Gefühle eines Richters

Richter K. nimmt Stellung zu einem Ablehnungsgesuch (vulgo: Befangenheitsantrag):

Ich fühle mich nicht befangen.

Ob Richter K. das nun in einer Stellungnahme formuliert oder seinem Frisör (alternativ: einer Parkuhr) erzählt, hat eigentlich genau dieselbe Relevanz.

Denn:

Es kann dahingestellt bleiben, ob der abgelehnte Richter im Grunde tatsächlich befangen ist. Die Befangenheit ist ein Zustand eines Richters, der seine vollkommen gerechte, von jeder falschen Rücksicht freie Einstellung zur Sache, seine Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten beeinträchtigen kann (BVerfGE 21, 146 = NJW 1967, 1123). Ein solcher Zustand kann in der Regel – wie auch vorliegend – nicht mit hinreichender Sicherheit bewiesen werden.

Daher ist die Ablehnung schon begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Es ist also nicht erforderlich, daß der Richter in der Tat parteilich oder befangen ist. Ob der abgelehnte Richter sich selbst für unbefangen hält oder er für Zweifel an seiner Unbefangenheit Verständnis aufbringt, ist deshalb ebenso bedeutungslos (BVerfGE a.a.O.; BVerfGE 32, 288 (290) ).

So lautet unser Textbaustein, den ich vor mehr als zehn Jahren von dem verehrten Kollegen Gerhard Jungfer abgeschrieben habe. Es ist aber nicht jedem gegeben, uralte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen.

Dieser Beitrag wurde unter Richter veröffentlicht.

9 Antworten auf Gefühle eines Richters

  1. 1
    R. Tape says:

    Oder zu lesen!

  2. 2
    ra kuemmerle says:

    der Schmatzer schon wieder? Irgendwann erklärt er sich schon freiwillig für befangen, wenn er nur Ihre Bestellungsanzeige als Verteidiger liest :-)

  3. 3
    Marina says:

    Wenn Sie mit einem ausgelutschten 10 Jahre alten Textbaustein kommen, müssen Sie sich auch nicht über ausgelutschte dienstliche Erklärungen wundern. Im übrigen: erschöpft sich die dienstliche Erklärung in dem Satz, der Richter fühle sich nicht befangen, kann darin ein neuer Befangenheitsgrund gesehen werden, weil sich der Richter weigert, sich inhaltlich mit dem Ablehnungsgesuch auseinanderzusetzen (falls es dazu etwas zu sagen gibt). Das gilt jedenfalls im Zivilrecht (z.B. OLG Oldenburg, FamRZ 1992, 192, 193). Strafrichter dürfen sich offenbar „ungestraft“ so äußern.

  4. 4
    Rumpelstilzchen says:

    Das Gesetz verpflichtet den abgelehnten Richter, sich zu äußern (§ 26 III StPO). Wenn einer in diese obligatorische Stellungnahme u.a. den Satz hineinschreibt, dass er sich in seiner Unbefangenheit aber nicht beeinträchtigt fühle, ist dagegen – bei allem Verständnis für die juristentypische Besserwisserei, die in solchen Blogbeiträgen zum Ausdruck kommt – nichts einzuwenden. Dass der Richter trotzdem weiß, dass es hierauf nicht ankommt, darf zudem getrost unterstellt werden.

  5. 5
    J. Müller says:

    Ob dagegen nichts einzuwenden ist, steht nicht im Belieben von Rumpelstilzchen. Ich jedenfalls habe Einwände gegen Richter, die der Welt ihre Gefühlslage mitteilen, als wäre man Mitglied ihres Stammtisches. Ob sie sich befangen fühlen, ist nicht nur irrelevant, sondern offenbart zugleich ihre Unfähigkeit, sich durch einen Blick in einen beliebigen Kommentar belehren zu lassen. Es darf getrost unterstellt werden, dass ein Richter, der sich contra legem eine solche dienstliche Äußerung zusammenbastelt, fachlich überfordert ist.

  6. 6
    Kand.in.Sky says:

    Welche Chancen hätte man bei dem Richter mit „ich fühle mich nicht schuldig“?

    #k.

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