Monatsarchive: Dezember 2010

Optimistische Staatsanwaltschaft

Gegen die Mandantin werden mehrere Ermittlungsverfahren geführt. Unter anderem eines in Norddeutschland, ein so genanntes Sammelverfahren. Dort hat die Staatsanwaltschaft bereits im Mai Anklage erhoben. Die Anklageschrift umfaßt knapp 30 Seiten, einige 100 Fälle von Betrug. Sie liegt auf dem Tisch der Wirtschaftsstrafkammer beim zuständigen Landgericht.

Ich hatte bereits im frühen Sommer versucht, mit dem Vorsitzenden Richter einen Termin für die Hauptverhandlung zu vereinbaren. Der Vorsitzende mahnte mich freundlich, doch mal locker zu bleiben. Ich solle mich nochmal im Herbst 2012 bei ihm melden; dann könnten wir ganz entspannt die Termine vereinbaren.

Heute bekomme ich eine Akte aus Süddeutschland. Auch dort wird gegen die Mandantin ermittelt. Die Staatsanwältin hat herausgefunden, daß ihr Thema auch schon in Norddeutschland diskutiert wurde. Deswegen stellt sie das Verfahren gegen die Mandantin nach § 154 StPO vorläufig ein. Weil sie meint, das Ding in Norddeutschland reicht, um der Mandantin den Garaus zu machen; da bedarf es nicht noch des Kleinzeugs aus Süddeutschland.

Neugierig ist die Staatsanwältin aber nun doch; sie will wissen, wie das norddeutsche Verfahren aufgegangen ist und verfügt im Oktober eine Wiedervorlage:

    (Anm.: WV m.E. sp. 3 Mon. steht für „Wiedervorlage mit Eingang, spätestems 3 Monate“.)

Offenbar hat sie die Anklage zur Wirtschaftsstrafkammer nicht gelesen. Oder sie kennt sich in Wirtschaftsstrafsachen nicht so gut aus. Denn die Erwartung, daß eine 30-Seiten-Anklage, die eine knapp dreistelligen Anzahl an Zeugen benennt, und die im Mai erhoben wurde, bereits am Jahresende in einem Urteil gemündet ist, ist nicht mit Optimismus zu erklären.

Aber vielleicht will die Staatsanwältin die Mitarbeiter auf ihrer Geschäftsstelle auch nur in Bewegung halten, weil sie sonst nichts zu tun haben.

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Der Baum am 26.12.2010

Und heute auch mal von der anderen Seite:

Weihnachtsbaum, sozusagen.

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Schönen Dank auch …

… liebe Frau Kollegin, für diese wunderschöne Weihnachtskarte,

über die ich mich wirklich sehr gefreut habe.

Liebe Grüße zurück von Deinem Kollegen, Weihnachtsmuffel und Katzenhaar-Allergiker.

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Es gibt kein schlechtes Wetter …

Schnee. Blitzeis. Und?

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Umzug beim LKA

Ein Vermerk aus einer Ermittlungsakte, der zumindest auf einer Seite eine große Erleichterung dokumentiert:

Ich kann mir gut vorstellen, daß auf der „PD ZKD , KFI 3, 3.1 K“ (was auch immer das sein mag) ein Faß Bier aufgemacht wurde:

Das Ding sind wir hier erstmal los … Prost!

Der Herr POK, der den Vermerk geschrieben hat und der nun Chef von 21 Pappkartons ist, dürfte weniger gute Laune haben.

Jedenfalls weiß ich, daß ich auch im kommenden Jahr hier keine Langeweile bekommen werde.

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Tadalafil für den Staatsanwalt

Der Name und die Anschrift des Berliner Mandanten stand auf einem Päckchen, das einen weiten Weg hinter sich hatte. Woher genau das Päckchen kam, war nicht bekannt:

Aus dem Poststempel ging hervor, dass die Sendung am unbekannt in unbekannt aufgegeben worden war.

war in der Dienstlichen Erklärung der Zollobersekretärin (ZOS’in) K. zu lesen.

