Der Stehler und der Hehler

Den deutschen Finanzbehörden werden Daten mit Informationen über 1.500 mutmaßliche Steuersünder mit Konten in der Schweiz angeboten. Der Kaufpreis soll 2,5 Millionen Euro betragen.

liest man auf dradio.de.

Ich verwette meinen Kopf, daß der Anbieter die Daten auf illegalem Wege erlangt hat.

Gut, Steuerhinterziehung ist eine Straftat. Aber Datendiebstahl auch. Wenn nun der Staat geklaute Daten ankauft und sich damit zum Hehler macht: Gibt es dann doch wieder einen Unterschied zwischen Stehler und Hehler?

Bei Geld hört die Freundschaft auf, lautet ein Sprichwort. Und bei Steuern endet der Rechtsstaat.

Dieser Beitrag wurde unter Strafrecht veröffentlicht.

22 Antworten auf Der Stehler und der Hehler

  1. 1
    Zorro says:

    Dürfte der Staat derartige Informationen denn nehmen, wenn er sie durch einen Bankmitarbeiter, den sein Gewissen plagt („whistleblower“), kostenlos angeboten bekäme?

  2. 2
    luDa says:

    Betrogene Betrüger schimpfen am lautesten …

    natürlich ankaufen und richtig kasse machen.

  3. 3
    Scharnold Warzenegger says:

    Na und? Das ist doch beim Staat schon immer so, daß er darf, was Bürger nicht dürfen. Ich sage nur Beweisverwertungsverbot: bei Strafprozessen nahezu aussichtslos, im Zuvilrecht der Standard.

    Oder Waffen: wer einen anderen umbringt, der wird eingeknastet. Aber der Staat darf seinen Soldaten befehlen genau das zu tun – und macht es auch z.B. in Afghanistan.

  4. 4
    egal says:

    Finanz-Datenschutz für „Steuerbetrüger“? Das ist aber nun wirklich zuviel des Guten. Wie kann man denn als unehrlicher Bürger auch nur im Entferntesten daran denken, dass man als Steuerhinterzieher/-verkürzer irgendwelche Datenschutzargumente für sich in Anspruch nehmen dürfte.

    Der Bund wird hier kein „Datenhehler“; wenn die Steuerbehörde von Steuer-Straftaten hört, muss sie dem immer nachgehen, das ist ihr Auftrag. Im Übrigen zeichnet sich das ganze Steuerrecht und auch die Rspr. zum Steuerstrafrecht doch dadurch aus, dass vorrangig das Steuerinteresse des Fiskus befriedigt wird und ansonsten recht „humane“ Strafe herauskommen, siehe zB die Staffelung bei sehr, sehr hohen Summen.

    Das einzige Problem an der Sache ist natürlich die Gegenleistung in Form der Provision bzw. der Zahlung einer festen Summe. Das ist natürlich ungewöhnlich und wird hoffentlich nicht die Regel, normalerweise sollte das Finanzamt ja Mittel haben, selbst die Daten zu beschaffen. Gläserne Bankkonten haben wir schließlich schon. Wenn man das Ganze aber fiskalisch betrachtet, ist das nur ein normales Geschäft: Um einen höheren Gewinn zu erzielen, muss etwas investiert werden, wobei dann dieser Gewinn der Gemeinschaft wieder zu Gute kommt. So läuft das auf allen Ebenen staatlichen Handelns ab. Ob nun der Bauunternehmer der Autobahnteilstrecke Geld für seine Leistung bekommt oder nun der „Verräter“ oder „whistleblower“; das macht keinen großen Unterschied. Am Ende steht eine vermutlich erhöhtes Steuereinkommen.

    Ich bin sogar der Meinung, dass man alleine schon aus Gründen der Bewährung der Rechtsordnung das so machen muss. Selbst wenn das noch nicht mal ein eindeutiges Plus-Geschäft wäre! Das Argument, der dumme Lohnsteuerschuldner finanziere den Staat dumm und dämlich und muss dann sehen, wie eine Kita oder Schwimmbäde nach der anderen wegen Finanznöten geschlossen wird, ist einfach bestechend. Gerade in Zeiten, wo der Staatshaushalt ohne großes eigenes Verschulden dank des Versagens einer Branche in die Rekordverschuldung geht, wäre es zudem töricht, wenn man auf solch hohe Steuereinnahmen verzichtete! Die Schulden, die wir heute machen, schränken den Handlungsspielraum ganzer Generationen ein, Stichwort Generationengerechtigkeit.

