zu beenden.

Von 70 Tagessätzen ging es erst auf 60, dann auf 50 Tagessätzen runter; danach boten beide dem Mandanten die Einstellung des Verfahrens gegen „Zahlung einer Auflage“ an, erst waren es 2.000 Euro, dann 1.500 Euro und schließlich oben drauf noch die Möglichkeit, in angeblich Hartz-IV-konformen Raten von 250 Euro (!) monatlich zahlen zu können.

Der Mandant nahm keines dieser Angebote an, er wollte seinen Freispruch der Instanz verteidigen – auch in Hinblick auf die Kosten.

Zum vierten (!) Hauptverhandlungstag wurde erneut ein Sachverständiger geladen. Allerdings einer vom Landeskriminalamt, aus Sicht der Verteidigung durchaus problematisch und angreifbar. Schließlich sollte dieser Sachverständige die Arbeit seiner Kollegen begutachten.

Vor Aufruf der Sache rief der Richter mich zu einem Rechtsgespräch in den Saal. Ich solle doch noch einmal mit dem Mandanten reden, ob er nicht doch einer Einstellung gegen Auflage nach § 153a StPO gegen Ratenzahlung bereit sei.

Der Mandant lehnt nach Beratung ab.

Ja, wenn er nicht zahlen wolle, wie sehe es denn dann mit 50 Stunden gemeinnützige Arbeit aus. So lautete nun die Frage des Gerichts …

Das war dann der Punkt, an dem der Mandant keinen Bock mehr hatte auf dieses niveaulose Schauspiel, was ihm da geboten wurde. Er akzeptierte – nicht zuletzt vom dem Hintergrund des Kostenrisikos, das ihm der Richter noch einmal deutlich zu machen für nötig erachtete.

Der angewiderte Mandant wollte nur noch raus aus dem Gericht …

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Die letzten Worte des Mandanten …

… vor dem Erlaß des Haftbefehls:

Eigentlich wollte ich mit meiner Aussage lediglich zu einer schnellen und unkomplizierten Klärung beitragen, leider ging der Schuss aus heutiger Sicht nach hinten los.

Bitte – immer (!) – die Reihenfolge beachten: Erst mit dem Verteidiger sprechen, dann mit der Polizei. Niemals (!) umgekehrt.

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