Gelöscht – mit der Brechstange

Irgendwann im Sommer 2009 wurde meiner Mandantin vorgeworfen, einen Taschendiebstahl begangen zu haben. Es hat auf offener Straße und anschließend in einem Geschäft ein Riesentheater gegeben. Die Mandantin wurde – so hat sie es empfunden – vor versammeltem Publikum öffentlich hingerichtet.

Im Laufe der Verteidigung stellte sich heraus, daß die Vorwürfe nicht nur nicht nachweisbar sind, sondern es ist der Beweis gelungen, daß die Mandantin keine Taschendiebin war und ist.

Das Verfahren wurde – wie üblich mit dürren Worten und ohne Entschuldigung – nach § 170 II StPO eingestellt.

Die Daten, die die Polizei und später die Amtsanwaltschaft in die Datenbanken geschickt hatten, sollten dort verbleiben. Das wollte die Mandantin nicht. Deswegen habe ich einen Antrag auf Löschung dieser Daten gestellt. Das war im Januar. Und dann habe ich gefühlte 100 Mal an die Bearbeitung dieses Antrags erinnert. Passiert ist nichts. Bis jetzt. Auf meine – nicht mit dürren Worten geschriebene – Dienstaufsichtsbeschwerde erfolgte endlich eine Reaktion:

Es hat also fast ein Dreivierteljahr gedauert, bis es mir mit der Brechstange endlich gelungen ist, diese Datenkrake niederzuringen. Und für diesen arroganten Tonfall:

Im Rahmen der durchgeführten Einzelfallprüfung bin ich zu dem Entschluss gekommen, …die Löschung zu verfügen.

sollte man dem Sachbearbeiter gleich noch einmal einen mitgeben.

Es war am Ende ein sportliches Mandat. Den zeitlichen Aufwand hätte die Mandantin nicht honorieren können.

 

Dieser Beitrag wurde unter Polizei veröffentlicht.

14 Antworten auf Gelöscht – mit der Brechstange

  1. 1
    MaxR says:

    Aliquid semper haeret. Auch bei erwiesener Unschuld.

    Da sollte man eigentlich „unfaßbar“ sagen können.
    Aber nein — es paßt ins Bild.

  2. 2
    Gerold says:

    Warum hätte die Staatsanwaltschaft (!) sich dafür entschuldigen sollen, dass irgendwelche Privatleute (Ladendetektiv, Bestohlener) Ihre Mandantin öffentlichkeitswirksam als Taschendiebin vorgeführt haben?

  3. 3
    K. says:

    Was heißt denn „erwiesene Unschuld“? Dass bei Ihrer Mandantin, einer rumänischen Staatsangehörigen aus dem Volk der Roma, die zusammen mit zwei anderen Frauen anlasslos eine alte Dame bedrängt hatte, der anschließend das Portemonnaie fehlte, hinterher nichts Verdächtiges gefunden wurde?

  4. 4
    Trulla says:

    Wirklich strange hier

    Vielleicht war die angebliche Angehörige des Roma-Volkes seit über 35 Jahren Deutsche. Und vielleicht stellt es sich ja auch so dar, dass die Polizei, die die Mandantin mehrfach durchsuchte, weder Geld noch Wertgegenstände fremder Personen finden konnte. Und Vielleicht und nur vielleicht, hat die acch so liebe Alte Dame einfach ein Problem mit vermeintlichen Ausländern und beschuldigt diese gern mal des Diebstahls. Vielleicht war die Mandantin des Herrn H. völlig integer, hat einen Hochschulabschluss, und hat es überhaupt nicht nötig an Urlaubstagen irgendjemanden zu bestehlen.

    Ich hoffe der Mandant hat ihnen einen kleinen Bonus überwiesen. ;-)

  5. 5

    Die Mandantin ist eine Beamtin des gehobenen Dienstes.

    Die Bestohlene hat ihre Börse drei Wochen nach dem Vorfall wiedergefunden – zwischen den Polstern ihres Brokat-Sofas.

    Es hat zwei Wochen gedauert, bis diese Info bei der Polizei angekommen war, weitere sechs Wochen bis die Amtsanwaltschaft davon Kenntnis hatte.

    Die Einstellungsnachricht brauchte weitere vier Wochen, nachdem ich sie angemahnt hatte.

    K. scheint derzeit zuviel über die öffentliche Hinrichtung von Herrn Sarazin gelesen zu haben.

  6. 6
    ck says:

    Warum erfolgt in solchen Fällen kein Freispruch?


      In aller Kürze:

      Ein Freispruch setzt eine Verhandlung vor einem Strafgericht voraus.
      Eine Verhandlung vor dem Strafrichter setzt eine Anklageschrift voraus.
      Eine Anklage wurde in diesem Fall noch nicht erhoben.

      Die Einstellung im Ermittlungsverfahren nach § 170 II StPO entspricht einem Freispruch im Hauptsacheverfahren.

      Alles klar? crh

  7. 7
    Zweifelnd says:

    Und wie sicher ist, dass auch tatsächlich gelöscht?

    Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.(J.W.Goethe)

  8. 8
    Ein Zwerg says:

    So schlimm ist der Ton nun wirklich nicht :-) Und vielleicht kann man auch verstehen, dass die Strafverfolgungsbehörden ihre knappen Recourcen lieber auf die Verfolgung von Straftaten verwenden als die völlig sinnlose Löschung von Datensätzen.

  9. 9
    peter says:

    Das war ein Einzelfall (wie unsere Multikulti-Politiker immer so schön sagen), ansonsten ist die Darstellung von K. durchaus realitätsnah.

  10. 10
    Trulla says:

    @peter: War sie aber nicht und die Alte Dame kann froh sein, wenn gegen sie nicht noch Strafanzeigen wegen Vortäuschung einer Straftat und Falscher Verdächtigung erhält und in einem Zivilverfahren auch noch die sinnlosen Kosten von mehreren Hundert Euro erstritten werden.

    Und dass man der Polizei wegen der ungerechtfertigten Speicherung als Tatverdächtige noch Monate hinterherrennen muss, halte ich persönlich für eine Frechheit.

    Wir sollten wohl alle mal hoffen, dass wir selbst nicht Opfer solcher falschen Anschuldigungen werden. Denn die Polizei ist/war nicht zimperlich, was solche Leibesvisitationen angeht. Es ist das gute Recht der Mandantin auch in 10 Jahren nicht als polizeibekannt zu gelten, obwohl sie sich nichts hat zu schulde kommen lassen.

  11. 11
    Trulla says:

    Und was ist wenn die Mandantin bei einer folgenden Sicherheitsüberprüfung aufgrund solcher Akteneinträge durchfällt und deswegen den Job verliert?

  12. 12
    A. K. says:

    Herr Hoenig, wenn die Dame (lt. Schreiben) mit Ihren Daten erfasst wurde, dann wurden Sie hier wohl in eigener Sache tätig?

  13. 13
    A. N. says:

    Ob man wohl selbst Auskunft über die im POLIKS gepeicherten Daten zur eigenen Person erhalten kann?

  14. 14
    fernetpunker says:

    „zwischen den Polstern ihres Brokat-Sofas.“

    Echter Brüller! :-) Für die Mandantin natürlich weniger lustig.