Auf der Mailingliste für Rechtsanwälte suchte ein Anwalt für seinen Mandanten einen „einen Kollegen für Strafrecht“.
Angeklagt war der Mandant wegen einer Körperverletzung. Der Anwalt schilderte knapp, es habe sich um eine relativ harmlose Rangelei gehandelt. So harmlos, daß sie im Ermittlungsverfahren bereits einmal nach § 170 II StPO eingestellt wurde. Also eigentlich aus Sicht des Mandanten ein Spitzen-Ergebnis, das der Anwalt wohl mit leichter Hand erreicht hatte.
Aus nicht weiter mitgeteilten Gründen wurde das Verfahren wieder aufgenommen und die Staatsanwaltschaft erhob gegen den Mandanten Anklage. Im Rahmen der Hauptverhandlung eskalierte die Sache, und zwar im dritten (!) Fortsetzungstermin. Plötzlich stand nicht mehr eine Körperverletzung im Raume, sondern eine räuberische Erpressung. Also ein Verbrechen, für das nach §§ 255, 249 StGB grundsätzlich eine Mindestfreiheitsstrafe von 1 Jahr vorgesehen ist.
Bevor es nun im vierten Hauptverhandlungstermin an’s Eingemachte geht, zieht der Kollege die Notbremse; er will die Sache an einen erfahrenen Strafverteidiger abgeben:
Bin selbst weit zu unerfahren im Strafrecht.
Das ist ein klassisches Beispiel für die Fälle, die ich häufiger angetragen bekomme. Meist allerdings erst nach der Verurteilung, um dann im Rechtsmittel zu retten, was noch zu retten übrig geblieben ist.
Der vorgetragene Fall soll eine Warnung darstellen – in zwei Richtungen:
Zum ersten an den Beschuldigten:
Wenn es um den Vorwurf einer Straftat geht, sollte sich der Beschuldigte grundsätzlich in jedem Fall an einen Strafverteidiger wenden und nicht an einen Rechtsanwalt, der sich vielleicht früher einmal im Scheidungsverfahren als Spitzenjurist erwiesen hat.
Zum zweiten an den Rechtsanwalt, der kein Strafverteidiger ist:
Wenn ein Mandant ihn mit einer Verteidigung beauftragen möchte, sollte er ihn sofort – und nicht erst, wenn das Kind im Porzellanladen auf die Schnauze gefallen ist – einen Strafrechtler verweisen.
Wie der Fall zeigt: Am Ende einer kleinen Rangelei könnte die Vernichtung der gesamten Existenz stehen. Für die räuberische Erpressung liegt die gesetzliche Obergrenze bei 15 Jahren Freiheitsstrafe.
Ich hab auch noch eine Warnung:
An den Täter. Hätte er nicht geraubt, dann würde er jetzt nicht solche Probleme haben.
@Hannes:
Wo steht, dass der Angeklagte (nicht Täter!) etwas geraubt hat?
Ihm wird momentan nur der Vorwurf gemacht dies getan zu haben. Immerhin ist das Verfahren ursprünglich ohne weitere Auflagen eingestellt worden.
@Herr H.
Fehlt nur noch der Hinweis auf den Fachanwaltstitel für Strafrecht in der Aufzählung.
@Herr T.
Das wird in der Anklageschrift und im Eröffnungsbeschluss des Gerichts stehen, dass die Verurteilungswahrscheinlichkeit höher als die Freispruchwahrscheinlichkeit ist.
Wie man aus einer eingestellten (und verbrauchten) KV-Strafklage zu einem Raub kommt, ist mir schleierhaft. Da scheint der Verteidiger entweder großen Mist gebaut zu haben oder der Mandant war nicht ehrlich genug zu seinem Anwalt.
@ egal:
Durch die Einstellung nach 170 II tritt kein Strafklageverbrauch ein. StA kann jederzeit wiederaufnehmen. Da ist gar nicht schleierhaft.
Schön, schön, und alles richtig. Nur noch folgender Hinweis:
Wenn man etwas anderes will, z.B. Probleme mit Behörden hat, sich scheiden lassen will oder einen zivilrechtlichen Anspruch einklagen will, dann bitte an den entsprechenden RA mit Erfahrung wenden und NICHT an den Strafrechtler. Die sind nämlich in fachfremden Gebieten keinen Deut besser als die Scheidungsanwälte im Strafprozess.
Derartige Fälle sind mir auch geläufig. Der Zivilist verhebt sich an einer vermeintlich einfachen Strafsache und der Mandant kassiert eine bittere Quittung.
@Hannes:
So ein Kommentar kann eigentlich nur von jemandem kommen, der das mit der Unschuldsvermutung noch nicht richtig verinnerlicht hat. Keine Sorge, spätestens wenn Sie selbst mal zu Unrecht einer Straftat bezichtigt werden sollten, wird sich der Blickwinkel ändern. Für diesen Fall wünsche ich Ihnen, dass sie an einen im Strafrecht erfahrenen Kollegen geraten.
Tja was fällt mir da direkt ein?
IHR RECHT IST MEIN JOB
DEUUUUUUUUUTSCHLANDWEITE STRAFVERTEIDIGUNG
Weeeerbung ;)
Bei allen berechtigten Aussagen ist es ein leichtes, über den Kamm zu scheren, ohne en detail irgendetwas aussagen zu müssen.
Schicken Sie mal eine Akte eines Falls, in dem Sie strafverteidigt haben. Dann schreibe ich dazu gern ein paar Details. Finde ich keine Böcke, die Sie geschossen haben, spendiere ich eine Flasche Gewürztraminer.
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8-) crh
[…] Dito. […]
Hochachtung vor dem Kollegen, der pflichtgemäß seine eigenen Grenzen verantwortlich bestimmt und den Fall dann abgibt, wenn er sich überfordert sieht. Das ist ein Zeichen von großer Stärke.
Ich wünschte mir, es gäbe mehr davon.
Ich habe auch schon gehört von „berühmten“ Strafverteidigern, die ihren Mandanten mit konsequenter Aussageverweigerung ein „Lebenslänglich“ regelrecht eingebrockt haben, weil sie innerlich von der Schuld des eigenen Mandanten überzeugt waren. Und auch noch aussagebereite Entlastungszeugen eliminiert haben, indem denen gesagt wurden, wenn sie aussagen würden, würde die Staatsanwaltschaft sie nachher selbst anklagen (!).
Ach, wie oft hätte ich das gerne dem Beschuldigten gesagt, aber ich darf ja nicht.
@MadameLa StA:
Übernehmen Sie in solchen Fällen doch (teilweise) die Verteidigung. Es bleibt auch einem Staatsanwakt unbenommen, auf die „schwierige Kindheit“ des Beschuldigten hinzuweisen und „Haftverschonung“ zu beantragen.
Das ist nicht verboten und es fällt Ihnen auch nicht die Hand ab, liebe Frau Staatsanwältin: § 160 II StPO. ;-)
[…] nur weil man den seit Jahren gut kennt und der einem die Zähne gut in Schuß gehalten hat. Welche Konsequenzen das haben kann, ist […]