Christian Sagawe, Rechtsanwalt aus Hamburg, macht sich Gedanken über’s Honorar. Er weiß vor dem Hintergrund seiner langjährigen Erfahrung, daß es für Anwälte, Ärzte und Apotheker nicht einfach ist, mit den Mandanten und Patienten klarzukommen, wenn es um’s Geld geht. Denn alle drei Berufe bestreiten ihren Lebensunterhalt mit dem Elend anderer Leute. Das macht das Geldverdienen schwierig.
Auf der Mailingliste für Rechtsanwälte regt Sagawe nun (erneut) dazu an, über verschiedene Möglichkeiten bei der Gestaltung der Vergütung nachzudenken.
Anlaß dazu hat ihm die Broschüre mit dem Titel “The future of fees: Your route map to value gegeben, die von der Londoner Kanzlei “CMS Cameron McKenna” veröffentlicht wurde. Die britschen Kollegen diskutieren darin über alternative – und teils pfiffige – Vergütungsmodelle.
Für den Mandanten eines Strafverteidigers steht stets an zweiter Stelle die Frage nach den Kosten der Verteidigung. Es gibt das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), in dem die gesetzlichen Gebühren (kompliziert) geregelt sind, die dem Verteidiger nach dem Willen der Berliner Parlamentarier zustehen. Diese Honorare reichen in vielen Fällen jedoch nicht aus, um die Leistungen des Anwalts angemessen zu vergüten.
Deswegen ist es nicht unüblich, wenn der Mandant mit seinem Verteidiger eben ein angemessenes Honorar frei vereinbart. So machen wir es in der Regel auch.
Die Festlegung der Höhe dieser Vergütung stellt die Aufgabe dar, die der Verteidiger mit seinem Mandanten gemeinsam zu lösen hat. Weit verbreitet ist dabei, daß der Verteidiger sagt, wo es langgeht.
Denkbar ist aber auch der umgekehrte Weg: Der Strafverteidiger fragt seinen Mandanten, was ihm die Verteidigung wert ist; der Mandant bestimmt also die Höhe der Vergütung und nicht der Verteidiger.
Eine Variante der Honorargestaltung, die auch in unserer Kanzlei seit Jahren gut funktioniert.
Kommen da nicht teilweise aberwitzig niedrige Bereiche ins Gespräch? Es soll ja auch immer wieder Menschen geben, die nichts außer High-Tech mehr als 50€ zahlen wollen…
Das ist eine abstrakte Befürchtung, die häufig geäußert wird – aber stets von Leuten, die ohne Bezug zu einem konkreten Fall über das Modell nachdenken.
Wenn man dem (potentiellen) Mandanten z.B. eine gefährliche Körperverletzung vorwirft und er ganz konkret mit der Anklageschrift in unserem Besprechungszimmer sitzt, ist er zu solchen Späßen nicht aufgelegt.
Wenn ich einen Rechtsanwalt bemühe, möchte ich, das er von vorne herein offen ist und mir sagt wie der Fall zu bewerten ist und wie er die Kuh vom Eis kriegt. Und dann soll er sich zu 100 % einsetzen und seine Versprechen halten. Dafür soll er dann auch gutes Geld erhalten.
Aber leider sieht die Realität häufig ganz anders aus: Der Mandant wird abgeschätzt, wie viel „Kohle“ aus ihm herausgeholt werden kann, während der persönliche Einsatz gerne minimiert wird (Nachdenken übers Honorar, wie oben).
@Gastleser:
Hierzu kann ich folgendes anekdotisches Beispiel bieten, wobei mir die genauen Hintergründe des Falls nicht bekannt sind, ich nur juristischer Laie bin (Stichwort: gefährliches Halbwissen, aber immerhin nicht bei Frau Salesch und Herrn Hold erworben), und ich somit keine abschließende Bewertung, sondern nur eine Vermutung anbringen kann:
Ein Bekannter hatte ein Problem mit einem eBucht-Verkäufer – er hatte per Vorkasse bezahlt, aber nie Ware erhalten.
Ich hätte nun erwartet, dass man den Verkäufer schriftlich in Verzug setzt (ob man das nun muss oder nicht – es schadet nicht, es zu tun). Liefert der Verkäufer weiterhin nicht bzw. spielt Vogel Strauß, tritt man vom Kaufvertrag zurück und fordert sein Geld zurück. Kommt darauf auch keine Reaktion, startet man ein Mahnverfahren, und der feine Herr bekommt irgendwann Besuch vom Gerichtsvollzieher, der dann entweder das Geld eintribt oder feststellt, dass bei dem Herrn sowieso nichts zu holen ist. (Und man sich also weitere Anwalts- und Gerichtskosten sparen kann, weil man auf denen eh nur selbst sitzenbleibt.)
Der Anwalt meines Bekannten hat dagegen gleich die Klage angestrengt.
Dazu muss man sagen, mein Bekannter hat eine Rechtsschutzversicherung, die die Kosten übernimmt.
Könnte der Anwalt da eventuell geneigt gewesen sein, den für ihn profitableren Weg zu wählen, weil er sich denkt „Ich ziehe das Geld ja nicht meinem Mandanten aus der Tasche, sondern seiner Versicherung, das tut ihm ja nicht weh.“?
@ Gastleser: Da frage ich mich ehrlich, bei was für Rechtsanwälten Sie gewesen sind. Ich persönlich kenne keinen Kollegen, der so vorgeht.
