Der kluge Zeuge

Der Zeuge hatte den Angeklagten angerufen, zu einer Zeit, als die Staatsanwaltschaft noch ermittelte. Er wollte „etwas für die Nase“ bestellen, war in dem aufgezeichneten Gespräch zu hören. Der Angeklagte hatte dem Anrufer unfreundlich und ganz bestimmt geantwortet und das Gespräch beendet.

Nun stand der Zeuge als ebensolcher vor dem Gericht. Er wurde nach allen Regeln der Kunst belehrt. Über seine Pflicht, die Wahrheit zu sagen. Und über sein Zeugnisverweigerungsrecht, wenn er sich durch seine Aussage möglicherweise sich der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (§ 55 StPO). Und er bekam den Hinweis, daß er auf Antrag auch einen Rechtsanwalt als Zeugenbeistand bekommen wird, wenn er das beantragt (§ 68b StPO). Soweit, so ordnungsgemäß unter den kritischen Augen von sechs Verteidigern.

Daß der Ankauf und der Besitz von Kokain strafbar ist, dürfte sich auch in den entlegensten Winkeln des Berliner Nachtlebens herumgesprochen haben. Die Verteidiger, die Strafkammer und sogar die Staatsanwaltschaft gingen also von einer extrem kurzen Befragung des Zeugen aus.

Aber nein. Der Zeuge wußte es besser:

Ich brauche keinen Beistand, und ich möchte aussagen.

tönte er selbstbewußt.

Zwei Stunden später weiß er nun, daß er eben nicht klüger ist als die zehn Volljuristen im Saal. Und falls er es doch noch nicht so richtig verstanden hat, wird ihm das sein künftiger Verteidiger erklären. Den wird er brauchen und notfalls bekommen, wenn es losgeht mit dem Verfahren gegen ihn. Wegen Falschaussage und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Es ist einfach ungerecht, daß die Evolution bei der Entstehung des Gehirns um manche Menschen einen großen Bogen gemacht hat.

Dieser Beitrag wurde unter Zeugen veröffentlicht.

10 Antworten auf Der kluge Zeuge

  1. 1
    VRiLG says:

    Die Ursache ist nicht das Fehlen von Hirn, sondern das besonders große Hirn des Menschen, das Selbstbewusstsein und damit oft auch auch Selbstüberschätzung schaffen kann.

  2. 2
    doppelfish says:

    Kommt davon, wenn man sich die letzten Hirnreste wegkokst.

  3. 3
    VLiBKH says:

    Manche haben nur wenige Probleme und schaffen sich halt welche. Der Grundsatz „Schweigen“ mal wieder mißachtet.

    Bei manchen VRi am LG scheint wiederum das Hirn recht klein zu sein. Erkennbar am zu kleinen Selbstbewusstsein und der sich daraus ergebenen Nöte sich überall und immer zu profilieren. Aber vielleicht liegt es auch einfach an der fehlenden Kreativität sich einen Nicknamen auszudenken.

    VLiBKH
    Vorsitzender Leser im Blog Kanzlei Hoenig

  4. 4
    ra kuemmerle says:

    Wenn man ihn belehrt hätte, dass eine Aussage „ja ich habe mein Näschen gepudert“ ihn seine Fahrerlaubnis kosten wird – sofern er eine hat – dann hätte er mit Sicherheit die Klappe gehalten.

  5. 5
    MaxR says:

    Von allen Gaben ist der Verstand am gerechtesten verteilt. Denn jeder meint, genug davon zu haben.

    Könnte sinngemäß von Lichtenberg sein? Ich weiß es nicht, von mir isses jedenfalls nicht.

  6. 6
    Mausi says:

    gegen Christoph Daum ist damals aber kein Strafverfahren eingeleitet worden, oder? und wieso eigentlich nicht? der Konsum wurde ihm ja mittels Haarprobe nachgewiesen, und jeder, der sich das Pulver in die Nase zieht besitzt es in dem Moment notwendigerweise auch

  7. 7
    Katz says:

    @Mausi: Feinstaubwolke vom niesenden Sitznachbarn?

  8. 8
    Ref.iur. says:

    @ Mausi

    Nein!!! Man kann – theoretisch – Kokain legal konsumieren. Besitz erlangt man nämlich gerade nicht nur durch das bloße Aufnehmen des Kokains. Dieser Vorgang ist lediglich eine strafrechtlich nicht relevante Selbstschädigung.

    Wenn man beispielsweise nur das von einer anderen Person mitgebrachte und zum Konsum auf einem Spiegel ausgebreitete Kokain konsumiert, dann ist das – je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls – straflos.

  9. 9
    fernetpunker says:

    Handelt es sich zufälligerweise um einen „DSDS“-Kandidaten?

  10. 10

    […] kluge Zeuge redete sich um Kopf und Kragen. Belastete sich und andere. Und erzählte erkennbar viel unwahres […]