Der Neuling beim JobCenter

Es geht mal wieder um angeblichen Sozialversicherungsbetrug. Diese Verfahren werden augenscheinlich nach Schema F eingeleitet.

Ein Mitarbeiter des JobCenters meint in einer Akte festzustellen, daß etwas faul ist. Reflexartig schreibt er einen Bericht, schickt ihn zusammen mit der Sozialamtsakte (oder wie immer das Ding heißen mag) an die Staatsanwaltschaft und stellt Strafantrag.

Bei der Staatsanwaltschaft sitzen Strafrechtler, die keine Ahnung vom Sozialrecht haben und davon ausgehen, daß die Sozialamtsmitarbeiter schon wissen, was sie tun. Deswegen wird dem Bezieher der Sozialleistungen – 70 Jahre alt, nicht bestraft – kurzer Hand eine Anhörung zugeschickt (§ 163a StPO), in dem ihm mitgeteilt wird, daß er ein gewerbsmäßiger Betrüger sein könnte. „Ihnen wird Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben …“

Der vermeintliche Betrüger wendet sich im konkreten Fall – glücklicherweise – an einen Strafverteidiger. Nun sitzt hier auch kein Sozialrechtler, aber ich kenne einen, der sich mit dem Zeug auskennt. Herr Rechtsanwalt Siegfried Eidinger berät den Mandanten und mich. Er erklärt mir das Problem und ich entwickele mit seiner Hilfe eine Verteidigungsschrift.

Der Staatsanwalt versteht wieder nur Bahnhof und schickt meine Stellungnahme zum Sozialamt JobCenter. Es dauert eine Weile, bis man dort überhaupt ‚mal reagiert (da scheinen wohl ein paar unfreundliche Worte des Staatsanwalts angekommen zu sein). Die Reaktion entfällt recht kleinlaut aus:

Es war dem Neuling also nicht „bewußt“. Aber Strafanzeigen schreiben, das kann dieser [censored] Neuling bereits am ersten Tag.

Und der betagte Mandant läuft seit Monaten wie ferngesteuert herum, weil er mit einem solchen Vorwurf – Mindestfreiheitsstrafe 6 Monate! – nicht klarkommt.

Dieser Beitrag wurde unter Behörden, Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

15 Antworten auf Der Neuling beim JobCenter

  1. 1
    Ö-Buff says:

    Anfänger. Auch was Rechtschreibung betrifft nicht gerade überzeugend. OMG

  2. 2
    Johannes says:

    Ja, ich denke, der ist auch nicht ungeschoren davon gekommen. Da wird man schonmal wieder grade ausgerichtet, wenn man sowas macht.

  3. 3
    JCL says:

    Passende Überschrift wäre auch (mal wieder) gewesen:

    Denn sie wissen nicht, was sie tun!

  4. 4
    Kampfschmuser says:

    Kosten?

  5. 5
    rodpython says:

    Das Schreiben ist ja ein eindeutiges Eingestehen einer Amtspflichtverletzung. Kosten (jedenfalls nach RVG) dürften doch also wiedergeholt werden, oder? Da steht ja schon fast Schmerzensgeld im Raum. Mann, mann, mann. Ist ja echt unglaublich.

  6. 6
    studiosus juris says:

    @Ö-Buff:

    Sich über die Rechtschreibung eines anderen auslassen und selbst die Zeichensetzung
    ([blockquote]betrifft[b],[/b] nicht [/blockquote])
    nicht draufhaben. Epic fail.

  7. 7
    MaxR says:

    Aber genau das ist, was Westerwelle fordert!

    Wenn man nur oft genug auf den Sack draufhaut, trifft man schon irgendwann den Richtigen. Und knüppelbewehrte jungliberale Ichlinge im Gelbhemd werden sich finden …

  8. 8
    BV says:

    Immerhin gibt er es offen zu und versucht nicht, sich irgendwie rauszureden. Das ist doch auch was – auch wenn es dem Mandanten seinen geraubten Schlag nicht zurückbringt…

  9. 9
    egal says:

    „kein Bestandteil der Schadenssumme“

    Um welchen Schaden mit sozialrechtlicher Relevanz geht es denn da?

    *verwirrtschau*

  10. 10
    ArNy says:

    Ach, jetzt kommt dieses „leider ist ihr Schreiben hier nicht angekommen“ nucht nur bei „Kunden“Schreiben vor, sondern auch bei staatsanwaltschaftlichen?

    Sollte das doch kein boeser Wille sein, sondern tatsaechlich ein Umgang mit der Eingangspost ohne die erforderliche Sorgfalt?

    hmmm…

  11. 11
    Will Kür says:

    An die Juristen: welche Möglichkeiten hat der Betroffene denn nun, auf dieses Vorgehen die passende Antwort zu geben?

    Strafanzeige gegen den Anzeigenden wegen falscher Verdächtigung?
    Eine Haftung des Anzeigenden bei Amtspflichtverletzung?
    Oder wieder nur eine typischerweise folgenlose DA-Beschwerde?

  12. 12
    Ernst says:

    @Will Kür: „kein Bestandteil der Schadenssumme“ spricht dafür, dass es einen Schaden gibt, nur dass der eben (weitaus) geringer ist als ursprünglich angenommen. Beim Vorwurf des (einfachen) Betruges dürfte es damit verbleiben. Das spricht ebenso gegen § 164 StGB wie das darin verlangte positive Wissen um die Unwahrheit der Behauptung. Der „Neuling“ irrte nur. Vgl. Fischer § 164 StGB Rdnr. 6 und 12.

  13. 13
    fiat iustitia says:

    Auch wieder typisch Strafverteidiger – wenn der Anzeigerstatter etwas zu hoch greift wird Zeter und Mordio geschrieen und der Sachbearbeiter beschimpft, aber dass der Mandant kein Unschuldslamm ist sondern nur etwas weniger Dreck am Stecken hat als von der Gegenseite zunächst angenommen, das muss man sich zwischen den Zeilen selber zusammenklauben.

  14. 14
    Kand.in.Sky says:

    In einer normalen Behörde (inkompetent, faul, schlampig, zuweilen aber auch korrekt) würde so ein Vorgang genehmigt werden müssen. Nicht so hier: Es gibt Prämien für ertappte Betrüger (das sind jene die gerade den Staat ruinieren) somit ist jeder „Kunde“ der Feind den es zu bekämpfen gilt. Also ist man flink mit Beschuldigungen, man hat ja keine Konsequenzen zu befürchten, es kommt evtl. ja ein persönlicher Gewinn dabei raus.

    Und nun stelle man sich dieses Verhalten im wirklichen Leben (freie Wirtschaft) vor…

    #k.

  15. 15
    Micha0160 says:

    Erstes Schreiben nicht erhalten? Es ist doch mittlerweile so, dass man gezwungen ist, jedes Schreiben an irgendeine beliebige Behörde per Einschreiben mit Rückschein zu schicken, wenn man nicht möchte, dass es grundsätzlich verlorengeht. Das ist genauso Tatsache, wie der schon berühmte telefonische Rückruf, der immer noch glänzend zum abwimmeln taugt. Neuling werden überdies schnell auf Behörden-Usus dizpliniert, wenn sie anfänglich noch zuviel Elan an den Tag legen. Wie sagte damals mein Schichtleiter im RZ zu mir: „Ich solle nicht so durch die Gegend rennen, das würde die Leute nervös machen.“