@ Carsten R. Hoenig: Von seiner Methode, den Mandanten danach zu fragen, was die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes ihm wert sei, hat mir Kollege Sagawe vor Jahren mal erzählt. Ich fand die Idee spontan gut und probiere es seither immer mal wieder. Mir hat noch NIE ein Mandant darauf eine Antwort gegeben.
Es gibt durchaus das Phänomen, daß der Mandant die Höhe nicht einschätzen *kann*. Aber auch in diesen Fällen ist die Frage des Verteidigers zielführend: Der Mandat hat das – zutreffende – Gefühl, an der Beantwortung der Frage der Höhe der Vergütung aktiv beteiligt worden zu sein. crh
Natürlich bestimmt sich das Honorar auch nach dem Geldbeutel des Mandanten. Wenn ein armer Tropf vor einem sitzt, der zwar offensichtlich dringend einen Verteidiger benötigt, aber kein Geld hat, kann man nicht 3.000,- Euro als Honorar vorschlagen.
Dagegen mag der erfolgreiche Geschäftsmann, der „vergessen“ hat, seine Steuern zu zahlen, ruhig einen hohen Betrag für seine Verteidigung zahlen, selbst wenn der Arbeitsaufwand geringer ist als bei so manchem armen Schlucker.
Wie auch im Zivilrecht sollte sich die Höhe des Honorars nach dem „Gegenstandswert“ richten. Und der ist bei einem Geschäftsmann, der seine weiße Weste behalten möchte, eben höher als bei dem Drogi, der mal wieder wegen Diebstahls von Zigaretten vor Gericht steht.
Den Artikel und die Kommentare kurz zusammengefasst, kann man sagen:
„Anwälte nehmen im Strafrecht soviel Honorar, wie sie bekommen können“.
Offenkundig wird da das Honorar nicht an der Leistung bemessen, sondern am Leistungsempfänger. Und das wird auch noch bereitwillig eingeräumt.Ich finde das überaus bedenklich.
Die Herren Anwälte sollten sich mal überlegen, wie sie es finden würden, wenn für sie die Brötchen 5,- Euro pro Stück kosten, während der studierende Kiffer sie für 10 Cent bekommt. Und beim Tanken 14,- Euro pro Liter und nicht 1,40. Zur Bemessung bitte Einkommensteuerbescheid vorlegen!
Den Gedanken zuende gebracht, ist das Verhalten „nimm, was du bekommen kannst“, geradzu kommunistisch. Würde jeder so handeln und den Preis an der Person bemessen, dann wären letztlich alle gleich arm.
Schämen Sie sich!
Ihre Kritik richtet sich gegen eine Vorschrift, die zwingend vorschreibt, genau so zu verfahren: Nach § 14 RVG ist die Leistungsfähigkeit des Mandanten ein Kriterium, das bei der Bemessung der Vergütung Berücksichtigung finden muß. crh
Prinzipiell ist die „Was-ist-es-Ihnen-wert-Frage“ interessant, aber ist nicht die Mehrzahl der Mandanten damit überfordert? Ich stelle mir vergleichend einmal vor, was ich einem Arzt sagen würde, der mich fragt, wieviel mir diese oder jene Untersuchung wert ist. Da wäre ich wohl ebenso überfordert…
@RA Müller
Wieso? Schnupfen: 50 Euro, Bauchspeicheldrüsenkrebs: 50.000,- Euro. Ist doch klar, daß einem eine wichtige Behandlung mehr wert ist. Aus sozialen und ethischen Gründen können Ärzte natürlich noch weniger als Anwälte so verfahren.
Aber da ich als selbstständiger Anwalt weiß, was eine Leistung wert ist, biete ich Ärzten (oder jüngst: einer Hebamme) von mir aus eine Honorarvereinbarung an. Gute Arbeit in wichtigen Dingen darf auch gutes Geld kosten.
@Scharnold Warzenegger
Für persönliche Dienstleistungen gelten andere Regeln als für Verkaufspreise. Wenn ich mich um 2.00 Uhr morgens ausgeschlossen habe, muß ich auch mehr für den Schlüsseldienst bezahlen als um 14.00 Uhr. Dienstleister nutzen Notlagen in gewisser Weise aus. Das ist geradezu das Wesen der Dienstleistung. Je besser und je schneller desto teurer. Und mein Mitleid mit einem Porschefahrer, der sich durch „Versäumnisse“ bei der Staatsanwaltschaft bekannt gemacht hat, hält sich in Grenzen. Wenn er das wieder ausgebügelt haben will, muß er eben zahlen oder kann sehen, wie er da alleine wieder rauskommt.
Für die Zweifler und Zauderer (einige, die die Welt so sehen, wie sie sind) unter Ihnen: Die Accor-Hotelgruppe hatte mal ein Programm „Zahlen Sie doch, was sie wollen“.
Nicht während des Ein- sondern beim Auschecken konnte der Gast entscheiden, wieviel er für die Dienstleistung Übernachtung plus X bezahlen wollte.
Die Statistik soll ergeben haben, dass der Durchschnittsumsatz annähernd gleich geblieben ist, was allerdings fehlte, waren jegliche Reklamationen.
@ Nebgen:
Falls der Drach mal seinen Sendeplatz räumt, machen Sie doch mal den Anwaltstester. Und fangen in Hannover an. Wenn man ganz unten beginnt, kann es nur noch besser werden.