Es war eine Steuerstrafsache und ich hatte eine „böswillige“ Akteneinsicht beantragt. Die Akten mußten aufgrund ihres Umfangs in acht Umzugs-Kartons in einem besonderen Raum im Gericht gelagert werden. Aufgrund der mit der Akteneinsicht signalisierten Verteidigungsstrategie war für beide Tatvorwürfe ein Ende in Form der Verjährung realistisch.
Der eine Verjährungseintritt stand unmittelbar bevor. Auf den Eintritt der Verjährung in der zweiten Sache ein Jahr später wollte ich wetten.
Über diese explodierende Akteineinsicht hatte ich bereits berichtet.
Nach einigen Telefonaten mit dem Gericht erhielt ich heute Post:
Man hat den Weg des geringsten Widerstandes gewählt.
Der Tatvorwurf lautete auf einen so genannten Vorsteuerbetrug. Meinem Mandanten wurde vorgeworfen, Rechnungen von Unternehmen in seine Buchhaltung übernommen zu haben, die nicht existierten. Die Umsatzsteuer, die diese Rechnungen enthielten, hat er vom Finanzamt erstattet bekommen. Insgesamt ein mittlerer sechsstelliger Betrag.
Der Mandant hat vorgetragen, daß die Leistungen der Unternehmen erbracht worden seien, die Unternehmen daher auch existierten und er deren Rechnungen samt Umsatzsteuer auch bezahlt hätte.
Der Finanzverwaltung ist es weder im Besteuerungsverfahren, noch in dem Strafverfahren gelungen, den Gegenbeweis zu führen.
Mit der Einstellung dieses Strafverfahrens gibt es nun auch keine Verjährungsunterbrechung bzw. keine Verlängerung der kurzen Verjährung im Besteuerungsverfahren. Die von der Finanzverwaltung geltend gemachten Steuerforderungen sind damit ebenfalls der Verjährung anheim gefallen.
Ich zitiere vor diesem Hintergrund noch einmal die Einstellungsbegründung:
eingestellt, weil dessen etwaige Schuld gering wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht.
Wenn diese Entscheidung nicht nahezu ausschließlich positive Konsequenzen für meinen Mandanten bedeuteten, würde ich sie als völlig absurd disqualifizieren.
Aber so halte ich als Interessenvertreter meines Mandanten besser den Mund.
Erfolgt bei dieser Einstellung nicht ein Vermerk in irgendeiner Datei der Staatsanwaltschaft und kann dann in Jahren doch wieder rausgekramt und nachteilig für den Mandanten sein?
„Der Finanzverwaltung ist es weder im Besteuerungsverfahren, noch in dem Strafverfahren gelungen, den Gegenbeweis zu führen. “
Das klingt für mich eher nach Kreationismus-Argumentation. Wie soll denn die Finanzverwaltung das Nichtvorhandensein eines Unternehmens beweisen? Sollte da nicht eher der Mandant den Beweis führen müssen, dass es die Unternehmen gibt? Immerhin sollte das ja einfach sein, wenn diese real existieren (Rechnungskopie, Handelsregisterauszug, Zeugen, etc.)
Soso, man kann also locker unberechtigt eine halbe Millionen an Steuergeld einsacken und es besteht dann kein Interesse an der Strafverfolgung…
Aber Berlin hat’s ja offensichtlich. Da sach noch jemand Verbrechen lohnt sich nicht.
Alter Jakob: Und wieso kann dann ihrer Ansicht nach die Finanzverwaltung nicht im Umkehrschluss beweisen, daß die Firmen nicht existieren.
Offenbar war es ja nicht so einfach. Und wieso soll der Steuerzahler Gegenbeweise anführen, wenn das FA offenbar unbelegte Unterstellungen raushaut.
@Hans: Wenn man Geld vom Finanzamt wiederhaben will, sollte man evtl. die Grundlage belegen können.
Wie beweist man denn die Nichtexistenz einer Firma? Selbst wenn die nicht im Handelsregister eingetragen ist, heisst das ja nicht, dass es sie nicht doch geben könnte. Könnte ja bspw. eine ausländische Firma sein.
Aber Ihnen würde ja als Beweis vielleicht ein leeres Blatt Papier und der Zusatz „Firma steht hier nicht drauf, gibt’s also nicht“ ausreichen. Falls nicht, können Sie mir sicher schlüssig erklären, wie der Beweis theoretisch zu führen wäre.
Für das Besteuerungsverfahren verweise ich da mal auf die §§ 90, 93 AO.
„Mit der Einstellung dieses Strafverfahrens gibt es nun auch keine Verjährungsunterbrechung bzw. keine Verlängerung der kurzen Verjährung im Besteuerungsverfahren.“ — Das würde ich so nicht unterschreiben.
Alter Jakob: Vielleicht sollten sie doch besser nur von Dingen reden, von denen Sie Ahnung haben. Nur so als kleiner Tip: Man kann aus Rechnungen von ausländischen Firmen keine Vorsteuer ziehen. Und ob ein inländisches Unternehmen existiert _und_ an der Umsatzbesteuerung teilnimmt, kann das örtlich zuständige Finanzamt problemlos beantworten. Es gibt also exakt gar kein Nachweisproblem für die Behauptung dass ein Unternehmen nicht existieren würde.
Was ist eine „böswillige“ Aklteneinsicht?