    Mein Mitleid hält sich dann daher auch für Steuerflüchtlinge in Grenzen. Kapitalgewinne werden in Deutschland nicht zu hoch besteuert im Vergleich zu Arbeitseinkommen. Wer trotzdem sich die 25 % sparen will, ist schlichtweg gierig. Das hat dann das gleiche Niveau eines gewöhnlichen Trickbetrügers oder Gewohnheitseinbrecher. Nur weil dahinter etwa ein gestandener A15 Beamter dann steckt oder etwa ein Manager im gehobenen Management (passt hier „white collar crime“?) dann „Gnade“ walten zu lassen, sehe ich überhaupt nicht ein.

    Es wird schließlich nirgends dem Täter so eine große Brücke in die legale Welt gebaut wie im Steuerstrafrecht. Wer die Gemeinschaft aus reiner Gier betrügt, der soll auch zittern und nicht ruhig leben können.

  5. 5
    A.N. says:

    In dem Zusammenhang auch spannend ist die bisher kaum behandelte Frage, ob die „gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat“ auch nach deutschem Gesetz strafbar sein muss, wenn sie im Ausland erfolgte, oder nach dem Strafrecht des jeweiligen Landes.

  6. 6
    Torsten says:

    Die Frage ist, ob das überhaupt noch die Frage ist oder nicht schon vor Jahren beantwortet wurde: hat die Steuerfahndung denn bisher die gleichen Grundsätze gehabt wie die StPO? Falls Herr Schäuble nicht zugreift, wie fühlt sich dann Herr Zumwinkel?

  7. 7
    Kudo says:

    Vielen Dank für die sehr prägnante und präzise Analyse der Rechtslage. Bei der Diskussion ist zu beobachten, dass die Antworten umso schlechter werden, desto länger sie sind.

  8. 8
    corax says:

    Ich persönlich fänds gut, wenn Schäuble die daten kaufen würde.
    Über das Rechtliche muss ich mir ja keinen Kopp machen, ich bin ja bloß Gärtner. ;)

  9. 9
    BV says:

    Gibt es auch Hehlerei an Daten? Ich dachte, die Norm beziehe sich nur auf Sachen, so dass zumindest auch der Datenträger geklaut worden sein muss. Oder irre ich da (hab’s nicht geprüft)? Gibt es Rechtsprechung dazu?

      Kann es sein, daß Sie das aufgezeigte Problem nicht erkennen, weil Ihr juristisches Wissen Sie daran hindert? crh
  10. 10
    alex says:

    § 17 UWG

    Verwirkt der Staat nicht durch solche Aktionen das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und den Strafanspruch ggü. Steuerhinterzieher?

    Begehen die staatlichen Behörden keine strafbare Untreue, wenn sie gutes Steuergeld für illegal beschaffte Daten herausgeben, nur weil die Hoffnung besteht Gewinn zu machen?

  11. 11
    Kand.in.Sky says:

    Jajaja… die Mehrheit der Deutschen hat es nicht so mit dem Recht. Es sei es betrifft sie selber.

    Also ein Denkanstoss:
    Wie würde die Diskussion aussehen ginge es etwas was die Mehrheit betrifft. Oder zumindest viele mehr. Z.b. um Videoüberwachungsdaten welche die Bürger beim Einkauf von Alkohol, Kaffee, Zigaretten zeigt, in günstigeren Nachbarländern. Oder um Knöllchen aus dem Ausland.
    Oder ganz anders: Jedem der auf einer Polizeiwache einsitzt wird erstmal die Fresse poliert damit derjenige seine Missetaten zugibt, alle (zwischen den Fällen kein Unterschied erstmal, Rechtsbruch ist Rechtsbruch).

    Sicherlich würden da sogar BILDLeser ins Grübeln kommen mit ihren wenigen RestHirnzellen.

    Aber es ist so wie mit den Panzern die auf Schulbusse schiessen sollten, wegen den Terroristen*: Es ist ein vordergründig zu abstrakter Fall den die Gartenzaundenker nicht nachvollziehen, geschweige Konsequenzen ausmalen können.

    Das sog. Beweismittelverwertungsverbot ist eh aufgweicht.

    Vielleicht noch als Randnotiz: CDU/FDP sind mehrheitlich gegen den Kauf, Rest (SPD/Grün/Linke) dafür. Über die Motive des für/wider lässt sich aufgrund der klar verteilten Rollen kaum spekulieren. Falsch bleibt es aus meiner Sicht dennoch.

    #k.

    * es war eigentlich der Abschuss von Passagierflugzeugen mittels Abfangjänger – das Schulbus-Beispiel ist jedoch näher am Alltag.