Inhalt des Päckchens waren ein paar Tabletten, die zum Anlaß wurden, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Frau ZOS’in K. hatte den Verdacht, der Mandant hätte versucht,

mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln Handel zu treiben oder diese Arzneimittel an andere abzugeben. Dies stellt eine Straftat nach dem Arzneimittelgesetz in Tateinheit mit einem Verstoß gegen die Abgabenordnung (Bannbruch) dar- §§ 95 Absatz 1 Nr. 4 iV.m. Absatz 2 AMG, §§ 23, 22 StGB und § 372 AO dar.

tönte es großspurig in der an den Mandanten gerichteten schriftlichen Anhörung.

Weiter hieß es:

Ich halte fest: Der Mandant war Adressat einer Lieferung von Tabletten, deren Inhaltsstoffe nicht untersucht wurden. Der Absender war unbekannt. Weitere Informationen hatte die Ermittlungsbehörde nicht. Die Akte, die mir die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt/M. übermittelte, hatte 13 Blatt.

Der Kenner wird es erwarten, die Verteidigungsschrift fiel denkbar knapp aus:

Der Inhalt der mir überlassenen Ermittlungsakte bestätigt den Tatvorwurf nicht. Der Beschuldigte wird sich auf meinen Rat hin zur Sache nicht einlassen und verteidigt sich durch Schweigen gegen den Vorwurf. Ich beantrage die Einstellung des Verfahrens nach § 170 II StPO und bitte um Übersendung einer Einstellungsmitteilung.

Diese Einstellungsmitteilung kam auch recht kurzfristig.

Das Strafverfahren wurde also eingestellt.

Nun sollte sich aber ein Ordnungswidrigkeitenverfahren anschließen. Bei unveränderter Beweislage sollte sich der Mandant (also der Empfänger eines Päckchen mit unbestimmtem Inhalt von einem unbekannten Absender) ordnungswidrig verhalten haben.

Die Bußgeldbehörde erließ einen Bußgeldbescheid, gegen den der Mandant einen Einspruch erhob und gegen den er sich ebenso verteidigte wie gegen den Strafvorwurf. Schließlich hatte sich an der Beweislage nichts geändert. Die Sache wurde daraufhin an die Staatsanwaltschaft abgegeben, die die Akte kommentarlos an den zuständigen Strafrichter weiterleitete. Dieser Richter saß in Darmstadt, also am Sitz der Bußgeldbehörde.

Um sich gegen den haltlosen Tatvorwurf zu verteidigen, hätte der Berliner also nach Darmstadt anreisen müssen. Und zwar bereits einen Tag vor der Hauptverhandlung, mit Übernachtung in Darmstadt, weil der Richter die Verhandlung für 9 Uhr angesetzt hatte. Und dann waren da noch die Kosten für den Verteidiger …

Der Mandant machte das einzig Sinnvolle: Er nahm den Einspruch zurück und zahlte die Geldbuße.

Ich konnte ihn nur knapp davon abhalten, auf den Seychellen oder sonstwo rezeptfrei eine Familienpackung Tadalafil Soft für den Staatsanwalt zu bestellen, der die Sache bearbeitet hatte.

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Idiotischer geht’s nicht

Ein Rechtsanwalt wollte in die Untersuchungshaftanstalt (UHA). Neben seinen Akten hatte er auch ein Pfund Kaffee dabei, das er seinem Mandanten mitbringen wolte – so teilte er es dem Justizwachtmeister bei der Eingangskontrolle mit.

Jeder Verteidiger, der auch nur ein einzges Mal in der UHA Moabit war, weiß genau, daß das nicht zugelassen ist. Daß dieser Rechtsanwalt offenbar keine Kenntnis davon hatte, zeigt bereits seine Professionalität.

Dieser Rechtsanwalt hat dem Wachtmeister auf dessen entsprechenden Hinweis das Päckchen Kaffee zur Aufbewahrung gegeben. Dem Wachtmeister fiel allerdings auf, daß das Päckchen etwa 300 bis 400 Gramm schwerer war als ein Pfund. Neugierig, wie so Wachtmeister sind, schaut er mal nach.

