Bedauernswerter Staatsanwalt und die Waschmaschine

Ich habe den Staatsanwalt im Zusammenhang mit einer sehr komplexen Betäubungsmittelsache kennen gelernt. Er machte im Ermittlungsverfahren einen hervorragenden Eindruck, war absolut zuverlässig und hat mit der Anklageschrift, die einen Umfang von über 80 Seiten hatte, eine solide handwerkliche Arbeit abgeliefert. Er war ein kompetenter Verhandlungspartner im Ermittlungs- und Zwischenverfahren und ich hatte mich auf eine niveauvolle Auseinandersetzung mit ihm in der Beweisaufnahme gefreut. Als Ermittler im „Rauschgiftderzernat“ ging er kompetent und ohne Schaum vor dem Mund an die Sache heran.

Beim Start der Hauptverhandlung erschien er nicht. Sondern ein anderer Staatsanwalt, der einräumte, sich erst noch in die 6 Bände Ermittlungsakten und die 1.000 Telefonüberwachungsprotokolle einarbeiten zu müssen … Große Enttäuschung auch bei den Mitverteidigern. Und vermutlich auch bei der Strafkammer.

Auf meine Frage an den „neuen“ Staatsanwalt bekam ich die Auskunft: Das Personalkarusell habe sich gedreht und der „alte“ Staatsanwalt sei in eine andere Abteilung versetzt worden.

Heute begegnet er mir wieder, dieser versetzte Ermittler, der mal mit dem Bundeskriminalamt gemeinsam Jagd auf international agierende Händler in Sachen Heroin gemacht hat. Er schickte mir einen Textbaustein, mit dem ich zur Vorlage einer schriftlichen Vollmacht aufgefordert wurde. In einer Sache, in der es um einen angeblichen Betrug im Zusammenhang mit dem Verkauf einer gebrauchten Waschmaschine geht.

Fast hätte ich ihm die Vollmacht aus lauter Mitleid geschickt.

Da verbrennt die Verwaltung kompetente Ermittler in der Kleinkriminalität. Dafür hat man es dann schon mal in solchen Sachen, in denen es um zweistellige Freiheitsstrafen geht, mit [censored] Staatsanwälten zu tun, die man besser zur Verfolgung von folgenlosen Trunkenheitsfahrten einsetzte.

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3 Antworten auf Bedauernswerter Staatsanwalt und die Waschmaschine

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    RA Eickelberg says:

    Vielleicht war der Ermittler ja mal in einem Fall zu kompetent und ist irgendwem zu dicht auf die Fersen gekommen. Ist natürlich nur eine böswillige Vermutung… ;-)

  2. 2
    Brandau says:

    Vielleicht hatte er auch Lust auf einfache Fälle, in die man sich nicht stundenlang einarbeiten muss (zB im Tausch gegen mehr Zeit mit der Familie).

  3. 3

    Tja hört man leider öfters, dass kleine Fälle eher bearbeitet werden bzw. mehr aufmerksamkeit erhalten als wichtigere Angelegenheiten.

    Scheint so, als gäbe es tatsächlich mehr Manpower, die sich mit kleineren Dingen beschäfigen möchte.