  12. 12
    JJ Preston says:

    Rechtlich kann ich das nicht beurteilen. Mein Bauch wägt dagegen ab: In D wäre der Ausspähende nach §202a StGB mit bis zu DREI Jahren Haft bedroht. Die (Mehrzahl!) Beschuldigten in Verfahren wegen Steuerhinterziehung müssen gemäß §370 AO mit Höchststrafen von FÜNF oder ZEHN Jahren Haft rechnen. Und da die Höchststrafen, die nach dem Ankauf erwartet werden können, höher sind als die Höchststrafe für den Vorgang, der den Ankauf ermöglicht, hab ich da keinerlei Bauchschmerzen. Vor allem, da diejenigen auf dem Datenträger auch MEIN und EUER Geld hinterzogen hat (wenn sie nämlich die ins Ausland gebrachten Summen ordnungsgemäß versteuert hätten, könnte es sich unser Staatsapparat – zumindest theoretisch – leisten, niedrigere Steuern und Abgaben zu erheben; und vergessen wir eines nicht: Der Staat ist die Summe aller Bürger).

  13. 13
    STEINHERR ANTON says:

    ICH KANN NUR SAGEN,

    TRAURIG DAS UNSERE FÜHRENDE KÖPFE KEINE ANDERE MÖGLICHKEIT FINDEN GEGEN STEUERHINTERZIEHER VOR ZU GEHEN ALS GEKLAUTE DATENTRÄGER ZU KAUFEN !!!

    SOLLTE ES SOWEIT KOMMEN WERDE ICH DER ERSTE SEIN DER ANZEIGE WEGEN HEHLEREI STELLT!
    ICH HOFFE DAS ANDERE AUCH DIESEN SCHRITT GEHEN WERDEN!!!!!

    GAB ES DA NICHT EINE DEUTSCHE PARTEI DIE IHR SCHWARZGELD IN DER SCHWEIZ VERSTECKT HATTE….. !!!! EIN SCHELM DER DABEI SCHLECHTES DENKT……. !

  14. 14
    Carl says:

    Das kann doch einfach nicht wahr sein.

    Der Staat interpretiert sein eigenes Handeln nach gusto und die Bürger applaudieren – es trifft ja wieder mal nur eine Randgruppe, die kein Mitleid verdient.

    Ich habe einen ruhigen Schlaf, wenn ich weiß, dass es in Deutschland Menschen gibt, die die Finanzverwaltung betrügen. Der Staat in dem alle Bürger rechtstreu sind ist eine Illusion.

    Was mich sorgt ist, dass der Staat wenn er heute in seinem Kampf gegen Steuerbetrüger das Recht nicht beachtet, er dieses in Zukunft auch anderen Bürgern gegenüber nicht beachten wird. Und darum geht es, nicht um 100 Mio. € (die ich erstmal bewiesen sehen möchte).

    C.

    p.s.

    @ egal

    Sie schreiben: „Wie kann man denn als unehrlicher Bürger auch nur im Entferntesten daran denken, dass man als Steuerhinterzieher/-verkürzer irgendwelche Datenschutzargumente für sich in Anspruch nehmen dürfte.“

    Gegenfrage: Wie kann man als unehrlicher Bürger auch nur im Entferntesten daran denken, dass man als Gewalttäter irgendwelche Verfassungsrechte (zB Art.104 GG) für sich in Anspruch nehmen dürfte?

    Die Logik „Wer sich außerhalb der Rechtsordnung aufstellt, verdient ihren Schutz nicht.“ ist erstens längst überholt und zweitens mit einem Freifahrtschein nach Guantanamo verknüpft.

  15. 15
    Malte S. says:

    Die Datenhehlerei ist mE (leider) nicht über §§ 259, 261 StGB strafbar. Denkbar wäre lediglich an eine Strafbarkeit wegen (psychischer) Beihilfe und Anstiftung zum Geheimnisverrat, wenn der Staat aktiv als Nachfrager auftritt.
    Das Strafrechtssystem ist jedoch auch vom Grundgedanken her nicht in der Lage einen Staat als deviantes Subjekt zu erfassen. Ebenso ist es nicht auf die Erfassung devianter, jedoch staatlich gewollter Handlungen ausgelegt.
    Davon abgesehen würde der Staat bei einem weiteren Ankauf Anreize setzen, die eine neue Verwertungsindustrie in Gang setzen könnte. Letztlich würde er dadurch kriminelles Verhalten gerade zu fördern. Wer sich zudem – wie die aktuelle Regierung – Datenschutz auf die Flaggen schreibt, muss dies auch dann beachten, wenn er darunter zu leiden hat.

