Es ist ein Standard-Thema, das Angebot der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, ein Strafverfahren gegen Zahlung einer Auflage einzustellen.
Jürgen Schöne aus Hoyerswerda berichtet im RED TAPE über ein ziemlich gruseliges Steuerstrafverfahren, in dem der Richter Gesichtswahrung betrieben hat. Gewaltige Ermittlungen über Jahre und am Ende ist nichts Handfestes dabei herausgekommen. Man stochert noch in der Hauptverhandlung im Nebel.
Und dann kommt das Angebot: Weiter stochern, vermutlich über mehrere Tage. Oder eben die Einstellung nach § 153a StPO. Herr Schöne hatte Anlaß, seinem Mandanten zur Annahme dieses Angebots zu raten.
Der Kollege Jürgen Melchior aus Wismar berichtete seinerzeit über ein anderes Ergebnis. Sein Fall führte zur Ablehnung des Angebots. Und zum Freispruch.
Beide Verteidiger können auf ihre Weise einen Erfolg verbuchen. In beiden Fällen habe ich jedoch Bauchschmerzen, wenn ich mir überlege, was da eigentlich abgeht.
Die Anklage darf nicht geschrieben, erst Recht nicht zum Hauptverfahren zugelassen werden, wenn nicht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung spricht. Trotzdem liest und hört man immer wieder von Verfahren, die erst angeklagt und dann eröffnet werden, um recht bald festzustellen, daß die Beweise für eine Verurteilung dann doch nicht ausreichen. Was – aus meiner Perspektive – vorhersehbar war.
Der RED-TAPE-Fall ist ein besonders krasses, aber deutliches Beispiel für diese Vorhersehbarkeit: Eine Hauptverhandlung auf 15 Uhr zu terminieren und dazu 10 Zeugen zu laden, ist schon oberdreist. Und dann dem Angeklagten „anbieten“, einen weiteren Termin festsetzen zu müssen, wenn er der Einstellung gegen Auflagenzahlung nicht zustimmt, scheint mir weit außerhalb des grünen Bereichs zu liegen.
Irgendwann schreibe ich dann doch mal eine Strafanzeige … als Erwiderung auf ein Angebot, daß mein Mandant nicht ablehnen kann. Zur Verurteilung des Richters oder des Staatsanwalts wird das sicher nicht führen. Aber für Wirbel und vielleicht zur Nachdenklichkeit.
Besonders blöd ist das, wenn ein Verbrechen angeklagt worden ist. An der Anklage festzuhalten und gleichzeitig mit § 153a StPO zu winken oder eine kurzzeitige Freiheitsstrafe ausdealen zu wollen, läßt am rechtstaatlichen Verständnis des Vorschlagenden zweifeln.
Nun liegt das oftmals darin begründet, das Amtsge-richte nicht die Zeit haben, die Anklage ausführlich zu prüfen und das Verfahren bis zum Ende durchzudenken. Im Gegensatz zu Strafkammern laden Amtsrichter nur selten sämtliche aus den Akten ersichtlichten Zeugen und veranlassen schon gar keine weiteren Nachforschungen, um weitere Zeugen ausfindig zu machen.
Das ist zumeist auch nicht nötig. Da sich der ganz überwiegende Teil der Anklagen als zumindest teilweise begründet erweist, bieten sich immer die §§ 153 ff. StPO als Ausweg für die komplizierten Teile des Verfahrens an. Auf die Variante „Hop oder Top“ sowie der Möglichkeit mehrfach ausbleibender Zeugen und ausführlicher Beweisanträge sind nur wenige Amtsrichter eingestellt. Dann stirbt das Verfahren einen sehr langsamen und qualvollen Tod. Auch ein Freispruch bedarf einer ausführlichen Beweisaufnahme. Und die Variante „viel Arbeit für Freispruch“ ist für manche Richter nur schwer erträglich.
@ Holger: § 153 a StPO funktioniert grundsätzlich nur bei Vergehen, nicht bei Verbrechen.
Die Vorschrifft ist durchaus sinnvoll, um Verurteilungen nicht für jede kleinigkeit ausprechen zu müssen. Doch das erpressen (Nötigung klingt für leihen zu harmlos) mit dieser Norm ist wirklich widerlich. Wir leben in einem Rechtstaat. In einer Demokratie *hust*
@RA JM
Eben! :-)
Nun, der Richter hatte nicht terminiert auf 15.00, um das Angebot zu unterbreiten. Der ist eigentlich davon ausgegangen, dem Angeklagten so zu zusetzen, dass der den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück nimmt. Nur zwischen Terminierung und Termin hatten wir noch einige Zeugen auf die Liste setzen lassen mit Zitaten aus der Akte, die die Anklage so wacklig aussehen ließen. Daraufhin hat sich der Richter erst mal mit der Akte beschäftigt und ist dann umgeschwenkt.
Heute habe ich das Angebot 153a wahrgenommen, obwohl ich und mein Unfallgegner wissen, das ich keine Schuld hatte. Meinem Anwalt habe ich 700 Euro bezahlt und 500 Euro Strafe. Ich bin 1200 Euro losgeworden, weil ich mehr Schaden von mir abwenden wollte, denn wenn ich dem Gericht nicht traue, dann muss ich die erpresserische Summe von 1200 Euro bezahlen. Danke aber ich war unschuldig!!!