Der gerettete Tag

Ich hatte mich wieder geärgert und gleich zu Beginn der Verhandlung vor dem Strafrichter richtig schlechte Laune.

Ein schweigender Angeklagter. Sechs Zeugen; davon vier, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Verurteilung des Angeklagten hatten. Ein technisches Sachverständigengutachten.

Bei einer Verurteilung des Angeklagten steht eine offene Bewährung zur Disposition. Das war schon aus der Akte erkennbar eine Freispruchverteidigung. Also eine Verteidigung, die den Freispruch zum Ziel hatte und damit auch für den flüchtigen Betrachter der Akte erkennbar auf eine schwierige Beweisaufnahme hinaus laufen mußte.

Und dann schickt die Staatsanwaltschaft als Sitzungsvertreterin trotzdem eine Referendarin in den Ring. Auch der Richter zog die Mundwinkel nach unten.

Nach einer aufregenden Verhandlung stand es dann auch zur Überzeugung der Referendarin fest, daß der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen haben konnte. Die Auszubildende hielt über eine Viertelstunde lang einen wirklich hervorragenden Schlußvortrag und beantragte Freispruch.

Es folgte dann mein Lieblingsplädoyer:

Ich schließe mich den überaus überzeugenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft an und beantrage ebenfalls Freispruch.

Die Referendarin traf ich dann einige Zeit später auf dem Flur wieder. Sie bedankte sich für das Lob des Verteidigung und lud mich ein ins Café gegenüber.

Die gute Stimmung war wieder hergestellt.

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

13 Antworten auf Der gerettete Tag

  1. 1

    Damit hast Du der Dame jetzt wohl die Karriere versaut. ( ;-) )Von einem versierten Strafverteidiger gelobt zu werden, ist doch in der Behörde ein fieser, stinkender Makel. Hoffentlich will die später nicht in den Staatsdienst.

  2. 2
    egal says:

    Die Bezeichnung „Auszubildende“ ist doch schon eine sehr spöttische Bezeichnung. Dazu die ganzen Schmähungen bzgl. Referendare als Sitzungsvertreter… meinen Sie wirklich, dass Sie Ihren Frust so loswerden müssen?

  3. 3
    Lurker says:

    Erfahrungsgemäß:

    Referendare lesen die Akten noch, bevor sie in die Bütt gehen – Staatsanwälte sind darüber (teilweise) längst hinaus.

  4. 4

    @egal:

    Da lobe ich nun endlich mal die Arbeit einer Referendarin über den grünen Klee, und dann ist der Herr immer noch nicht zufrieden. War der Jasmintee heute morgen zu stark?

  5. 5
    Rene says:

    Daran sieht man, dass es gute und schlechte Juristen gibt – hier war scheinbar eine gute Juristin (die ja offiziell noch in der Ausbildung ist!) am Werk.

  6. 6
    JJ Preston says:

    Und was macht der Ausbilder der Referendarin? Rechtsmittel einlegen?

  7. 7
    Marco says:

    Ich hoffe mal, dass sie der Einladung der Referendarin zwar insofern gefolgt sind, dass sie einen Kaffee mit ihr getrunken haben, im Anschluss aber die Rechnung übernommen haben.

    Sooo üppig hat man’s ja im Referendariat noch nicht…

  8. 8
    ub says:

    Die Frau hat ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Wenn sie sie jetzt mit jemandem gleichsetzen, der nichtmal eine simple Lehre beendet hat (Azubi), halte ich das schon für schwierig.

  9. 9
    eborn says:

    Frollein Auzubi muss wohl erst lernen, was das Lob eines Verteidigers im Prozess wirklich bedeutet: pure Hinterhältigkeit ;-)

  10. 10
    W says:

    Ich war nun wirklich bei einer, wie soll ich sagen, unnachgiebigen Ausbilderin. Aber in einem hat sie mir immer freie Hand gelassen: Wenn die konkrete Beweisausnahme aus meiner Sicht dazu führt, dass der Anklagevorwurf nicht zu halten ist, dann hätte ich einen Freispruch zu beantragen.

    Habe ich dann auch drei- oder viermal gemacht.

    War trotzdem immer schön, wenn die Profis bemerkten, wie viel Mühe man sich noch mit dem Pladoyer gemacht hat..

  11. 11
    lawdwarf says:

    ich hatte letztens auch so einen schönen Moment vor dem AG mit einem Freispruch beantragenden Referendar bei einem tatsächlich sehr schwierigem Betrugsfall – doch dann erhob sich der Richter und verkündete 2 Jahre und 3 Monate…

  12. 12
    Lurker says:

    @Lawdwarf:

    Hatte ich im Referendariat auch. Nach 6 Stunden Verhandlung und Beweisaufnahme verkündete ich dem Angeklagten, daß ich mir zwar ziemlich sicher bin, daß er die vorgeworfene Tat begangen hat, daß sich das aber schlicht nicht aus den spärlichen Beweisen sicher ableiten läßt – ergo: Freispruch.

    Der Richter teilte nur meine erste Überzeugung… aber gut, es muß ja auch nur der Richter überzeugt sein, nicht der StA.

  13. 13

    […] Kanzlei und Recht – Erzählenswertes aus dem Blickwinkel einer Anwaltskanzlei – « Der „handzahme“ Kollege Referendare als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft August 12, 2010 Es ist bereits verschiedentlich über Referendare als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft berichtet worden, ob sie nun verheizt worden sind, sich blamiert haben oder auch einfach einen guten Eindruck gemacht haben. […]