Über den würdelosen Versuch eines Richters und einer Staatsanwältin, sich um eine Entscheidung zu drücken, hatte ich hier bereits berichtet. Nach der Berufung der Staatsanwaltschaft machten die beiden dem Mandanten im Laufe einer engagierten Beweisaufnahme wiederholt Angebote, das Verfahren „einvernehmlich“ zu beenden.
Von 70 Tagessätzen ging es erst auf 60, dann auf 50 Tagessätzen runter; danach boten beide dem Mandanten die Einstellung des Verfahrens gegen „Zahlung einer Auflage“ an, erst waren es 2.000 Euro, dann 1.500 Euro und schließlich oben drauf noch die Möglichkeit, in angeblich Hartz-IV-konformen Raten von 250 Euro (!) monatlich zahlen zu können.
Der Mandant nahm keines dieser Angebote an, er wollte seinen Freispruch der Instanz verteidigen – auch in Hinblick auf die Kosten.
Zum vierten (!) Hauptverhandlungstag wurde erneut ein Sachverständiger geladen. Allerdings einer vom Landeskriminalamt, aus Sicht der Verteidigung durchaus problematisch und angreifbar. Schließlich sollte dieser Sachverständige die Arbeit seiner Kollegen begutachten.
Vor Aufruf der Sache rief der Richter mich zu einem Rechtsgespräch in den Saal. Ich solle doch noch einmal mit dem Mandanten reden, ob er nicht doch einer Einstellung gegen Auflage nach § 153a StPO gegen Ratenzahlung bereit sei.
Der Mandant lehnt nach Beratung ab.
Ja, wenn er nicht zahlen wolle, wie sehe es denn dann mit 50 Stunden gemeinnützige Arbeit aus. So lautete nun die Frage des Gerichts …
Das war dann der Punkt, an dem der Mandant keinen Bock mehr hatte auf dieses niveaulose Schauspiel, was ihm da geboten wurde. Er akzeptierte – nicht zuletzt vom dem Hintergrund des Kostenrisikos, das ihm der Richter noch einmal deutlich zu machen für nötig erachtete.
Der angewiderte Mandant wollte nur noch raus aus dem Gericht …
Bei dem Geschachere kann einem nur schlecht werden.
Nebenjob: Marktschreier auf dem Wochenmarkt („nur für Sie lege ich noch kostenlos einen polierten Suppenlöffel dazu“)?
Würdelos – und mit den Zwecken staatlicher Strafverfolgung kaum zu vereinbaren – ist das in der Tat.
Dass ausgerechnet der Angeklagte sich beschwert, dass das Gericht ihn nicht ohne viel Federlesens verurteilt hat, ist allerdings auch bemerkenswert.
Zur Verurteilung reichte die Beweislage nicht. Und allein der Gedanke an den Freispruch löste bei dem Richter allergische Reaktionen aus. crh
„Warum sind sie Richter geworden, wenn sie nicht einmal die Eier haben, ein klares Urteil zu sprechen? Ihr Verhalten kann ich nur als Drohung auffassen, mir einen reinzuwürgen, falls ich auf meine Unschuld und ein Urteil bestehe.“
Was hat ein Richter davon, einen Angeklagten auf Deubel komm raus zur irgendetwas zu verknacken, un seien es nur Arbeitsstunden? Darf er sich dann bei seinem Vorgesetzten/Dienstherrn ein Fleißkärtchen abholen?
Wenn es keine Beweise gibt, dann gehört der Angeklagte freigesprochen. Ganz davon abgesehen, der ehemals Angeklagte ist ja mit den Arbeitsstunden auch „schuldig“ gesprochen worden. Das wird er doch immer mit sich rumtragen müssen.
Eine Schande, was sich in den Gerichtssälen so abspielt.
Wäre bei so einem Verahlten seitens des Richters, der trotz klar artikulierten Willens, einer Einstellung nicht zuzustimmen, nicht ein Befangenheitsantrag geboten gewäsen?
Immerhin hat der Richter durch sein wiederholtes „feilschen“ zum Ausdruck gebracht, den Anspruch des Angeklagten auf ein rechtsstaatlches Verfahren und seine Rehabilitierungsmöglichkeit durch Strafurteil, nicht erfüllen zu wollen.
Aber das verflixte Kostenrisiko…
Ich bin erschüttert, dass es deutsche Gerichte geben soll, die mit der Verurteilung eines Angeklagten drohen, obwohl sogar dessen Verteidiger die Beweislage für nicht ausreichend hält.
Wie jedes Gericht wissen sollte, sind deutsche Strafverteidiger Organe der Rechtspflege, die deshalb nie behaupten würden, ihrem Mandanten sei die Tat nicht nachweisbar, wenn das nicht auch stimmt.
@B.Bürger: Du hast wirklich gar nix begriffen.
„Zur Verurteilung reichte die Beweislage nicht. Und allein der Gedanke an den Freispruch löste bei dem Richter allergische Reaktionen aus.“
Warum hat man sich dann nicht auf § 153 StPO einigen können?
„Rechtsgespräche“ sieht die Strafverfahrensordnung nicht vor. Gemäß § 212 StPO hatten Sie eine Erörterung mit dem Ziel einer Verständigung auf einen engeren Strafrahmen (§ 257c StPO). – Besser wäre ein Tat- oder Schuldinterlokut, das der deutsche Gesetzgeber leider nicht ermöglicht.
@Hans: Ich finde, B. Bürger hat ziemlich viel begriffen und das auch noch pointiert verpackt.
@Auke: Nein, hat er nicht. Einfach mal die hier gepostete Vorgeschichte lesen.
Setzen, sechs.
Wäre ich Hartz-IV-Empfänger, hätte ich gleich 500 Stunden gemeinnützige Arbeit angenommen (bei möglicher Arbeitsstellenauswahl).
@Hans: Die Vorgeschichte ist mir bekannt und ändert nichts an meiner subjektiven Wertung.