Explodierende Akteneinsicht

Die Hauptverhandlung soll am 14. September beginnen. In der vergangenen Woche habe ich Akteneinsicht beantragt. Diesem Antrag wurde kurzfristig stattgegeben:

Die Ermittlungsakten Bd. I bis IV sowie die Sonderhefte Bd. I bis VII liegen auf der Geschäftsstelle zur Abholung und Mitnahme in Ihre Kanzlei für drei Tage bereit. Die Beweismittelordner können nur auf der Geschäftsstelle eingesehen werden.

schreibt mir das Gericht. Soweit, so gut normal.

Am Freitagvormittag war ich auf der Geschäftsstelle. Die freundliche Mitarbeiterin übergab mir die Akten und Sonderhefte. Sodann forderte sie mich auf, ihr zu folgen. In’s „Lager“, sagte sie mir. Das kannte ich noch nicht.

Sie führte mich in einen fensterlosen Raum von etwa 80 qm, der voll gestopft war mit Kartons, wie ich sie von unserem Kanzleiumzug noch in Erinnerung hatte. Acht Stück dieser Papp-Container betrafen mein Verfahren, teilte mir die Mitarbeiterin mit. Jeder dieser Kartons war vollgepackt mit Aktenordnern („Leitzordner“). Die könne ich mir jetzt ja mal eben anschauen, meinte die Mitarbeiterin mit einem grausamen Lächeln. Nein, ich habe das Lager ganz ruhig und ohne zu laut zu schreien wieder verlassen.

Denn: Ich bin mir sicher, daß für die Hälfte der Vorwürfe bereits am 4. Oktober das Verfahrensende erreicht sein wird. Für sie läuft an diesem Tage die absolute Verjährungsfrist ab. Und es sieht nicht so aus, daß die Beweismittel in den Umzugskartons bis dahin in den Prozeß eingeführt werden können, damit das Gericht ein (Teil-)Urteil sprechen kann.

Schließlich sind da noch diese beiden Computer, die drei mobilen Festplatten und die Kiste mir den CDs. Die dort gespeicherten Daten wurden nämlich auch zur Stützung der Anklagevorwürfe zitiert.

Die Tatvorwürfe, die nach dem 4. Oktober noch übrig bleiben, verjähren dann etwa ein Jahr später. Ich möchte wetten, daß genau das eintreten wird.

Übrigens:
Mein Angebot in der vergangenen Woche, das Verfahren nach § 153 a StPO gegen Zahlung einer Auflage haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Gericht und schließlich noch die Vertreterin der Finanzverwaltung empört abgelehnt.

Man kann der Verteidigung nicht nachsagen, daß sie sich bockig anstellt und das Verfahren böswillig in die Länge ziehen will. Diesmal nicht.

Dieser Beitrag wurde unter Gericht, Verteidigung veröffentlicht.

5 Antworten auf Explodierende Akteneinsicht

  1. 1
    Carlo says:

    Och, in den bis dahin möglichen etwa 8 Verhandlungstagen kann man schon eine Menge schaffen, wenn man den Verjährungseintritt auf dem Schirm hat. Also ganz schwarz wollen wir für die Belange der Rechtspflege mal noch nicht sehen …

  2. 2
    RA Eickelberg says:

    Die waren so zufrieden mit ihrer Arbeit, dass sie Dir gleich noch ein „n“ geschenkt haben… ;-)

  3. 3
    RA Eickelberg says:

    Kommentar #2 sollte zu dem Artikel „Applaus: Köln lernt dazu“

  4. 4

    […] verschwinden lässt … RA Nebgen zerpflückt das “Minibar-Dilemma” … RA Hoenig muss ins “Lager” und … Jens Ferner bewerte Sex im Auto als […]

  5. 5