Nach der Rückkehr dieses Rechtsanwalts hat man ihm weder die Tüte mit dem Kaffee, noch die drei darin enthaltenen Mobilfunktelefone ausgehändigt. Sondern ein entsprechendes Verfahren gegen ihn eingeleitet.

Welche Konsequenzen das für alle Verteidiger haben kann, wird aus diesem Rundschreiben der Rechtsanwaltskammer deutlich.

Daß das Verhalten dieses Idioten Rechtsanwalts zusätzlich ganz erhebliche Nachteile für seinen – hoffentlich ehemaligen – Mandanten haben wird, steht auf einem anderen Blatt. Der Mandant wird an den täglichen Durchsuchungen seiner Zelle, an der Streichung sämtlicher Lockerungen und an der Trennung von allen anderen Gefangenen seine helle Freude haben.

Die unbefristete Sanktion „Hausverbot“ für den Rechtsanwalt halte ich vor diesem Hintergrund für völlig angemessen.

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Vertragsstrafen-Lyrik

Soeben erreichte mich die eMail eines Kollegen:

Der Schebitz mit einem Cold-Call ringt,
die Vertragsstrafe in der Kasse klingt.

Und wieder sind 5.001 € fällig.

Es gibt Menschen, die können es einfach nicht lassen. Christian Schebitz, der Geschäftsführer der Arenonet GmbH, scheint dazu zu gehören. Zu der Gruppe der unbelehrbaren Spammer und Cold Caller.

Naja, solange er die Vertragsstrafen und Kosten für die Abmahnungen noch zahlen kann, kann’s den Bespammten Recht sein.

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Polizeigewalt

Polizisten, die sich nicht im Griff haben und etwa gegen Demonstranten „mit unangebrachter Härte“ vorgehen, stehen oft im Rampenlicht der Medien. Weniger beachtet hingegen ist die Gewalt, mit der sich Polizeibeamte tagtäglich konfrontiert sehen. Vier Beamte aus dem Freiburger Polizeirevier Nord erzählen …

Fudder, Neuigkeiten aus Freiburg, berichtete über Probleme, die Polizeibeamte im – von Kreuzberg aus betrachtet – friedlichen Südwestdeutschland haben. Offenbar gärt es auch dort unter der Oberfläche.

Ob die Gewalt gegen Polizeibeamte in einer Wechselbeziehung steht zur Gewalt durch Polizeibeamte? In beide Richtungen?

Danke an den Freiburger Kollegen Lars Ritterhoff für den Link.

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God Bless America!

Das Thema WikiLeaks ist ein gutes schönes beredtes Beispiel dafür, welche Qualität Bürgerrechte in den USA haben. Also in der USA, die sich für Freiheit und Gerechtigkeit in aller Welt, z.B. in Afghanistan, einsetzt. So weit, so gut irgendwas.

Der demokratische Abgeordnete und ehemalige Wahlkampfmanager der Demokraten, Bob Beckel, zum Beispiel nimmt ein solches Recht für sich in Anspruch, als er über den WikiLeaks-Mitbegründers Assange im Fernsehen spricht:

„Dieser Mann ist ein Feind der Vereinigten Staaten. Und wie man mit denen umgeht zeigen jeden Nacht unsere Spezialkommandos in Afghanistan.“

So spricht ein amerikanischer Demokrat, ein Abgeordneter! Oder auch so:

„Man sollte den Typ …“

Über die Stellungnahme dieses US-Amerikaners schreibt Ralph Sina, WDR-Hörfunkstudio Washington, für die Tagesschau weiter:

Er sei zwar kein Befürworter der Todesstrafe. Aber im Fall von Assange kenne er keine Gnade, tönt Beckel. Es gebe nur einen Weg, mit WikiLeaks fertig zu werden: nämlich den Hurensohn Assange illegal zu erschießen.

Möge der Liebe Gott die Amerikaner vor solchen Strolchen wie diesen Bob Beckel schützen.

Link gefunden bei KaDe@Niederrhein.

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