Das Geständnis des Räubers

Auf frischer Tat ertappt, damit war ein späterer Freispruch eigentlich eher ausgeschlossen. Gleich vier Polizeibeamte hatten den Mandanten seit geraumer Zeit beobachtet, bevor er der Rentnerin die Tasche aus der Hand riß.

Nach einer nicht ganz ruhig verlaufenden Verhaftung und einem nachfolgenden Besuch beim Arzt schloß sich eine Vernehmung auf Dienststelle der Polizei an. Als Übersetzer fungierte ein Polizeibeamter; dessen Migrantenhintergrund ließ für die Beamten die Hinzuziehung eines Dolmetschers entbehrlich erscheinen.

Am Ende standen nicht nur der eine Raub, sondern gleich weitere zehn in dem Vernehmungsprotokoll. Die Beamten hatten nämlich seit 14 Tagen schon vermehrt Fälle zu bearbeiten, in denen die Handtaschen älterer Damen jeweils das Tatobjekt waren. Alle in der selben Gegend. Der Mandant unterschrieb das Geständnis und wechselte seinen Status als Tourist zum Untersuchungsgefangenen.

Die Staatsanwaltschaft übernahm das Ergebnis der Ermittlungen aus dem Schlußbericht der Polizei und formulierte daraus die Anklageschrift.

Ein etwas intensiveres Aktenstudium hätte allerdings einige wesentliche Unstimmigkeiten ans Licht gebracht. Zwischen den Schilderungen der ausgeraubten Damen und den Unterlagen, die der Mandant bei der Verhaftung mit sich führte, gab es Widersprüche. Beispielsweise wiesen die Fahrscheine, mit denen er nach Berlin ein- und wieder ausgereist war, Daten auf, die nicht mit den protokollierten Tatzeiten korrespondierten. Die Schilderungen der Tathergänge durch die Geschädigten deckten sich oft nicht mit denen des Mandanten, ohne daß hier weiter nachgefragt und ermittelt wurde. Auch hinsichtlich der Summen des geraubten Geldes stimmte so einiges nicht.

Nun wurde der Hauptverhandlungstermin vor der großen Strafkammer anberaumt. Zeuginnen wurde keine geladen, sondern „nur“ zwei Polizeibeamte, die den Mandanten verprügelt verhaftet hatten.

Und jetzt? Sollte der Mandant nun die Anklage abnicken, also – zumindest teilweise – ein falsches Geständnis abgeben? Was sicherlich einen ganz erheblichen Rabatt geben dürfte.

Oder ist hier eine Verteidigungsstrategie angesagt, die zur Beweisaufnahme führt. Dies hätte zur Folge, daß zehn hochbetagte Damen als Zeuginnen ins Gericht müßten (so sie denn gesundheitlich überhaupt noch dazu in der Lage sind.).

Es erscheint eher unwahrscheinlich, daß auch nur eine der Zeuginnen den Mandanten als Täter wiedererkennt. Sie konnten schon unmittelbar nach der Tat keine Beschreibung liefern.

Nur eine Tat, bei der er erwischt wurde, ist nachgewiesen. Im Kern geht es daher also um die zwei Fragen:

    Soll der Mandant sich verurteilen lassen für Taten, die er nicht begangen hat?
    Soll der Mandant Taten einräumen, die ihm nicht nachzuweisen sind?

Nicht ganz einfach …

Dieser Beitrag wurde unter Mandanten, Verteidigung veröffentlicht.

8 Antworten auf Das Geständnis des Räubers

  1. 1
    Peter says:

    Ich bin dafür, dass er ganz schnell wieder in seine Heimat zurück geht, damit Deutschland etwas sicherer wird.

    Abschieben und fertig!

  2. 2
    JLloyd says:

    Mmeine laienhafte Lösungsstrategie: Zunächst um den nachweisbaren Fall verhandeln; Rabatt für erfolgtes Geständnis (unter Berücksichtigung der – wohlwollend formuliert – schwierigen Umstände der Verhaftung) aushandeln; für weitere Fälle auf stur schalten: Widersprüche & Verfehlungen der Ermittler nach §160 S.(2) STPO herausstellen & vollumfängliche Beweisaufnahme einschl. Vernehmung 10 hochbetagter Damen androhen.

  3. 3
    Leser says:

    Die Widersprüche mögen sich aufklären:
    – Vielleicht hat der Mandant nicht alle Fahrkarten aufgehoben.
    – Die Geldbeträge können von beiden Seiten falsch erinnert worden sein (ich jdf. weiß nicht immer genau, wieviel Geld ich bei mir trage).
    – Der Tathergang mag ebenfalls durch beidseitig gefärbte Erinnerungen verzerrt worden sein. Gerade bei überraschenden Taten erscheint es plausibel, dass die Szenerie nicht korrekt wahrgenommen wurde.

    Beunruhigend fände ich als Verteidiger, dass offenbar „verdächtige“ Geldbeträge bei dem Mandanten gefunden wurden. Woher und wozu hat er diese – wenn wir einmal unterstellen, dass er sonst (wie für Verdächtige üblich) nicht wohlhabend ist. Ein Richter mag hier urteilen nach der Devise „Na irgendwo hat er sie geklaut, irgend jemand hat den Zeuginnen etwas geklaut, hier trifft es nicht den Falschen…“.

    Höchst befremdlich ist es, dass der Mandant offenbar ein Geständnis unterschrieben hat, in dem er die Taten ja zugibt. Wie kam es dazu, wenn er sie nicht begangen hat?

    Ich würde danach beraten, wie er diesen Umstand erklärt. Hat er eine „gute“ Erklärung dafür, bspw. eine Täuschung durch den vernehmenden Beamten, würde ich zu einer „Konflikt“Verteidigung raten. In diesem Fall erst einmal den vernehmenden Beamten hören (wird die StA sicherlich benannt haben), dann ggf. die Zeuginnen.

  4. 4
    Ein Zwerg says:

    Interessant für die Beantwortung der Fragen dürfte aus Sicht der Verteidigung auch sein, was es wohl so oder so dafür geben wird, obschon die Frage auf Antwort 1 eigentlich „Nein“ lauten muss, wenn es denn stimmt.

  5. 5

    Meine Prognose:

    Der Mandant wird verurteilt werden. Auch wenn er die (anderen) Taten nicht begangen haben mag.

    Und zur Frage:

    Ich befürchte, diese Fragestellung ergibt sich in zahlreichen Strafverfahren. Einen Hoenigs-, äh, Königsweg gibt’s da wohl kaum.

    Vollzugsteilnehmer

  6. 6
    knilch says:

    Das geht doch besser, Herr Verteidiger:

  7. 7
    MadameLaStA says:

    Sowas lässt sich doch im Allgemeinen durch ein Vorabgespräch lösen?

  8. 8
    BV says:

    Der zu erwartende Rabatt für das Geständnis der letzten Tat dürfte doch wohl eher gering ausfallen, da er von mehreren Polizisten in flagranti erwischt wurde, er an einer Verurteilung wohl nicht herum käme und das Geständnis nur die Vernehmung der Beamten entbehrlich machen würde.