Früchte aus verbotenem Vorrat

Die Berliner Staatsanwaltschaft will bei ihren Ermittlungen auch auf Daten zurückgreifen, die verfassungswidrig erhoben wurden. Dabei geht es um die Vorratsdatenspeicherung: Seit Januar 2008 wurde bei allen Bürgern registriert, wann sie welche Nummern angerufen hatten und wie lange das Gespräch dauerte. Anfang März hatte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz für nichtig erklärt. Doch die Berliner Staatsanwaltschaft will die Daten weiter nutzen.

schreibt Sebastian Heiser in der taz.

Die Leitlinie Nr. 4 macht’s möglich:

Danach ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zu entscheiden.

Bei der Gewichtung des staatlichen Interesses an der Tataufklärung werden das Schweigen des Bundesverfassungsgerichts zur Löschung bzw. Vernichtung der im Rahmen seiner einstweiligen Anordnung und ihren Verlängerungen übermittelten Verkehrsdaten, die besondere Bedeutung, die dem Vorliegen einer Katalogtat i.S.d. § 100a Abs. 2 StPO beigemessen worden ist, wie auch der Umstand, dass die Erhebung von Vorratsdaten nicht generell als grundrechtswidrig eingestuft worden ist, in Bedacht zu nehmen sein.

Die Staatsanwaltschaft probiert’s aus: Einfach mal machen. Denn die Frage der Verwertbarkeit entscheidet am Ende der Bundesgerichtshof im Rahmen einer Revision. Das wird noch ein paar Jährchen dauern. Und bis dahin nutzt man eben die Lücken, solange sie offen sind.

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

5 Antworten auf Früchte aus verbotenem Vorrat

  1. 1

    … das scharfe Schwert des Datenschutzbeauftragten könnte da ja …

  2. 2
    Matthias says:

    Das war wohl ein echter Nuhr (Wer keine Ahnung hat, einfach mal…)
    Aus dem Urteil des BVerfG:
    „gespeicherten Telekommunikationsverkehrsdaten sind unverzüglich zu löschen. Sie dürfen nicht an die ersuchenden Stellen übermittelt werden.“

  3. 3
    Bernd says:

    Die Abwägungslehre ist großartig! Denn in 98% der Fälle kommen die StAs und Gerichte – nach sorgfältigster Abwägung aller maßgeblichen Umstände – zu dem Ergebnis, daß das staatliche Verfolgungsinteresse überwiegt und die Verfolgungsbehörden jedenfalls nicht willkürlich gegen ein Beweiserhebungsverbot verstoßen haben.

    Ausnahmen werden allenfalls gemacht, wenn an einem Dienstag Vormittag Polizeibeamte ohne Durchsuchungsbeschluß eine Wohnung verwüsten, um den vor einem halben Jahr verübten Ladendiebstahl an einer Tafel Schokolade aufzuklären. Obwohl ich auch in solchen Fällen Amtsrichter kenne, die dem staatlichen Aufklärungsinteresse mehr Gewicht beimessen als der Beachtung von Art. 13 GG und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz…

    Da Beweisverwertungsverbote fast nie angenommen werden, ist es nicht wirklich verwunderlich, daß die Strafverfolgungsbehörden die StPO und die Rechtsprechung des BVerfG in vielen Fällen eher als unverbindliche Richtlinie betrachten. Bleibt ja alles ohne Konsequenzen.

  4. 4
    Jens says:

    @Matthias: Eine Löschung bzw. Vernichtung der Verkehrsdaten, die im Rahmen der einstweiligen Anordnungen des Bundesverfassungsgerichts vor dem Urteil von den Dienstanbietern zulässigerweise an die ersuchenden Behörden übermittelt worden sind, wird in dem Urteil des BVerfG nicht angeordnet.

  5. 5

    Eine von der GStA abweichende und vielleicht Ihrem Monitum entsprechende Meinung zur rechtlichen Situation finden Sie hier: http://www.grehsin.de/blog/grundz-ge-vorratsdatenspeicherung-ii

    MfkG

    Malte Grehsin