    @Preston: Die Straferwartungen der Steuerhinterziehung und des Datendiebstahls gegeneinander abzuwägen ist doch sinnfrei. Der Staat will nicht möglichst viele Strafen verhängen, sondern Recht und Gesetz wahren.

  16. 16
    JJ Preston says:

    @Malte S.
    Und wie wahrt man Recht und Gesetz? Indem man möglichst viele, die dagegen verstoßen, ihrer gerechten Strafe zuführt. Über die Höhe der Strafen lässt sich niemand abschrecken (siehe Todesstrafe in den USA, die ja nur deshalb so friedliche Innenstädte haben…), weil keiner glaubt, dass er erwischt wird. Wenn es aber eine Vielzahl erwischt, kommen nicht wenige ins Grübeln. Auch da ein Beispiel: Wäre die Ökosteuer nur auf Diesel erhoben worden, hätte sie keinen Effekt gehabt; aber da sie auf alle Benzinsorten gilt, ist der Durchschnittsverbrauch der Kraftfahrzeuge seitdem um 2 Liter gesunken.

  17. 17

    […] This post was mentioned on Twitter by Dominik Boecker, Jens Remus, ubahnverleih, Iwan Uswak, KanzleiHoenigBerlin and others. KanzleiHoenigBerlin said: Kanzlei-Hoenig-Info: Der Stehler und der Hehler http://bit.ly/bgVQQE […]

  18. 18
  19. 19

    Steuerhinterziehung ist in Deutschland dem Steuerbetrug gleich gestellt und die Schweizer müssen akzeptieren, daß die Hinterziehung dort strafrechlich geahndet wird. Doch mit der gleichen Entschiedenheit müßten die Deutschen gegen einen solchen Deal sein, denn ein Rechtsverstoß darf niemals Grund für einen anderen Rechtsverstoß sein. Man würde so das Recht ad absurdum führen. Der Staat ginge mit schlechtem Beispiel für seine Untertanen voran, denn mit diesem Vorgehen würde das Rechtsempfinden eines jeden aufrechten und rechtstreuen Bürgers aufs Schärfste verletzt. Zudem würde der deutsche Staat damit die Nachfrage nach gestohlenen Daten weiter ankurbeln, und damit auch zum Diebstahl anstiften. Um das Ganze kriminelle Karussell noch zu toppen, verhilft der deutsche Staat den Dieben als Dank für ihre kriminelle Energie zusätzlich noch zu einem sorgenfreien Leben. Daß eine sich «Bürgerrechtspartei» nennende FDP (!) mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger als Bundesjustizministerin da auch noch völlig verwirrt, anders kann man es sich nicht erklären, mitmachen will, könnte einen dazu veranlassen zu denken, daß der Status des Rechtsstaates in Deutschland aufgehoben wurde, was Bürger dazu legitimieren dürfte, in einem rechtsfreien Staat noch mehr Steuerbetrug zu begehen, denn die Gesetze des ehemaligen Rechtsstaates gelten ja nicht mehr.

    Bitte lesen Sie weiter auf
    http://www.sackstark.info/?p=17302

    Liebe Grüße
    Carolus Magnus

  20. 20

    Was ist illegal? Ich denke, dass der Staat auf keinen Fall öffentlich-rechtliche Regeln torpedieren darf in dem er Hinterrücks die Regeln aushebelt.

    Ich vermute abr, das lediglich gegen eine (lediglich) Zivilrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung verstoßen wurde. Wir sind also eher im Bereich des whistleblowing…

  21. 21
    Hotel Bravo says:

    Sehr geehrter Herr Gerwig

    Es wurde wohl nicht (nur) gegen eine zivilrechtliche Verpflichtung verstossen. In der Schweiz wird das Bank(kunden)geheimnis durch Art. 47 des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen (BankG) geschützt und die Offenbarung einer anvertrauten Tatsache unter Strafe gestellt (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis drei Jahre).
    http://www.admin.ch/ch/d/sr/952_0/a47.html

    Freundliche Grüsse
    Hotel Bravo

  22. 22
    Essen Bestellen says:

    ISt halt wirklich eine Gradwanderung, einerseits macht sich der Staat strafbar sofern das überhaupt denkbar ist, aber andererseits ist es ja kaum möglich die Daten ehrlich zu erlangen. Die vielen Selbstanzeigen nach Bekanntwerden sprechen ja für sich und sind sicher ein deutliches Zeichen, dass da noch viel mehr verborgen liegt. Der kleine Bürger kann sein Geld ja gar nicht so weg schaffen, also kann man sich auch denken, wessen Geld dort in dieser Form zu finden ist. Ich persönlich bin für den Ankauf.