Der Verteidiger hat immer Zeit zu haben

Der Kampf mit den Richtern am Amtsgericht um die Terminierung der Hauptverhandlungen wird wohl solange nicht enden, wie neue Richter eingestellt werden. Wenn sich der Verteidiger – mithilfe der Oberlandesgerichte – endlich und mühsam mal den einen Richter erzogen hat, wird dieser versetzt.

Der Nachfolger lehnt dann die beantragte Verlegung eines Termins ab, den er – schließlich hat der Richter ja die Terminshoheit, wo kämen wir denn da hin?! – ohne Rücksprache mit dem Verteidiger festgelegt hat. Und wenn der Verteidiger verhindert ist, dann ist das doch – so die gern vertretene Ansicht – nicht das Problem des (neuen) Richters.

Dann geht das Theater los mit Beschwerden, Ablehnungsgesuchen, Wiedereinsetzungsgesuchen, Rechtsbeschwerden und was das Prozeßrecht sonst noch so alles anbietet. Die Argumente der Richter wiederholen sich genauso wie unsere Textbausteine mit den Zitaten aus der Kammergerichts- und OLG-Rechtsprechung. Meist gibt es dann irgendwann einen neuen Termin, den der Richter dann mit dem Verteidiger abgesprochen hat.

Dieses Spielchen macht ein Richter regelmäßig nur ein einziges Mal mit, beim nächsten Mal greift er „freiwillig“ zum Telefonhörer, bevor er den Termin festsetzt.

Heute teilte uns ein Richter eines kleinen Amtsgerichtes im schönen Lande Brandenburg mit, daß er den Termin nicht wie beantragt verlegen könne. Wenn der Verteidiger verhindert sei, könne er doch einen Vertreter schicken. Außerdem sei das doch kein Fall der notwendigen Verteidigung; der Angeklagte könne ja auch ohne Verteidiger kommen. Und schließlich sei er nicht verpflichtet, den Termin mit dem Verteidiger abzustimmen. Die Terminslage des Gerichts erlaube keine Verlegung und der Angeklagte habe auch einen Anspruch darauf, möglichst schnell abgeurteilt zu werden. Der ganze Sermon eben, den das OLG Brandenburg (und andere Gerichte) reichlich oft wieder zerpflückt hat.

Ein neues Argument hat mich dann aber doch überrascht:

Wie kann es denn sein, daß die Kanzlei Hoenig damit wirbt, 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche erreichbar zu sein, wenn der Verteidiger noch nicht einmal Zeit habe, vor dem hiesigen Amtsgericht zu erscheinen? Da kann ja was nicht stimmen!

Genial, was sich manche Dorfrichter mit einem 6-Stunden-Tag bei vollem Gehalt alles einfallen lassen, um sich zu profilieren. Ich bin mir nicht sicher, ob er das wirklich ernst gemeint hat.

Wie der Kollege Burhoff bereits am Mittwoch aus Bayreuth berichtete, scheint es auch dort den einen oder anderen Richter zu geben, der an den Weihnachtshasen glaubt.

Dieser Beitrag wurde unter Gericht, Richter veröffentlicht.

7 Antworten auf Der Verteidiger hat immer Zeit zu haben

  1. 1
    egal says:

    Die Vermutung liegt nahe, dass diese Methode wohl sonst überwiegend funktioniert bei Verteidigern, so dass er es halt versucht ;)

  2. 2
    RA Will says:

    Mir hat mal ein Richter geschrieben, dass sich der Mandant gefälligst einen Anwalt suchen soll, der an dem Termin Zeit hat, das dürfe bei der hohen Zahl an zugelassenen Anwälten unproblematisch sein.

    Das LG fand das nicht so lustig, die Dame von der Geschäftsstelle, die mir mitteilen durfte, dass der Termin nun doch verlegt sei, umso mehr…

  3. 3
    Joerg says:

    Herr Hoenig, jetzt sagen Sie bitte nicht, dass es sich bei dem als Zitat gekennzeichnetem Text tatsächlich um den Original-Wortlaut eines gerichtlichen Schreibens an Sie handelt?!

      Das ist der notierte Wortlaut einer Telefonnotiz unserer Mitarbeiterin, die noch während des Telefonierens protokolliert. crh

    Falls ja, sind an dem Verstand des Richters Zweifel angebracht und wäre mir angst und bange vor einem Richter mit solch offenkundig verschrobenem Weltbild abgeurteilt zu werden. Da ist es dann gut, doch noch eine nachgeordnete Instanz zu wissen. Ich glaube, Ihr Mandant braucht Sie hier unbedingt. Vielleicht gibt die Sache ja Anlass zu einem weiteren Beitrag hier :-)

  4. 4
    Bertram says:

    @RA Will

    O.K., wenn sich der Angeklagte einen Verteidiger sucht, der an dem schon anberaumten Termin keine Zeit hat, das Mandat aber trotzdem annimmt, kann ich den Unmut eines Richters nachvollziehen. Das ist in meinen Augen auch schofel seitens des Verteidigers.

    Im übrigen geht der Verteidiger des Vertrauens immer vor. Andererseits: was heißt schon „Verteidiger des Vertrauens“? Viele Leute, die in die Kanzlei schneien, hat man noch nie vorher gesehen. Und in den 15 Minuten der Mandatserteilung wird sich kaum ein nachhaltiges Vertrauen aufbauen.

  5. 5
    RA Will says:

    @ Bertram: Naja..
    Jedenfalls dann, wenn der Angeklagte den Eröffnungsbeschluss gleichzeitig mit der Ladung bekommt und der Termin 3 Wochen später stattfinden soll und der Mandant am nächsten Tag beim Anwalt sitzt, hat der Anwalt einen Anspruch auf Terminsverlegung.

    „verteidiger des Vertrauens“ bedeutet nicht unbedingt, dass schon seit Jahren ein Vertrauensverhältnis bestehen muss, sondern, dass man sich den Verteidiger suchen darf, dem man vertraut (und das kann man durchaus nach 15 Min merken) und nicht einen, der gerade Zeit hat.

  6. 6
    RA Frese says:

    Guten Tag Herr Kollege,

    warum kommt mir das nur so bekannt vor –

    http://ra-frese.de/2010/07/19/ag-aachen-bugelt-terminsverlegungsantrag-ab/

      „Ihr“ Richter ist ein schönes Beispiel dafür, das es immer noch einen Zacken härter geht. Echt gut, das Kerlchen. ;-) crh
  7. 7
    Tina says:

    @RA Frese

    Auch süß. In meinen Augen ein hinreichender Grund für ein Ablehnungsgesuch. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, der Befangenheitsantrag werde mit Absicht provoziert. Verteidiger sind immer nur dann „Organe der Rechtspflege“ (wobei der Zusatz „unabhängig“ stets unterschlagen wird), wenn es gilt, sie an ihre Pflichten zu erinnern, nie wenn es um ihre Rechte geht. Und daß Amtsgerichte sich dem Beschleunigungsgebot verpflichtet fühlen, erlebt man auch nur dann, wenn andere sich sputen sollen. Ansonsten dürfen Akten schon einmal ein paar Jährchen liegen bleiben.